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70 Aufziehen nicht zu beschädigen. Als man ihn aufgesetzet, that man auch nicht alleine eine neue Schrift hinein, sondern auch die alte, so ich habe müssen umschreiben, und bestand in 11 Bogen'). Da dieses vollbracht war, ward das Seil wieder heruntqr- gelassen und die eiserne Spindel angemacht (sie war die alte Spindel und wieder gerade gerichtet worden); ihr Aufzug geschähe auch wie mit dem Knopf unter Musik und Gesang. Und so verfuhr man auch nach Fcstmachung der Spindel mit der Fahne. Da nun alles wieder feste gemacht war, und man die schöne Fahne sähe, so war alles voller Freude und Jubel, und Gott half auch, daß alles gut abging. Zu guter letzt ward noch das Lied: Nun danket alle Gott pp. unter Trompeten- und Paukenschall gesungen, die Cautorey stand oben auf der Eallerie, jedermann sang mit." Der Turmbau scheint nun etwas geruht zu haben. Erst im Juni des folgenden Jahres berichtet der Chronist weiter: „In eben dieser Zeit (Juni 1795) ward auch der Thurmbau wieder stark betrieben. Von der Fahne herunter bis an die Kuppel ward der Thurm grün an- gefirnißt, und das Durchsichtige weih, solches geschähe dreimal. Auch wurden im Thurme inwendig Böden gespindet und Treppen gemacht, und sind deren bis ins Durchsichtige, groß und kleine gerechnet, 20. Den 10. July machte der Schlossermcister Volckc das eiserne Geländer oben auf der Gallerie des Thurmes an, cs war im Ilmkreitz 72 Ellen und kostet 350 Thaler. Den 31. August ward die Bürgerschaft aufs Rathhaus gefordert, derselben der Vortrag gemacht, daß sie zur Herzuschaffung der Glocken Anstalt treffen wollen. Weil aber noch 900 Thaler 18 ngr. 10 Geld fehlte, daß in Dretzden Herr Wein hold unser Glockengießer noch kriegen muste, so wars nicht anders möglich, als daß eine Anleihe von 1000 Thlr. auf Lonsenß gemacht muste werden. Dazu war denn der vor kurzem neu erwehltc Kirchenvorstehcr Herr Schindler und sein Herr Schwiegervater Hartewig ^) erbötig, solche 1000 Thlr. zu 4 Procent herzu leihen. Zum llnterpfandc erbot man ihnen die C o m m u n f el d e r, womit sie auch zufrieden waren. ! Den 28. August gegen Abend kam Herr Schindler als Dcputirter vom hiesigen Rath, mit den großen neuen Glocken an, und wurden auf den Kirchhof gefahren, sie blieben aber auf dem wagen liegen, »in von da gleich aufgezogen zu werden. Der 4. September war also zum Aufziehen der Glocken bestimmt. Nachdem der Zimmermeister Berthold ein Seil verschafft hatte, machte er erst an dem Schall-Loch (gegen Abend zu)^) einen Kranich veste und baute ein Gerüste dazu. Oben an den Kranich war ein Globen angemacht, worinncn die Seile gingen, und diese gingen inwendig im Thurm ab und auf, bey der Kirchthüre und an der Ecke der Schule waren runde Docken') oder Wellen angemacht, desgleichen auch eine bey der Brod- bänke, und so reichten die Seile bis den Markt hinunter"). Und so wurde also um 7 Uhr Anstalt gemacht, erst wurde die größte aus dem Glockenhause auf dem Markte "), auf einer Schleife') herbeygesckiaffl, und an dem Seile mit einem Globen veste i) S. den Anhang! «) Kf.Bch. 1791/95. Bl. 29 untenn 2. 1. 1792: Hr. Lari Gottlob Härtwig, Tuch Händler allhler, verk. sein zw. Job. Benj. Neichens u. Mstr. Gottlob Siegm. Lrußiußens Häusern auf der Schloßgasse fOltseitcl innenqelegenes Hans an (seinen Schwiegersohnf Hrn. Joh. Gott fr. Schindler, Lauf- n. Handelsmann hiersclbst, um u. vor 400 Gulden Meißnisch. (Kästner.) ') Westseite, also Vorderseite des Turmes. «) Dock« — kurze, dicke Welle; vergl. die Docken beim Wäschemangeln! 5) Die ganze Seilfübrung ging also ans dem Turm berunter, wurde vor der Kirchtüre neben dem Turm in die Wagerechte nmgelcitet, lies nach der Ecke der alten Kantorei, bog bier wieder rechtwinklig nm u. ging durch die Gasse „An der Kirche" bis zu der „Brotbänke" im Rotkaus (heute „Reichsseidelei"). «) Di« Glocke zu 81/2 Tentner. r* r) Schleif« — schlillenartigrs Gestell.