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nichts von Pratsch zu fordern. Die böswilligen Handlungen des Pratsch, wie sie Lerch als solche hinzustellen ver sucht, sind mit dem Charakter des gutmüthigcu und ge fälligen Mannes, wie Pratsch allgemein geschildert wird, nicht in Einklang zu bringen. Die Einlagesumme und die Hypothekenforderung an die Lerchschen Eheleute hatte sich Pratsch von seinem Lohne erspart. Pratsch soll ca. 4800 Mark besessen haben, während Lerch sein Geld fast ver- than und deshalb, um in Besitz von Geld zu gelangen, den Mord beging. Nachdem Lerch die Hypothekcnforder- ung hatte und in der Lage war, sich das ganze Vermögen des Pratsch zuzueignen, schritt er zur That. Den gesammten Nachlaß hat Lerch an sich gebracht, Uhr und Cigarrentasche hat er für sich verwendet, während er den Ring des Pratsch für seine Frau passend Her richten ließ, welche auch den Ring getragen hat. Die sämmtlichcn Bankeinlagen des Pratsch, bis auf die der Hirschberger Sparkasse, hob Lerch nach dem Morde ab. Die Frau, welche früher mit in den Mordprozeß ver wickelt war, spielt in der traurigen Angelegenheit eine nicht aufgeklärte Rolle. Die bei einer hiesigen Bankfirma von ihrem Mann von Pratsch erhobenen Gelder ließ die Lerch auf ihren Namen bei der Dresdner Bank ein tragen. Das Urtheil bringen wir in nächster Nr. — Aufsehen erregende Geständnisse des Raub - Mörders Speck. Dresden, 6. Dezember. Vor dem Untersuchungsrichter des hiesigen König!. Landgerichts hat der wegen Tödtung des Kriminalgendarmen Markus in Dresden zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehr verlust verurtkeilte Matrose Johann Ernst Speck aus Trebsen bei Grimma nunmehr ein offenes reumüthiges Geständniß abgelegt und sich als der Mörder der am 14. Mai in ihrer in Altona belegenen Wohnung getödteten Frau Backhaus bezeichnet. Ferner hat Speck sein schwer belastetes Gewissen noch weiter erleichtert und noch eine Blutthat zugegeben, von welcher bislang noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen ist Als Johann Speck, nachdem er die Blutthat in Altona vollbracht und dann die Flucht ergriffen hatte, um bei seinen in Dresden wohnenden Eltern Unterstützung zu erbitten, auf seiner Wanderung in der Gegend von Möckern und Zerbst ge kommen war, gesellte er sich auf feiner Wanderung zu einem ebenfalls desselben Weges ziehenden Manne, mit dein er eine Strecke des Weges zusammen zurücklegte. Er will dann, so erklärt er, mit diesem Fremden in Streit gerathen und von ihm angegriffen worden sein. Speck zog dann seinen Revolver, den er schon von Hamburg aus bei sich führte, und schoß seinen Reisegefährten, dessen Name und Personalien noch nicht festgestelll sind, mit zwei Kugeln nieder. Der Mörder zog dann seine Straße weiter und traf dann bekanntlich am 10. Juni in Dresden ein, wo er dann am folgenden Tage auf der Prießnitz- straße den Kriminalgendarmen Markus erschoß. Speck hat auch diese zwischen Möckern und Zerbst verübte schwere Blutthat jetzt unumwunden zugegeben, und damit erklärt sich der Umstand, daß Speck in seinem Revolver fünf Patronenhülsen hatte, als er am Nachmittag des 11. Juni in Dresden verhaftet wurde. Er hat, und das ist in der Schwurgerichtsverhandlung am 26. November d. I. be- sonders festgestellt worden, auf Markus drei Schüsse ab gegeben, während fünf abgeschossene Hülsen noch in der Revolverkammer steckten. Zwei rühren von den auf den Fremden zwischen Möckern und Zerbst abgegebenen^ Schüssen her. Speck hat nunmehr die Dresdener Ge fangenenanstalt verlassen und ist unter sicherer Bewachung nach Altona gebracht worden, um sich dort vor dem Schwurgericht wegen des an der Frau Backhaus verübten Mordes zu verantworten. Die andere Blutthat zwischen Möckern und Zerbst bedarf indeß wohl noch der wetteren Aufklärung. — Ueber das Vermögen der Firma Sächs. Schuh fabrik Rudolph Voigt in Dresden wurde das Konkurs verfahren eröffnet. — Das Stadtverordnetenkollegium in Dresden be willigte 100000 Mark zu Erdbewegungen am linken Elb- ufer oberhalb der Stadt, um den Arbeitslosen Gelegen- hüt zur Arbeit zu geben. — Bei den in Dresden stattgefundenen Ergänz- ungswahlcn zum Stadtverordnetenkollegium wurden in sämmtlichen 18 Wahlbezirken nur Kandidaten der Ord- nungsparteien gewählt. Die Sozialdemokraten vereinigten als höchste Stimmenzahl auf einen ihrer Kandidaten 2571 Stimmen. Die Gewählten erreichten zum Theil fast 10000 Stimmen. — Die Königliche Porzellan-Manufaktur Meißen wird für dieses Jahr eine besondere Weiynachtsausstellung in den Räumen des Erdgeschosses im Verwaltungsgebäude des Landwirthschaftlichen Kreditvereins im Königreiche Sachsen in Dresden, Prager Straße 36, einrichten und diese am 8. dieses Monats eröffnen. — Riesa, 6. Dez. Nachdem sich das in riesigen Tafeln treibende Elbeis gestern Mittag bei Mühlberg festgesetzt hatte, erstreckt sich die Eisdecke seit heute Morgen bereits bis hierher. Auch bei Diesbar ist das Treibeis schon seit Donnerstag zum Stehen gekommen. — Heute Morgen sank das Thermometer im Elbthale hier bis - 19° K. — Pirna. Die plötzliche Einstellung der Schifffahrt auf der Elbe hat dem österreichischen Export erheblichen Schaden zugefügt. Mehr als 200 Fahrzeuge sind unter wegs eingefroren, manche an Stellen, die sehr weit von der nächsten Eisenbahnstation entfernt sind und an denen daher ein Ausladen große Kosten verursachen würde. Der außerordentlich niedrige Wasserstand bringt auch noch die Gefahr mit sich, daß manche Kähne zu bersten drohen. Bei einer einzigen sächsischen Gesellschaft sind auf der Thalfahrt 46 Fahrzeuge eingefroren, oarunter ein Schiff mit einer Ladung Kartoffeln aus Oesterreich, das bet Lauenburg festliegt. Es war dies der erste Versuch eines Kartoffelexportes aus Böhmen. Die Ladung wird, wenn nicht bald Thauwetter eintritt, wahrscheinlich ver derben. Die Versicherungs-Gesellschaften haben in Folge der Vereisung ebenfalls sehr große Unkosten, da iihnen die Maßnahmen für die gefährdeten Fahrzeuge obliegen. Eine so plötzliche Schifffahrts-Einstellung wie dieses Jahr ist der jetzt lebenden Schiffergeneration noch nicht vorge kommen. — Einen Mordversuch an einem jungen, blühenden Mädchen, das am Donnerstag vor den Traualtar treten wollte, und dann Selbstmord hat am Donnerstag Abend in Meerane der seit nahezu drei Jahren in städtischen Diensten stehende, aus Schlesien gebürtige Stadtförfter Paul Stiller begangen. Ueber das Drama wird dem „Leipz. T." noch Folgendes mitgetheilt: Als die 21 Jahre alte Tochter des vor kurzem verstorbenen Manufaktur- waarenfabrikanten Fickert aus ihrer in der Weberstraße gelegenen Wohnung sich auf dem Wege zu ihrer in der Gartenftraße wohnenden Schwester, Frau Zimmermann, befand, wurden auf das Mädchen am Ende genannter Straße drei Revolverschüsfe abgegeben. Der eine Schuß ging dem Mädchen in die linke Schulter, der andere drang oberhalb der Nasenwurzel in den Kopf ein. Das Mädchen konnte noch einige Schritte gehen, brach aber dann blutüberströmt zusammen. Der Attentäter, der Förster Stiller, ging dann um die Ecke der Straße und jagte sich dort am Gartenzaun eine Kugel ins Herz, die seinen sofortigen Tod tzerbeiführte. Auf das Geschrei der Verletzten und durch die Revoloerschüsse angelockt, erschienen alsbald Nachbarn, die das Mädchen aufhoben und nach der Wohnung ihrer Schwüter brachten, von wo aus später die Ueberführung nach dem Krankenhause erfolgte. Hier gelang es den ärztlichen Bemühungen, die im Rücken sitzende Kugel zu entfernen. Der Attentäter und Selbst mörder wurde alsbald nach der Leichenhalle transportirt. Bei der körperlichen Untersuchung Stillers wurde in seiner Kleidung noch ein weiterer mit sechs Kugeln geladener Revolver gefunden. Das Motiv zur That ist zweifellos in Liebesverhältnissen zu suchen, denn Stiller hat mit dem Mädchen früher ein Verhältniß gehabt, das aber nicht vou langer Dauer war. Die Fickert hatte sich später mit einem auswärtigen Herrn verlobt und am Sonnabend sollte die Hochzeit stattftnden. Die Verletzungen der Fickert sind nicht lebensgefährlich, und es ist Aussicht auf ihre Wiederherstellung vorhanden. Telephon - Bericht. — Der Angeklagte Lerch in dem Dresdner Mord- Prozeß wurde soeben wegen Mord zum Tode und wegen Meineid zu 5 Jahren Zuchthaus verurtheilt, auch wird er dauernd für unfähig erkannt, als Zeuge vernommen zu werden. Die Frau Lerch wurde wegen Hehlerei zu 3 Monaten Zuchthaus verurtheilt, die als verbüßt gelten.