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Ein Witzbold Hal einmal gemeint, unsere Vase sei eigentlich das merkwürdigste Ge wächs, denn sic habe ihren Nucken vorn, ihre Wurzel oben und ihre Flügel unten. Mit der Feststellung, daß sic ein merkwürdiges Organ ist, hat er unbedingt recht. Schon thr knöcherner Bau ist der komplizierteste des ganzen Körpers. Nicht weniger als vierzehn Knochen bilden das Gehäuse. Dazu kommen noch mehrere Knorpclstücke, die -tebel- und flügelartig die Konstruktion er gänzen. Wenn wir die Aufgabe der Nase be trachten, so liegt cs am nächsten, zuerst ihre Funktion als Sinnesorgan zu erwähnen. Wie sie diese erfüllt, darf auch in Laien kreisen als bekannt vorausgesetzt werden. Der eingezogene Luftstrom wird an den beiden Ricchfeldern, die hoch oben in der Nasenhöhle liegen, vorbeigeführt. Wollen Wir riechen, dann „schnüffeln" wir, d. h„ Wir ziehen die Luft in kurzen Stützen ein und legen zwischen ihnen stets eine lnrze Pause ein, während der die eingeführte Luft über das Riech feld streicht. Die Duftmoleküle treffen in der Nasenhöhle die Riechzellen und erregen sie. Diese Er regung wird auf die sogen. Riechkolben übertragen, von wo sie zum Gehirn weitergeleitet und dann zur Geruchsempfin dung umgewandelt wird. Jeder weiß ferner, daß uns aber gerade hinsichtlich des Niechvermögens viele Tiere weit übertreffen. Oft in einem Grade, der für uns kaum vorstellbar ist. So finden männliche Kohlweißlinge auch dann noch, wie Versuche beweisen, den Weg zum Weib chen, wenn man cs mit in die Stadt nimmt und in einem Drahtgehäuse ans offene Fenster stellt. Bei höherstehenden Lebe wesen scheint die Zahl der vorhandenen Nasenmuscheln nicht ohne Bedentung zu sein. So zählen wir beim Nasen bären, einem ausgesprochenen Nasentier, deren 21, während der Mensch nur drei ausgebildete Muscheln und evtl, zwei Muschelreste besitzt. Dies könnte die häufig geäußerte Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, die menschliche Nase sei ein Küm- merorgan, das mit wachsender Kultur immer stärker an Bedeutung für uns ver liere. Diese Vermutung will uns sogar als besonders einleuchtend erscheinen, wenn wir daran denken, daß die Nase dem Menschen als Geruchsorgan um so bessere Dienste leistet, je stärker er sich der Natur verbunden fühlt. Eine Nachprüfung aller Zusammenhänge verschafft uns jedoch eine Fülle bemerkenswerter und vor allem wert voller Einsichten, die nns ein ganz anderes Bild vermitteln. Welches sind denn sonst die Aufgaben, die die Nase erfüllt? Die Vorgänge in der Nasenhöhle geben uns Antwort. Sowohl sie, wie auch die mit ihr verbundenen Nebenhöhlen sind mit einer besonderen Schleimhaut ausgestattet. Dies Schlcim- hautfcld, das dicht hinter den Nasenlöchern beginnt, ist nach außen durch einen Zaun grober Haare gesichert. Ihnen obliegt es, die Atemluft von gröberen Beimengungen zu säubern. Den feineren Staub nehmen die dahinter stehenden, kleineren Härchen auf, und die weitere Reini gung geschieht dann durch die Schleimhaut, die an ihrer Oberfläche von nur mikro skopisch sichtbaren Flimmer haaren bedeckt ist. Unter der Nasenschleim haut befinden sich ungemein viele Blutgefäße. Wenn staub reiche Lust durch ihre vielen Frcmdkörperchcn die Schleim haut reizt, füllen sich diese Blutgefäße und bringen die Schleimhaut derart zum Schwellen, daß die Luftwege in der Nase sich bis zum völ ligen Verschluß verengen, so daß der staubigenLuft der Eingang versperrt ist. Der Aderreichtum hat aber noch einen weiteren Vorteil; er wärmt die Atemluft vor. Adern und Lymphgefäße vermögen schlietzNch auch eine Menge Wafserdampf abzugeben, feuchten also die vorbeistrei- chende Atemlust an. Aus den zahlreichen Schleimzellen — auf jeden Ouadratzenti- meter kommen ungefähr 150 Stück — strömt gleichzeitig Schleim aus, der sich über die ganze Schleimhaut ergießt. Da er kleberig ist, hält er alle die ciuge- drungcnen Fremdkörpcrchen fest und verhindert ihr Ein dringen in die Lungen. Aber Staub und Bakterien werden durch den Schleim nicht nnr mechanisch festgchalten, sie werden auch chemisch ange griffen und abgctötet. Die Atemluft wird also geradezu keimfrei gemacht. Wo bleiben nun aber die vielen Stoffe, die im Laufe des Tages aus der Atemluft sich hier ablagern? Die Na- seuschleimhant besitzt Mil liarden von Zellen, die mit Flimmcrhärchcn ansgestattet sind. Diese wirken als kleinste Besen, die dauernd in Be wegung stnd.nnd zwar immer in gleicher Richtung, nach dem Nascnausgang zu. Zehn« bis fünf,zehnmal in der Se kunde ibogen sie wie das Korn auf dem Felde, we»n der Wind dar über stxcicht. Die Arbeitsleistung, die hier vollbracht wird, ist eine erstaunliche. Jeder QuadralzentimeterFlimmerschleimhaut hebt in einer Minute 6 Gramm 1 Millimeter hoch. Ungemein verblüffend ist folgendes Experiment: Legt man ein Stückchen Schleimhaut mit den Flimmerhärchen auf eine Glasplatte, so kriecht es auf der Glas platte langsam dahin. Wickelt man es lose um einen Glasstab, so steigt cs an ihm empor wie ein Fahrstuhl. Ja, würde eine einzelne Flimmerzelle sich von der Kraft ihrer Flimmerhärchen bewegen lassen können wie ein Auto, dann würde sie in jeder Minute über 4 Meter hoch steigen, also, verglichen mit seiner eigenen Größe, einen Weg zurücklegen, der bei einem Auto in jeder Stunde 4N 000 Kilometer (die Länge des Äquatorumfangs!) betragen würde. Dabei ist die Beweglichkeit der Flimmer haare unermüdlich; bei einem Schleimhaut fetzen kann man unter dem Mikroskop, wenn man das Stück genügend warm und feucht hält, diese Tätigkeit tage-, sogar wochenlang beobachten. Für das äußerliche Bild eines Menschen, seinen Ge sichtsausdruck, seine Gesamt erscheinung, ist Wohl kanm etwas so bestimmend, wie die Form der Nase. Das wußte man schon in älteren Zeiten und deshalb pflegten ja einst barbarische Völker nach einem Sieg den Ge fangenen, die sie besonders demütigen wollten, die Nase avzuschneiden. Und umgekehrt wieder hat heutzutage die Nasen-Plastik, die operative Änderung der Nasenform, eine Bedeu tung erlangt, die nicht hoch genug einzu schätzen ist. Schott unzählige Menschen, die in ihrer ent stellenden Nase das Unglück ihres Lebens sahen, verdan ken der „neuen Nase", die ihnen ärztliche Kunst schenkte, eine völlige Umwandlung ihres seelischen Empfindens. Daß es heute bereits möglich ist, solche Operationen durch- znführen, ohne daß die ge ringste Narbe zurückbleibt, sei nur nebenbei erwähnt. Uber das Thema Nasen form und Entwicklungs geschichte gar, ließen sich Bände schreiben. Bei den Säugetieren ist die Nase breiter als hoch, bei den Affen sind beide Maße fast gleich, nur beim Menschen übertrifft die Höhe der Nase ihre Breite. Bei den Menschen sind Unter schiede in ähnlichem Sinne festznstcllcn. Je tiefer die Kultur, desto niedriger die Nase, daher Europäer — Neger — Australier — Urmensch. Auch innerhalb der Angehörigen des gleichen Volkes bestehen charakteristische Verschiedenheiten; die Entwicklung der Nase entspricht der zunehmenden Kultur« entwicklung. Aus einer Versammlung von Plattnasen herrscht sicher der Geist nicht vor; die Steilnase dagegen wird überall da überwiegen, wo Kreise ver treten sind, denen durch Generationen hin« durch die Pflege von Bildung und Kunst Bedürfnis gewesen ist. Selbst beim Einzelwesen ist eine derartige Entwick lung der Nase zu verfolgen. Des Säug lings Nase ist unentwickelt wie die des Negers, dann bildet sich allmählich das sogenannte Stupsnäscheu. Diese kind liche Nasenbildung bleibt der Frau meist während des ganzen Lebens erhalten, wie überhaupt das Weib gewissermaßen eine Zwischenstufe zwischen Mann und Kind darstellt. Weil die Nasen noch nicht so ausgebildet sind, sehen sich Kinder viel ähnlicher als Erwachsene. Bei denen wird ja das besonders Charakteristische erst durch die stärker hervortretendc Nase betont. Hervorragende Persönlichkeiten besitzen in der Regel auch „hervor ragende" Nasen; wo das nicht zutrifft, wie zum Beispiel bei Beethoven, da wird meist eine ererbte oder früher durch gemachte Krankheit die Ursache sein. Man sehe sich nur die Abbildungen geistiger Größen einmal daraufhin an! Die Köpfe von Mozart, Haydn, Liszt und Wagner — alle mit stark entwickelter Nase — legen Zeugnis dafür ab. Von deni großen Pcrserkönig Artaxerxes wird berichtet, daß seine Freigebigkeit so groß gewesen sein soll wie seine Nase - er verschenkte nicht bloß Schwerter nnd Rosse, sondern ganze Städte und Pro vinzen. Und Lavater, der die Menschen nach ihrer Physiognomie bcnrtcilte, sagt« von Friedrich dem Großen, nur „ein Wclterschtttterer" könne mit solch einer Rase begnadet werden. — Womit noch lange nicht gesagt ist, daß jede große Nas« ihren Träger adelt. Dr. Heinz Franzmever. v>e Nnzahl ctcr Mcchmufcheln kennzeichnen Me LmpfiuctUcbkeU clcs Geiuwssjnnes. (Querschnitt durch die Nasen eine- Ameisenbären nnd eines Menschen.) Je höher clie Lntwicklung, desto höher die Nase. wie eine klrmee von Scheuerj-auen säubern clie Flimmerhaare ctcr Nasenschlcimyaut clie Lin- gangsschöchte cler kltemluft uncl vollbringen hierbei eine erstaunliche klrbeitsleislung. Fast alle Profile großer Männer sind durch große Nasen gekennzeichnet. Vas Drama einer Nase. Lin Dichter von Nang, ein stellt von Format, uncl clennoch um seiner — Nicsennase willen vom Spott verfolgt, läßt Lyrano cle vergerac (in Nostancls bekanntem Drama) cken wohlgebauten Dummkopf um clie Geliebte werben, mit clen lockenclen Versen, clie er schuf.