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Zu Hummelshain, der gewöhnlichen Sommerrestdenz der herzoglichen Familie, abgebrannt. Se. Hoheit der Herzog, welcher mit einer Jagdgesellschaft sich gerade in dem Schlosse befand, ist am Abend des 6. wohlbehalten wieder bier angelangt. Das Unglück soll durch das Platzen einer Oesse entstanden sein. Das Hauptgebäude des Schlosses ist nicht beschädigt worden; auch konnten die Mobilien zum größten Theil gerettet werden. Die Neichsrcgierung hat es für eine gebotene Consequenz aus den Prinzipen der gegenwärtigen Neichsgesetzgcbung erachtet, daß ein einheitliches deutsches Paßformular cingcführt werde, welches an Stelle der bisher üblichen Wappen rc. der Eiuzelstaatcn au dem Kopf den Reichsadler trägt und damit gleichzeitig den Inhaber des Passes als dem deutschen Reiche angehörig üind thut. Die Ausstell ung der Paßdocumcnle würde nach wie vor durch die betreffenden Behörden der Einzelstaaten erfolgen. Seitens -des Rcichskanzleramtcs ist den Specialregicruugen der Einzelstaaten des Reiches die Weisung zugegaugen, daß vom 1. Jan. d. I. ab diese neuen Paßfvrmulare allgemein in Anwendung zu bringen seien. Die deutsche Reichspost ist eine gewaltige Anstalt, vorderen Organisation und Thäligkeit man allen Respect haben muß. Sie umfaßt 5402 Reichspostanstaltcn und zwar 544 Postämter, 559 Post verwaltungen, 3451 Postexpeditioncn und 848 Post-Agenturen, außer dem 28 Eisenbahn -Postämter für den ambulanten Dienst. Der Neichspostvcrwaltung gehört ein Personal von 15,996 Beamten und 21,9/4 Unterbeamteu an; mit Einschluß der Posthalter und Postillone betrügt das Gesammtpcrsonal 45,776 Personen. Zur Lösung der socialen Frage d. h. der gesellschaftlichen Mißstände müssen Alle Mitwirken; denn die Sache betrifft das Wohl und Wehe aller Staatsbürger. Die Negierungen dürfen aber die Hände nicht in den Schoß legen. DerHandeksministcr in Preußen hat daher mit sachverständigen Männern und Abgeordneten, zuletzt mit Schulze-Delitzsch Mittel und Wege berathen, wie die Sache anzufangen sei. Folgende Mittel kamen zur Verhandlung: 1) be lehrende Maßregeln zur Versöhnung der Gegensätze, und zwar in Bezug auf die Arbeitgeber über ihr eigenes Interesse an Befriedigung begründeter Anforderungen der Arbeiter und an der Fürsorge für ihr Wohlergehen, in Bezug auf die Arbeiter aber Belehrung über das Falsche der socialistischen Lehren, über die Nolhwendigleit der wesentlichsten Institutionen der bürgerlichen Ordnung und über die Nothwendigkeil des Zusammengehens mit dem Capital. 2) Maß regeln zum Schutze der Arbeiter gegen die nachtheiligen Folgen der Concurrenz, ein Maximum der Arbeitszeit (ob auf eine solche eiuzu- gehcn?), Ausschließung der Sonntagsarbeit, Schutz der Kinder und jugendlichen Arbeiter gegen Ausbeutung in Fabriken, Schutz der Frauen in Fabriken, Conuole unbilliger Fabrikordnungcn, Sicherung vor Verletzung und Entschädigung im Falle der Verletzung, Sicher ung der Freiheit, die Arbeit nach kurzer Kündigung zu verlassen, Sicherung richtiger Lohnzahlung u. f. w., Bestellung besonderer Or gane zur Aufsicht über die Ausführung der in obigen Richtungen zu erlassenden Vorschriften. 3) Maßregeln zur positiven Hebung der arbeitenden Classen, und zwar durch Unterricht: Volksschicke, Fort bildungsschule, Haushaltskunde für Arbeiterfrauen und Mädchen, Volksbibliotheken, Lesestuben, sodann durch Sorge für Befriedigung der Lebensbedürfnisse; Wohnungsfrage, Confumvereinc, Spcijean- staltcn, VolkSgärten und sonstige Erholungsanstalten, ferner die Mittel zur Capitalansammlung von Sparkassen, Lebensversicherungen, Baugenossenschaften, und als Vorsorge für Unglücksfälle: Kranken kassen, Jnvalidenkasscn. 4) Maßregeln zur friedlichen Erledigung Von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern: Einig ungsämter — Schiedsgerichte. 5) Endlich etwa zu ergreifende Maß regeln gegen die Arbeiter wegen Mißbrauchs der Freiheit, und zwar gegen Anwendung von Gewalt bei Ausübung des Csalitionsrechts gegen unbefugtes Verlassen der Arbeit, und endlich gegen sozialistische Agitationen. (Das Eingreifen des Staates mit seinem Gelde oder Credit in die Privatwirth,schäft, und das Einmischen in die Regulir- uug der Lohnsätze und die Verlheilung des GeschäftSgewinnes zwischen Unternehmern und Arbeitern wurde von vornherein abgelehnt.) — Der alte Moltke hat weder Weib noch Kind und wollte den Weihnachtsabend nicht einsam feiern. Da ließ er in aller Heimlichkeit eine» mächtigen Christbaum schmücken und legte viele hübfche Sachen dazu; dann ging er hinaus iu die Straßen und holte sich arme und brave Kinder, Jungen und Mädchen. Mit einer großen Schaar kehrte er heim und brannte den Christbaum an. Den Jubel kann man sich denken. Dem einsamen allen Herrn wurde das Herz wunderbar weit und warm. Jur Neichsmiuisterium in Berlin ist für den 15. Januar ein großes Gabelfrühstück bestellt, denn an diesem Tage werden sich die beliebten Franzosen ciustellen und ihre 4. Halbmilliarde und nebenbei 150 Mill. Zinsen zahlen. Bismarck fürchtet nicht, daß die Franzosen auf sich warten lassen werden. Die neue Volkszählung weist fast überall eine Vermehrung der Bevölkerung in den Städten auf. Eine große Zahl von Ge- werbsleuteu drängt sich bei der bestehenden Freizügigkeit in die großen Städte, in der Hoffnung, sich dort besser zu nähren, als in kleineren Orten. Aber der Schein trügt! Die Concurrenz erdrückt! Alan sängt da mit großartigen Läden an, die eine kaum erschwingliche Miethe kosten; in ein paar Jahren ist daS kleine vorhandene Ver mögen iu daS Geschäft gesteckt und verschwunden. Dann zieht sich der Gewcrbsmaun wieder in kleinere Verhältnisse zurück; er wandert häufig wieder aus der Großstadt in einen kleineren Oct. In München, das sich durch Neubau beständig vergrößert, haben sich im Laufe des Jahres 1871 nicht weniger als 3012 Gewcrbtrcibende angemeldet, aber auch 1712 wieder abgemeldet; letztere suchten meistens ihren Erwerb wieder auswärts. Gegen den von vielen Brauern in Mün chcn erhöhten Vierpreis stellen sich Bierwirthe und Biertrinker in Schlachtordnung. Die Wirthe haben den Brauern gekündigt und sich andern Brauereien zu gewendet und hinter ihnen steht das Publikum. — In Frankfurt wollen die Milchkunden lieber eine Zeit lang die Milch entbehren, als in den bei der Einführung des Litermaßes beliebten Aufschlag willigen. Der bekannte Münchener Professor Froh sch ammer veröffent licht die Anzeige, daß der Erzbischof von München soeben über ihn „wegen vielfacher Ketzereien" die große Excommuuication ausge sprochen habe. Frohschammcr sagt, diese Kundgebung sei „völlig überflüssig" gewesen, da er selbst genugsam wisse, wann Jemand excommicirt sei und wann nicht,, ja, wie er schon im Jahre 1862 gezeigt habe, dies besser wisse, als der Herr Erzbischof von München jammt seinem Ordinariat. Frohschammcr bemerkt dann weiter, er müsse den Herrn Erzbischof dringend daraus aufmerksam machen, daß derselbe auch nicht alle kirchlichen Dogmen glaube und somit selbst auch der Excommuuication längst verfallen sei. Frohschammcr schreibt: „Nach kirchlichem Grundsatz ist jeder Katholik der Ex- communication verfallen, wenn ec nur Einem Glaubenssatz Annahme- oder „Unterwerfung" versagt, d. h. er ist aus der Kirchcngcmeinschaft und vom Gebrauche der kirchlichen Gnadenmittel ausgeschlossen und zur Verdammniß bestimmt, wenn er nicht die Wiederaufnahme er wirkt. Wenn jeder Katholik aus der Kirchengemcinschaft ausge schlossen ist, der irgend ein Dogma nicht im Glauben annimmt, so ist ohne Zweifel auch der Herr Erzbischof von München-Freising und sein Domkapitel, nicht minder aber der gcsammte Episkopat und Clerus der Excommuuication verfallen und wird demnach in der ganzen katholischen Kirche längst kein anderer Gottesdienst mehr ge halten, als ein sogenannter sacrilegifcher. Wir wollen, um dies zu beweisen, nur zwei Ketzereien ausühcen, denen die ganze katholische Hierarchie ebenso wie die gcsammmte Laienwelt verfallen ist. Die zwei in Rede stehenden Ketzereien sind: das kopernikanische Welt system und die Aushebung und Nichtbeachtung des kirchlichen Zinsen- Verbotes." Der ketzerische Charakter dieser beiden heute schwerlich von Jemand mehr bekämpften Ansichten wird nun aus einer Reihe von Aussprüchen der katholischen Kirche erwiesen. In Südfrankreich muß es ein noch größeres Vergnügen sein als anderswo, die Steirern einznkassiren. Da sind die Bauern so wüthend über die neuen höhen Steuern, daß jeder Steuereinnehmer von Staatswegen mit 2 Revolvern ausgerüstet worden ist. Die schwarze Internationale. Für keine Partei hat man in neuerer Zeit eine bessere Be zeichnung gefunden, als wie für die Ultramontaneu, indem man sie die schwarze Internationale nennt und sie der rochen gegenüber stellt. Was die rothe Internationale bedeutet, haben wir mit Schrecke» an den Pariser Communards gesehen, und zeigt uns weiter der Umstand, daß man die häufigen Bcäude in den ver schiedenen Staaten dieser Sippschaft zuschreibt. Die Ultramontanen hat man bis in neuerer Zeit als eine Partei im Staate betracht«, welche hauptsächlich rückschrittliche Zwecke verfolgt; die Ultramontanen haben aber bewiesen, daß man ihnen Unrecht that, indem man sie als eine politische Partei im Staate ausfaßte und anderen Parteien gegenüberstcllte. Sie haben klar dargethau, daß sie dem politischen Staate und dem SlaatSzwecke ihre unbedingte Anerkennung versagen und daß sie den Staat nur dann anerkennen, wenn er sich ihren Zivecken dienstbar erweist. Sie anerkennen und unterwerfen sich bedingungslos nur Einem Staatswesen, nämlich dem Päpstlichen; haben nur den einen Zweck, alle Macht im Papste zu vereinigen, um durch ihn alle Well zu beherrschen, wobei sie weder Nationalität, noch Vaterland, noch sonst Etwas anerkennen oder schonen. So stellten sie in Frankreich, nachdem cs durch die vielen Geld- uud Blutvpfer, welche der mörderische Krieg verschlang, völlig er schlafft war, das Verlangen, die Regierung möge dem Papste zum Besitze von Rom verhelfen, sich also in einen neuen Krieg mit Italien stürzen, statt daß sie mitwirkten, die Wunden des Vaterlandes zu heilen. In Deutschland sahen wir Rothe und Schwarze im Bunde das große Einiguugsweck seiner Völker und Fürsten stören, und in Oesterreich ist es ihr offen erkennbares und ausgesprochenes Ziel, die freiheitlichen Gesetze, an deren Ausbau die' Volker arbeiten, zu. beseitigen, und die Concordatszeit wieder herbeizuführen, in welcher bekanntlich die Staatsgewalt römische Fesseln trag. Da nun die Thäligkeit dieser schwarzen Gesellschaft nicht dem Staatswohle gilt, sondern der Befestigung einer fremden Gewalt, nämlich der päpstlichen ober besser gesagt jesuitischen Gewalt, so ist cs auch erklärlich, daß wir fast überall den CleruS im Zwiespalte mit der Staatsgewalt finden und find wir auch berechtigt das Treiben der Ultramontanen als staatsgesährlich zu bezeichnen. In Deutschland ist man zur Erkenntnis; gekommen, daß dem Treiben dieser Gesellschaft ein Ende gemacht werden müsse, wenn nicht alle gesetzliche und staatliche Ordnung gelockert werden soll; die baierische Negierung hat dem Reichstage einen Zusatzantrag zum Strafgesetzbuche gestellt, gemäß welchem Ungesetzlichkeiten der Geist- lichen, insbesondere Aufwiegeleien von der Kanzel herab und der-.