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Wilsdruffer Tageblatt : 13.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192303134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230313
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230313
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-13
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 13.03.1923
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Außerhalb der besetzten Gebiete habe die Reichsregiernng das nötige Brotgetreide bis in den Som mer hinein fest in der Hand. Boelitz für den Burgfrieden. In einer Ansprache in Gronau erklärte der preußische Kultusminister Dr. Boelitz, das einzige, -was die Tapfe ren an der Ruhr erschüttern könnte, wäre der "Gedanke, daß wir anderen nicht mit voller Kraft zu ihnen stehen; blieben wie aber alle stark, dann werde auch ihre Widerstandskraft keinem Stoße erliegen. Bor allem müßten die politischen Parteien jetzt unbedingt Burgfrieden halten, und Erziehung zum politischen Denken, Erziehung zur Staatsgesinnung seien jetzt tausendmal mehr wert als ödes Parteigerede. Die Freigabe deutscher Vermögen in Amerika. Wie der Sonderbeauftragte des Hanfabundes, der nach Annahme des Gesetzes betreffend die Freigabe des deutschen Vermögens in Amerika eine eingehende Be sprechung mit dem Treuhänder für die Verwaltung der feindlichen Vermögen in Washington hatte, mitteilt, ist der Treuhänder zurzeit damit beschäftigt, mit größter Beschleu nigung die nötigen Ausführungsbestimmun gen zum Freigabegesetz aufzustellen. Diese Ausführungs- bestimmungen, die dem Hansabund sofort zugehen werden, sind innerhalb von 14 Tagen zu erwarten. Es wird jetzt darauf aufmerksam gemacht, daß unter allen Umständen in jedem einzelnen Falle ein Antrag auf Freigabe beim Treuhänder gestellt werden muß. Inter essenten gibt die Amerikaabteilung des Hanfabundes, Berlin NW. 7. Dorotheenstraße 36, unengeltlich Auskunft. Reichstag und Sieuergesetze. (Von einem parlamentarischen Mitarbeiter.) d. Berlin, 10. März. Fast zu einer parlamentarischen Krise hat sich die Be ratung über die Änderung der Steuergesetze im Reichs tag ausgewachsen. Die Regierung hatte in ihren Entwürfen ziemlich weitgehende Vorschriften für die Berücksichti gung der Geldentwertung bei der Entrichtung rück ständiger Steuern aufgestellt. Es sollte dadurch den vielfach lautgewordenen Klagen die Spitze abgebrochen werden, da ff den immer sofort durch den Lohnabzug zur Steuerleistung hirangezogenen Gehalts- und Lohnempfängern wirkliche Lasten auferlegt würden, während die mitunter erst nach Jahren ein gehenden Steuern aus selbständigen Betrieben und Unterneh mringen irgendwelcher Art durch die mittlerweile eingetretene Geldentwertung zu lächerlich geringen Beträgen zusammen- schrumpften. Die bürgerlichen Parteien hatten nun ein K o m < promiß abgeschlossen, das die Bestimmungen der Regierungs vorlagen erheblich milderte. Dagegen wandte sich mit großem Elan die vereinigte Sozialdemokratie unter dem Beistand der noch weiter links stehenden Gruppen. Verlangt wurde zum mindesten die Wiederherstellung der Regierungs vorlage. Nachdem in der Freitagssitzung des Reichstages einige Punkte im Sinne der bürgerlichen Parteien angenommen Waren, so der Zuschlag der zu beseitigenden Kapitalertrags- stener zur Körperschaftssteuer, wobei die bisher von der Kapi talertragssteuer befreiten Gesellschaften mit beschränkter Haf tung auch weiter von einem Zuschlag befreit sein sollten, kam es zu einem offenen Zusammenstoß der großen Parteien. Der sozialdenrokratische Abgeordnete Sold mann beantragte die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die eine engere Staffelung der nach oben sich erhöhenden Steuersätze vorsah gegenüber dem bürgerlichen Kompromiß. Soldmann verlangte die Beseitigung der Milderungen bei der Erbschaftssteuer und kündet an, seine Partei werde das ganze Gesetz ad le h n e n, wenn ihre Anträge nicht berücksichtigt würden. Abg. Helfferich von den Deutschnationalen macht daraus auf merksam, daß man durch solche Debatten die Einheitsfront ge gen Frankreich störe und den Franzosen Material gegen Deutschland liefere. Das Kompromiß habe keineswegs den Besitz bevorzugen, sondern einfach den für die Lohnsteuer gel tenden Entwertungsfaktor auch auf die Besitzsteuer anwcudcn wollen. In namentlicher Abstimmung wird der sozialdemo kratische Antrag zur Vermögenssteuer mit 183 gegen 145 Stimmen ab gelehnt nnd der Kompromißantrag an genommen. Der sozialdemokratische Antrag zur Zwangs anleihe wird mit 187 acaen 149 Stimmen, der zur Erbsckaits- Der Dollar 10. März: 20797,87-20902,13 Mk. „ „ 12. März:20762,96—20867,04 Mt. steuer mit 192 gegen 148 Stimmen abgelehnt, die Fassung des Ausschusses (Kompromiß) angenommen. Durch diese Abstimmungen war die Erregung auf der linken Seite des Hauses stark gestiegen, und als man jetzt an die Bewertungsvorschriften für Devifen-, Effekten- und Waren besitz kam, richtete der Sozial demokrat Dr. Hertz in einer heftigen Rede die schärfsten An griffe gegen Rechte und Mitte, deren Beschlüsse sich lediglich ans ihrer Rücksicht auf die Interessengruppen des Besitzes und deren Steuerscheu erklären ließen. Abg. Dr. Helfferich be zeichnet die Berechnungen des Abgeordneten Dr. Hertz als von falschen Voraussetzungen ausgehend. Nach weiteren j Bemerkungen von beiden Seiten wird eine Reihe von Änderungen des Einkommensteuergesetzes hinsichtlich der Be wertungsvorschriften nach den Ausschußvorschlägen ange nommen. Darunter befindet sich auch die vom Ausschuß eingefügte Bestimmung, wonach für die Angehörigen freier Berufe bei der Veranlagung für 1922 20 7L des Einkommens nach Abzug der Wsrbungskosten, nnd zwar mindlDens 30 000, höchstens 80 000 Matt, in Abzug gebracht werden können. Als jetzt die Vorschriften über die Ermittlung des Betriebsgewinnes beraten, und die sozialdemokratischen Anträge, Wertpapiere und ausländische Zah lungsmittel nicht als Gegenstände des Betriebsvermögens gelten zu lassen, abgelehnt wurden, kommt es zum offenen Zwist und zur Obstruktion. Der Sozialdemokrat Müller- Franken erklärt, das Kompromiß bringe eine solche steuerliche Entlastung für den Besitz, daß feine Partei die politische Verantwortung für die Beschlüsse nicht tragen könne. Sozialdemokraten und Kommunisten ver lassen den Saal, das Haus ist beschlußunfähig, die Weiterberatung muß unterbrochen werden. Für eine halbe Stunde später ruft der Präsident die Sitzung wieder ein. Gleich zu Anfang beantragt der Kommu nist Koenen unter großer Erregung, die Weiterberatung von der Tagesordnung abzusetzen. Der Kampf um die Steuer» müsse nunmehr aufdieStraßennd indie Betriebe getragen werden. Abg. Dr. Helfferich führt «ms, die bürgerlichen Parteien hätten nur ein allgemeines deut sches Interesse, ein Reichsinteresse an den Gesetzen. Er beantragt für heute Vertagung der Lesung. Der Antrag wird angenommen, der kommunistische abgelehnt. Aber noch eine dritte Sitzung folgt, ehe dieser ereig nisreiche Tag zu Ende geht. Der Gesetzentwurf über Anlegung gesetzlicher Reserven der Aktiengesellschaften in Dollarschatz- auweisungen des Reiches wird in zwei Lesungen debattelos erledigt, das Gesetz birgt Vorschriften, nach denen bei Rück gang des Dollarkurses für die im Reservefonds angelegten Dollarschatzanweisungen etwaige Verluste abgeschrieben wer den können. Und nun vertagt man sich gleich bis Montag. Wieder steht die Geldentwertung bei der Steuergesetzgebung auf der Tagesordnung — ob die widerstreitende^ Meinungen sich bis dahin aus eine Einigungsformet vereinigen können, dürfte für die Gestaltung unserer inneren Politik von wefent» sicher Bedeutung sein. Wett uns Wissen. — Neues von der Krebskrnnkheit. Das Rätsel der Krebs- krankheit ist noch nicht gelöst, aber jetzt macht Professor Ucke in Dorpat eine Mitteilung, die Wenigstens eine Ursache dieser heimtückischen Krankheit klarzulegen scheint. Schon feit längerer Zeit war man darauf aufmerksam geworden, daß bei Schorn steinfegern sich oft eine Hautkrankheit einstellte, die man als „Rußwarze" bezeichnete. Schon dadurch wurde die Vermutung uusgedrückt, daß die Krankheit eine Folge der Beschäftigung dieser Leute ist. Der Ruß ist ja nicht allein reiner Kohlenstoff, sondern er enthält infolge der aufsaugenden Kraft fein verteilte Kohle, auch immer ziemliche Mengen von Ammoniak und Teer bestandteilen, die bei der Verbrennung wie bei der trockenen Destillation von Holz und Kohlen in die Lust übergehen. Be obachtungen und Versuche bestätigten nun, daß die Produkte der Destillation von Steinkohlen, z. B. Paraffin, Anilin, Teer usw. bei einer dauernden Einwirkung Hautkrankheiten erzeugen. An Kaninchen konnte man durch eine Einwirkung von Teer, die 130 Tage dauerte, typischen Krebs Hervorrufen. Damit ist immerhin schon etwas Licht auf die gefährliche Krankheit ge worfen, wenn auch noch lange nicht alle Fragen beantwortet sind. Nah und Fern. o Aimarettis Beute. Der große Diebstahl, den der jüngst in Berlin verhaftete italienische Schlafivagen kontrolleur Aimaretti während einer Fahrt im Simplon- Expreß verübt hat, und bei welchem dem Räuber mehr als vierzig Päckchen mit Gold im Werte von 500 Mil lionen Mark in die Hände fielen, beschäftigt nicht nur die Kriminalpolizei, sondern auch die Oberpostdirektion. Die Reichspost hat nämlich schon wiederholt Schäden ersetze» müssen, die im Orient-Expreßzug durch Diebstähle verur sacht worden waren. Es wird nun vermutet, daß auch bei diesen Diebstählen der verhaftete Italiener seine Hand im Spiel gehabt hat. O Ein Arbeiterdenkmal in Berlin. Für Berlin-Tegel, nnd zwar für den Platz vor dem Portal der Neubauten der Borsigwerke, soll der Berliner Bildhauer Professor Fritz Klimsch ein monumentales Arbeiterdenkmal schaffen. Die Borsigwerke widmen das Denkmal ihren Arbeitern und Angestellten, die im Kriege und in der Heimat ge storben sind. Klimsch entwarf eine mehr als doppelt lebensgroße Arbeitergruppe, die in Bronze ausgeführt werden wird. O Autounglück bei Mainz. In der Nähe von Gonsen heim stieß ein von Kirn kommendes Lastautomobil mit einem Zug der Strecke Mainz—Alzey, die jetzt von franzö sischen Eisenbahnern betrieben wird, zusammen. Zwei Insassen des Auws waren sofort wt, mehrere andere wurden schwer verletzt. O Gattenmord eines Wahnsinnigen. In einem Anfall von Wahnsinn hat der praktische Arzt Dr. Bandorf aus Grenzhausen im Bezirk Frankfurt a. M. seine Frau er mordet. Nach der Tat kletterte der Mörder auf das Dach seines Hauses und schrie aus die Straße, daß er eben seine Frau getötet habe. Als die Polizei zur Festnahme schritt, stand er im Begriff, im Auto davonzufahren. Der gleiche Arzt hatte vor etwa Jahresfrist einen Einwohner von Grenzhausen in der Annahme, einen Einbrecher vor sich zu haben, erschossen. O Ehrengabe für eine Dichterswitwe. Die Stadt Wien hat der Witwe des jüngst in ärmlichen Verhältnissen ver storbenen Arbeiterdichters Alfons Petzold eine Ehrengabe von 4 Millionen Kronen bewilligt. D Explosion an Bord. Nach einer Meldung aus Gibraltar ereignete sich aus unbekannten Gründen an Bord des englischen Kriegsschiffes „Coventry" eine schwere Explosion. Drei Mann der Besatzung wurden getötet, vier schwer verletzt. O Die Kriminalität in Polen ist im Jahre 1922 nach amtlichen Quellen gegenüber dem Vorjahr um fast 100 7L gestiegen. Am stärksten ist die Steigerung der Diebstahls- sälle: Kasseneinbrüche sind aufs Doppelte gestiegen, die Felddiebstähle haben sich um das Dreifache vermehrt. O Schlafkrankheit in Newyork. In Newyork sind Fälle von Schlafkrankheit in wachsender Zahl zu verzeichnen. Seit acht Tagen sind 23 Fälle gemeldet worden. Die Zahl der Fälle seit dem 1. Januar beträgt 260; von diesen haben 112 zum Tode geführt. O Sommerzeit i» Frankreich, England und der Schweiz. In Frankreich ist die Einführung der Sommerzeit be schlossen worden. Die Direktionskommission der großen französischen Eisenbahnnetze hat daraufhin bei ihrer Regie rung den Wunsch zum Ausdruck gebracht, sie möchte die jenigen Negierungen, welche sich bisher noch nicht für die Sommerzeit ausgesprochen hätten, veranlassen, sich gleich falls für die Einführung zu entscheiden. Voraussichtlich wird sich Frankreich in dieser Angelegenheit an die Schweiz wenden. Die englischen Eisenbahnen haben die Sommer zeit endgültig angenommen und sie zur ständigen Einrich tung erhoben. Das Ende des chinesischen Mandarins. Dem Zopf und der absichtlichen Verkrüppelung der Frauensüße hat die chinesische Regierung schon vor längerer Zeit den Krieg erklärt; jetzt bat sie auch mit den Mandarinen aufgeräumt, jenen allmächtigen Staatswürdenträgern, deren Namens- M. fföttsehung) (Nachdruck verboten.) Ieses!" sagte Benedikts, „das ist Graf Brada! Wo kommt Berankte lackte luitia aus Trude ihr Geschwätz wieder auf und brachte allerhand niedlichen Unsinn hervor, den sie -erträumt und erlesen hatte. Dabei tat sie möglichst wenig, spielte nur mit den Blumen und flocht sich ein Armband aus Gräsern, statt den beiden andern zu helfen. Das ärgerte Benedikts. „Trudchen, wenn du nicht mithelsen willst, sage ich Maxen ganz extra, daß du dich an dem Strauße nicht hättest beteiligen wollen," drohte sie. Das erschreckte Trude. Sie hatte sich ein lebhaftes Bild von dem Heimkehrenden entworfen und gedachte ihm zu gefallen. Wenn Benedikte ihre häßliche Drohung ausführte, so mußte das von vornherein einen schlechten Eindruck machen. So griff sie denn mit zu. Plötzlich schreckten die Mädchen auf. „Baronesse! Baronesse!" rief eine hell klingende Männer stimme durch den Park. ist das etwas anderes; der ist gebunden. Wer ich bin frei und kann machen, was ich will!" -Aber ich verstehe doch nicht," nahm Trude wieder das Wort, ,wauim dein Bruder sich nicht vergiftet oder wenigstens cine^ Ku^l durch das Herz gejagt hat. Mit einer unglücklichen Liebe! . ... kann man doch nicht am Leben bleiben. Hat Fräulein Warnow der denn auf einmal her? Kinder, wenn er uns wieder neckt il n X'M nicht verflucht?" ' ' ' " """ ! — wir lassen uns nichts gefallen. Der bildet sich Gott weiß was ein. Ick werde ihm einmal ordentlich orob kommen." Das Heiraiq'ahr Ey SufifpiehMomcm tn zwölf Kapiteln.. Wm^Fedor v. Zabeltitz. „Trudchen, du mußt nicht so viel Romane lesen," entgegnete sie, „und nicht immer so furchtbar traurige Liebesgeschichten." Trude verzog spöttisch die Lippen und rümpfte ihr Näschen. „Wenn du glaubst, daß ich mich von meiner Lektüre beein flussen lasse, so irrst du dich. Ich sage mir einfach, wenn sich zwei Menschen, die sich lieben, nicht kriegen können, so müssen sie dies irdische Jammertal verlassen. Das geht nicht anders." „O, das ist gräßlich, Miß Trude!" rief die kleine Engländerin entsetzt. „Das sein nicht Ihr Ernst!" „Doch," nickte Trude. „Die Liebe ist das Höchste, was man hat, und wenn einem die genommen wird, ist es aus. Davon bin ich ganz fest überzeugt. Hobt Ihr denn noch nie geliebt?" „Etwa du?" fragte Benedikte zurück. „Ja, gewiß," sagte Trudchen. „Wir hatten in der Pension einen Zeichenlehrer, einen bildschönen Mann, in den waren wir alle verliebt. Er war aber auch wie ein Gott oder wie Achilles. Herr Hermes hieß er. Und wenn er sich einmal mit einer von uns besonders beschäftigte, dann waren die andern eifersüchtig auf sie .. ." Benedikte hatte die Hände im Schoße gefaltet und schaute die kluge Trude mit großen Angen an- „Siehst du, das begreife ich nicht, Trudel," erwiderte sie, „Laß man sich in seinen Zeichenlehrer verlieben kann. Das würde ich nun nie fettig kriegen. In irgend einen kühnen Helden, einen großen und bedeutenden Mann — ja, das wäre schon etwas anderes! Aber ich glaube, ich bin überhaupt keine verliebte Natur — ach nein!" Und dabei seufzte sie leise auf und griff wieder nach den Blumen, damit der Strauß endlich fertig werde. Unterdes nahm „Ein Verhältnis —?" Und Benedikte dachte einen Augen blick nach. „Nein — na ja, das heißt, sie hatten sich hinter dem Rücken der Ellern verlobt und wollten sich heiraten. Wenn du das ein Verhältnis nennst —" „Ein richtiges ist es nicht," entgegnete Trude. „Aber es ist trotzdem sehr interessant. War denn dies Fräulein Warnow so schön?" „Ach ja, Trude — wenigstens ich fand sie wunderschön! Sie Katte goldblondes Haar und dazu dunkle Augen und eine herr liche Figur. Sie machte auch einen sehr vornehmen Eindruck. Ich war damals doch noch jünger, und sie sollte sozusagen meine Gouvernante sein, und das kam mir immer recht komisch vor. Sie war wie eine Dame, sage ich dir." „War es eine Deutsche, die Governeß?" fragte Miß Nelly. „Ja, natürlich; das hörst du doch schon an dem Namen. Ich glaube aber, eine Deutsche aus der Schweiz, wenigstens ljat sie lange in Bem gelebt und auch da studiert." „Vielleicht war es eine heimliche Nihilistin," sagte Trude. „In der Schweiz gibt es viele Nihilistinnen. Ich habe einmal einen Roman gelesen, der spielte in Genf und in solchen Kreisen; die Heldin war eine polnische Gräfin, die ihr ganzes Geld, unge zählte Millionen, den Nihilisten vermacht hatte- Es war ein schönes Buch." „Das glaube ich," erwiderte Benedikte; „hast du es noch?" „Nein; es gehörte unserm Provisor und ich habe es heimlich gelesen. Aber nun erzähl' einmal weiter, Dikte: also deine Eltern wollten von einer Heirat deines Bruders Max mit Fräu lein Warnow nichts wissen?"- . „Es ging nicht, Trude. Dany hätte Max nämlich nicht Hohen- Kraatz erben können. Er däy nur eine Adelige heiraten; so lautet die Bestimmung. Dafür werde i ch wahrscheinlich einmal einen Bürgerlichen heiraten." „O, Dikte," sagte Miß Nelly, „wer spreckt sü was!" „Na, was ist denn dabei, Nelly! Papa sagt, es schadete gar nichts, wenn ich ein bißchen vorurteilsfrei wäre. Bei Maxen „Baronesse Bene- Vene- Benedikte!" erscholl die Männer stimme von neuem „Ach was, Bene— Bene," brummte Benedikte. „Das ist auch eine Unverschämtheit, meinen Namen so zu verstümmeln." „Aber du mußt ibm doch antworten," mahnte Trude. „Ich werd' schon " Und dann legte sie beide Hände als Schalltrichter um den Mund und rief mit schließlich überschnap- pender Stimme zurück: „Graf Brabberababbera — Brada!" „Hallo! Jetzt spür' ich die Gnädigste!" — Ein junger Husaren offizier schlug die hängenden Zweige der Esche zurück und trat in das Dämmergrün. „Drei Veilchen auf einer Wiese," und er verbeugte sich- „Wer von den Damen quakt denn so wunder voll?" fragte er, zuerst Benedikte die Hand reichend. „Hat es gequakt?" entgegnete diese; „es wird ein Frosch ge wesen sein. Mir war, als habe ich einen Brüllton vernommen." „Das war mein wohllautendes Organ," erwiderte der Gras lächelnd. „Aber ich rief nur Ihren Namen und zwar absichtlich etwas langaezogen, um seine Schönheit voll zur Geltung kom men zu lassen. Uebrigens bin ich als Ordonnanz zur Stelle. Gnädigste Frau Mama wünschen lebhaft, die Damen möchten in das Schloß kommen, da der Herr Bruder jeden Augenblick eintreffen kann " „Herrgott, ist's schon so spät?" rief Benedikte. „Trude, nimm 'mal die Blumen! Graf Brada — darf ich Sie bekannt machen: meine Freundin Gertrud Palm. Miß Milton kennen Sie ja bereits." „O ja — hatte schon mehrfach das Vergnügen. Kann ich Ihnen die Blumen nicht abnehmen, Fräulein Palm? Wie hübsch sie arrangiert sind! Ich mache Ihnen mein Kompliment. Künstlerisches Empfinden und ein poetisches Gemüt — das merkt man gleich." Benedikte vuffte Nelly heimlich in die Seite. Aber Trude ließ sich die Schmeicheleien ruhig gefallen, lächelte verschämt und trippelte zierig neben dem Leutnant her, der sich mit dem riesigen Strauß beladen hatte und ein ganzes Feuerwerk von Liebens würdigkeiten losbrannte. Die beiden andern Mädchen schritten auf dem schmalen Fußsteige hinterher. „Haben Sie heute keinen Dienst, Herr Graf?" fragt« Benedikte. „Nein, gnädiges Fräulein, sonst wär ich nicht hier. Einer der wenigen Sonnentage im Leben eines Leutnants. Die Schwa dron hat großen Kammerappell, in das Deutsche übersetzt: es werden den wackeren Mannschaften neue Kleidungsstücke an gepaßt und angemessen, und ich brauche nicht dabei zu sein. So erwuchs mir denn die Freude, meinen Tag einmal anders aus zufüllen, als durch Dienst; ich sage Freude, nicht aus Respekt losigkeit vor der wohltätigen Einrichtung des Dienstes, sondern weil der Wechsel doch nun einmal das Menschenherz fröhlich stimmt — notabene, es gibt auch Wechsel, die eingn sehr tief be kümmern können, was Sie wahrscheinlich nicht verstehen werden.".
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