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FraMcndtrgtr Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mtiwochs-, Freitags- und Sonntagb-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben. * Wr. 8 Sövntag, den 29. Zanuar 1918 Heilige Zeiten Ein Roman aus der Gegenwart Von Anny Woihc. > Amerikan. Copyright 1916 by Anny Wot.hr-Mahn, Leipzig. ' R RvÄdn-rk vr-doiev Einen Augenblick hatte Graf Günter die Empfindung, als Müsse er weit fort fliehen, vor der sich Nahenden. Dann aber straffte sich seine hohe Gestalt und kühl und sicher sah «r seiner Schwägerin entgegen. „Ich dachte es mir ja," lächelte sie ihm schon von weitem entgegen, „datz ich dich hier finden würde. Weiht du noch, wie wir hier im Mondenschein tanzten?" » Also mit wohlüberlegter Absicht hatte sie sich mit dem weihen Kleid angetan, und sich mit Narzissen geschmückt, wie damals Christa-Maria. . ' „Ich bin etwas verwundert," antwortete Graf Günter, ihre Frage umgehend, „dich gestern in treuer Trauer und beute im Gewand der Freude zu sehen. Ist irgendein Glück über, dich gekommen?" Sie sah ihn mit Unergründlichen Augen an und ihre zar- -ten, ringgeschmückten Finger spielten nervös mit den weihen Blumen. . - „Ist es nicht Glück genug, dah du heimgekehrt List?" . Günter spürte, die alten wirksamen Verführnngskünste sollten von neuem ins Werk gesetzt werden, aber nur der Zorn über dietz Erkenntnis trieb ihm das Blut in dse Schläge. -Diese Frau, die so sicher auf ihre alte Macht pochte, harte keine Gewalt mehr über sein Herzt »Ich hätte, wohl gewünscht, ein anderer wäre an '..reiner Stelle heimgekehrt, einer, der dich-mit Heitzer Liebe umgab, der notwendig war für Weib und Kind, während ich einsam im Leben stehe und auher der Mutter kaum jemand etwas verliert, wenn ich falle." Güldane lachte ihr altes, klingendes Lachen. D-abei hob sie den durchsichtigen weihen Schleier, Nr sich um ihre Schul tern schmiegte und warf ihn über das rote Haargefunksl mit den weihen Narzissenblüten. „Nun soll ich dir sagen, wie sehr ich um dich gebangt und mich gesorgt habe," schmollte sie. Süh sah sie dabei aus mit den grvhen hilflosen Augen, sütz und kindlich. „Nein, Güldane, das sollst du nicht. Lassen wir dpch d« Vergangenheit begraben sein. Mit Joachims Weib will ich nicht richten, datz es mir einmal weh getan. Es war, wie du ja damals selber sagtest,, ein dummer Jungenstreich von 'mir, der vergessen sein soll undmytz." Die graugrünen Augen funkelten rriumpbierend unter den halbgesenkten Lidern aus. „Dos von dir - zu hören, freut mich aufrichtig, Schwager," rief Güldane herzlich und Gre schlanke weige Hand schmeichelte sich in die seine. Wie Feuer 'brannte sie da. so datz er sie fast erschrocken fallen lieh, diese feine weihe Frauenhänd. Güldane lächelte verstohlen und fuhr fort: „Da wirst du ja auch wohl nichts dagegen einzuwenden haben — du sollst der erste sein, dem ich beichte — dah ich mich gestern mit Wolfgang v. Diethardtshausen verlobte^ und datz er heute »zu Mama kommt, sie um meine Hand zu bitten." - . , ' Lauernd beobachtete die junge Frau Günter. Sie wartete auf den Augenblick, wo das Blut Heitz in seine braune Stirn fchietzen würde, wo seine schwarzen Augen verzehrend in die Gren tauchen, und seine vor Leidenschaft bebende Stimme ihr ßuraunen würde: - ' „Das darfst du, nicht, denn ich, ich liebe dich, du -bist mein." * Aber nichts von alledem geschah. Kühl, ja eisig sahen die dunklen Augen sie an, die einst in seliger Trunkenheit an -ihr gehangen und um den hartlosen Mund Günters lag ein seltsamer Zug, den sie noch gar. nicht an ihm kannte. War es nicht, als wagte.dieser Mann da, der sie doch eigentlich gar nichts -anging, nur weil er Joachims Bruder war, verächtlich zu lächeln? ' - „Hast du etwas dagegen?" stietz sie fast herrisch hervor. .' „Ich?" fragte Günter erstaunt. „Wie könnte ich, wenn du selber nichts dagegen, hast? Wenn dir selbst nicht die Scham kommt, datz du nicht nur deinen Mann, sondern erneu Helden, der für dich starb, verrätst?" „Du wirst beleidigend", ries GHldane mit flammenden! Gesicht. „Durchaus nicht.- Nur meine Ansicht wollte ich dir auf deine Eröffnung hin nichr vorenthalten. Du bist natürlich Herrin deines Willens und die Mutter wird'dich'so wenig hindern, wie ich es tue, deinem Herzen zu folgen." „Du gönnst mir nur Wolfgang nicht", zischte sie böse zwischen den Zähnen Hervor. Groh und ernst matzen sie Günters Augen, so datz sie die ihren unwillkürlich zu Boden schlug. „Das fetzt Gefühle voraus, die ich schon lange nicht mehr aufbringen kann, Güldane. Nein, es handelt, sich hier für mich nur darum, Joachims Andenken heilig zu halten. Unsere Auf fassung geht darüber auseinander und dse Angelegenheit ist daher für mich erledigt. Denn ich glaube ja kaum, wie ich dich . kenne, datz du irgend welchen Abmahnungen zugängig wärst, wenn du etwas durchsetzen willst. Wenn dich die heilige Zeit, die wir jetzt erleben, nicht zurückhalten kann, Joachim wenig stens über diesen Krieg hinaus die Treue zu wahren, damit dein Sohn nicht dereinst vor seiner Mutter zu erröten braucht, so habe ich dir nichts mehr zu sagen. „Verzeihe", schiotz er, die Absätze zusammen nehmend, datz ich dich hier verlassen mutz. Es wird sonst zu spät für meinen Besuch im Dokrorhaus." I ' Er grüstte sie kühl und fremd, als sähe er sie heute zum erstenmal, dann bog er wieder in den Pfad ein, der zur Weitzdornhecke führte und verschwand, _ ohne zurückzublicken hinter den Syringrnbüschen, die hier den Weg verdeckten. Güldane starrte ihm fassungslos nach. Alle Narzissen, die sie im Arm trugs fielen zur Erde und gedankenlos trat ihr Futz darüber hin, .als s'. die Zähne tief in die roten Lippen grub und dachte: „Er ist also mein Feind geworden, dieser Unbändige, der . mich einst so Heitz liebte, datz er meinetwegen sterben wollte." ? Sie lachte grell auf. „Da? ist also die vielgepriesene Liebe", murmelte sie, während sie achtlos ihr weitzes Kleid über den feuchten Boden schleifte, datz es einen breiten, dunklen Saum bekam, „und darum sollte ich das Glück, das sich mir bietet, nicht ergreifen, nur weil ich mal einem Phantom nachjagte^ das ich für Liebe nahm." „Wäre der > Junge nicht", dachte sie im Aufwärtssteigen, . „so würde dir Angelegenheit Joachim in meinem Leben völlig ausgelöscht sein. Aber so wird mich der Sohn wohl noch ost unliebsam daran erinnern, datz ich seinen Vater einst ohne Diebe nahm. — Günter ist von anderem Holz als Wolfgang — er würde niemals Joachims Nachfolger sein wollen, -selbst wen:, er mich noch so leidenschaftlich begehrt«. Wie alle derer von Ettersrode, ist er ein öder Pfiichtenmensch, der den Tag , und das Leben verträumt. Wolfgang aber will das. Leben, ! wie ich, auskosten bis zur Neige. Er will geniesten wie ich geniesten will und seine Leidenschaft wird mich hoch empor-