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162 dürfe den Kranken, und was unangenehm diesen umgebe, nicht scheuen. Wer da wünsche, nirgends von der Schlechtigkeit berührt, nicht von Undank belohnt zu werden, der solle kein Arbeitshaus stiften. Der Glaube an die noch zu rettende Menschheit gäbe Muth und die Ucber- zeugung, daß der fehlende Mensch meist nur ein Irrender und Schwa cher sei', bekräftige auch unter den trübsten Erfahrungen. Sei einmal, wenn auch nach längerer Zeit, ein guter Geist in der Anstalt erwacht, so ziehe dieser auch die Schlechteren an sich, und wo die Güte und Belehrung nicht ausreiche, da müsse männlicher Ernst und eiserne Strenge die Hülfe gewähren. 10) Sage man, ein Individuum verdirbt in Arbeitshäusern durch das andere, so habe man sich auch hier nur in der Einrichtung ver griffen. Die verschiedenen Geschlechter müßten gesondert, Kinder auS- geschieden werden; dies bleibe unerläßliche Forderung für das Gedeihen. Die Einflüsse des Umgangs und die Verführung könnten im Leben nicht mehr und nicht sicherer beseitigt werden, als in dem Arbeitshause; der Schlechte halte sich überall zu dem Schlechten und suche ihn auf. Daß nicht Einer mit dem Andern verderbe, dafür habe die Aussicht Sorge zu tragen. Kein Tag dürfe vorübergehcn, ohne zu Ueberzeu- gungen vom Guten oder zur Befestigung des gegenseitigen Vertrauens beigctragen zu haben. Sinke das Arbeitshaus zu einer bloßen Werk statt und zu einer körperlichen Ernährungsanstalt herab, so schwinde dessen höhere Bedeutung von selbst, und die Bestimmung werde verfehlt. II) Die in die Arbeitshäuser Aufgenommcnen trifft ein Makel, der sich nicht tilgen läßt, und ihnen die Rückkehr zu ihren Mitbürgern erschwert oder unmöglich macht.— So lange das Arbeitshaus als ein Zucht- und Strafarbeitshaus betrachtet werde, habe jene Beraubung der Ehre wohl Statt, allein eben darauf hin solle die Unternehmung leiten, daß die Verbindung mit dem bürgerlichen Leben nicht aufgeho ben werde. Die genaue Unterscheidung der Anstalten stelle auch den eigcnthümlichen Charakter einer jeden heraus und entnähme dem Ar beitshause die Brandmarkung des Verbrechers. 12) Man sagt, daß Arbeitshäuser die Verbrechen vermehrten, weil Viele aus Furcht vor der Anstalt stehlen, statt sich an die Armcn- anstalt um Hülfe zu wenden. — Es läßt sich freilich denken-, daß die Scheu vor dem Arbeitshause zu einigen Diebstählen Veranlassung ge ben kann. Allein gibt es zu einem Diebstahle Veranlassung, so hin dert cs gewiß wieder zwei, indem die Armen im Arbeitshause weder nöthig haben zu stehlen, noch Gelegenheit dazu. Uebrigcns könnte man eben so gut sagen, daß die Polizei nicht streng sein dürfe, um