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WM MÄuss WrM, Wv, Sickckhi sü die WWÄki. Amts b kalt für die Lal. Umlsbauvtinannichast zu Weitzen. das Lgl. Unitsgericht und den Ktadtratb zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag- und Donnerstags bis Mittags 12 Ubr angenommen. Nr. 82. Dieststag, de« 1S. Oktober 1889^ Bekanntmachung. Alle im Stadtbezirk wils-ruff aufhältlichen Reservisten der Jahrgänge 1882 bis 1889, zur Disposition der Ersatzbehörden und Truppen- theile beurlaubte Mannschaften und Halbinvaliden der Jahrgänge 1882 bis 1889 erhalten Befehl, zu der am 8. November 1889, 8I4 Uhr Bormittags im Gasthaus zum meisten Adler zu Wilsdruff stattfindenden Controlversammlung zu erscheinen. Alle Militärpapiere sind mitzubringen, Stöcke und Regenschirme vor dem Verlesen wegzulegen. Das Nichterscheinen zu dieser Controlversammlung wird disciplinarisch bestraft. Königliches Bezirks-Commando Meißen. Tagesgeschichte. „Kommt er, kommt er nicht?" Diese seit einem Vierteljahre so oft wiederholte Frage hat am Freitag Vormittag durch die Ankunft des Zaren Alexander III. von Rußland in Berlin ihre endgültige Beantwortung gefunden. Der Zar ist da. Kaiser Wilhelm hat den hohen Gast in Begleitung der zur Zeit in der Reichshauptstadt anwesenden Prinzen des Königlichen Hauses, des Fürsten Reichskanzler rc. mit besonderen Ehrenbezeugungen empfangen und zum Palais der russischen Botschaft Unter den Linden, in welchem der Zar Wohnung genommen hat, geleitet. Kaiser Alexander ist kein Freund des Volksjubels, er zieht den Aufent halt in der Stille dem geräuschvollen Treiben vor. Der Zar wird daher weder auf äußeren Pomp noch auf enthusiastische Begrüßung gerechnet haben. Aber wenn auch naturgemäß die Bewohner Berlins den russischen Kaiser nicht im gleichen Maße feiern, wie dies bei den beiden andern Monar chen, den Verbündeten unseres Kaisers geschah, welche im Lause dieses Jahres besuchsweise am Berliner Kaiserhof weilten: als Gast unseres Kaiserlichen Herrn hat die ReichSyauptstadt den Zaren mit aller Ehrer bietung willkommen geheißen. Ob der Zarenbesuch politische Fragen haben werde, ob er insbesondere im Sinne der Befestigung des Friedens aufzu- fasscn sei, wird vielfach erörtert, und auf verschiedenen Seiten ist man ge neigt, den Besuch als bloßen Höflichkeitbeweis aufzufassen. Man erinnert daran, daß auch die vorige Anwesenheit des Zaren in Berlin, als er den verewigten Kaiser Wilhelm I. besuchte und bei dieser Gelegenheit vom Reichskanzler die Fälschung der Aktenstücke erfuhr, durch welche er gegen Deutschland eingenommen werden sollte, nur auf kurze Zeit beruhigend gewirkt hat, und man nimmt an, daß auch diesmal weitergehende Folgen aus dem Zarenbesuche nicht zu erwarten sein werden. Wir glauben, daß diese Schlüssel ein wenig voreilig sind. Wäre der Besuch des Kaisers Alexanders einzig nur ein Höflichkeitsbesuch, daß er ja allerdings in erster Linie ist, so würde wohl der Reichskanzler nicht eigens nach Berlin ge kommen sein und bald nach Ankunft des Zaren eine längere Unterredung mit demselben gehabt haben. In dieser Unterredung kann es sich doch nur um politische Erörterungen gehandelt haben. Daß aber der Zaren besuch überhaupt erfolgte, ist, mag auch derselbe hinausgezögert worden sein, an und für sich ein Beruhigungssymptom, welches man nicht unter schätzen darf. Ob zum dem Entschluß der Reise des Zaren und zu den neuerdings von Rußland zu uns herübertönenden Fricdensstimmen der Wahlausfall in Frankreich und das wie, man behauptet, zwischen Deutsch land und England bestehende herzliche Verhältniß beigetragen hat, dahin gestellt bleiben. Es genügt, daß Kaiser Alexander Berlin besucht, und daß der russische Thronfolger nicht die Reise nach Paris unternimmt; dies sind gewiß an sich schon Thatsachen, die sich im Verein mit der übrigen politischen Lage zu Gunsten des Friedens deuten lassen. In diesem Sinne hat sich übrigens auch kürzlich der deutsche Reichskanzler ausgesprochen, indem er einigen in Friedrichsruh anwesenden Mitgliedern des Kongresses der Holzindustriellen gegenüber sich äußerte, er freue sich, daß die Herren im Vertrauen auf das gute Aussehen der politischen Lage ihrer friedlichen Beschäftigung nachgchen könnten. Ganz treffend sagt das Organ des Leiters der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreich-Ungarns, das Wiener „Fremdenblatt": „Insofern die allgemeine Lage durch noch fortwirkende große nationale Gegensätze beherrscht wird, insoweit noch Fragen ihrer Lösung harren, die keine solche gefunden haben, ist nach den bisherigen Erfahrungen eine Aenderung derselben von dem Besuche Kaiser Alexanders III. in Berlin allerdings kaum zu erwarten. Der Charakter der Situ ation hat durch die bisherigen Begegnungen keine wesentliche Umgestaltung erlitten, und wir glauben kaum, daß Solches nunmehr mit Recht erwartet werden kann. Aber die Völker bescheiden sich willig mit der Aussicht, daß diese Situation wenigstens allmählich auf friedlichem Wege zu einer na turgemäßen Klärung kommt, und die den Frieden bedrohenden Momente allmählich an Schärfe einbüßen. Was sie wünschen und wogegen sie in festen und opfermuthigen Bündnissen Schutzdämme aufrichten, ist ja nur, daß kein gewaltthätiger Eingriff in diese Entwickelung Europa's erfolge, und sie begrüßen mit Freude jedes Zeichen, das Eventualitäten dieser Art aus dem Kreise ihrer Befürchtungen für eine fernere Zeit zu verscheuchen geeignet ist. Als ein Symptom dieser Art wird aber der diesjährige Be such des Kaisers Alexander in Berlin von der öffentlichen Meinung Eu ropa's bereitwillig und mit Genugthuung gewürdigt werden." Berlin, 11. Oktober. Bei der heutigen Galatasel zu Ehren des Zaren brachte Se. Maj. Kaiser Wilhelm folgenden Trinkspruch aus: „Ich trinke auf das Wohl meines verehrten Freundes und Gastes Sr. Majestät des Kaisers von Rußland und auf die Dauer der zwischen unseren Häusern seit mehr als hundert Jahren bestehenden Freundschaft, welche Ich als ein von Meinen Vorfahren überkommenes Erbtheil zu pflegen entschlossen bin." Kaiser Alexander dankte hierauf in französischer Sprache für die freundlichen Gefühle Kaiser Wilhelm'S und trank auf das Wohl Ihrer Majestäten. Hierauf trank der Zar dem Reichskanzler Fürsten Bismarck zu, welcher sich erhob, stehend sein Glas leerte und sich sodann tief ver beugte. Darauf trank Kaiser Wilhelm dem russischen Botschafter, Grafen Schuwaloff, zu, der gleichfalls stehend sein Glas leerte und sich ebenfalls tief bewegte. Sonntag Mittag entsprachen Kaiser Alexander und Kaiser Wilhelm der Einladung des Offizierkorps des Kaiser Alexander-Grenadierregimcnts in dem Casino zum Frühstück. Das Aufgebot der Schutzmannschaft war heute größer als an den beiden vorangegangenen Tagen. Die Polizei duldete nicht einmal das Stehen vor der Hausthür, die Häuser mußten abgeschlossen sein. Besonders waren die Absperrungsmaßregcln in der Münzgasse, wo die Kaserne des Kaiser-Grenadierregimentes liegt, sehr umfangreiche. Den ersten Toast brachte der Regiments-Commandeur Oberst v. Rauchhaupt auf den Czaren aus. Alsdann toastete der Czar in russischer Sprache auf das Wohl und die Gesundheit Kaiser Wilhelms. Nach diesem Toaste klopfte Kaiser Wilhelm an sein Glas und brachte in feurigen, von hinreißender Begeisterung getragenen Worten einen Trinkspruch auf die russische Armee aus: „An einem Tage wie heute geziemt es sich für ein Regiment mit so hervorragender Geschichte und dem die Ehre zu Theil geworden ist, seinen hohen Chef unter sich zu sehen, der Zeiten zu gedenken, wo mein Großvater ein junger Soldat war und im Kugelregen bei Bar- sur-Aube sich das Georgkreuz und die Chef-Stelle des Kaluga-Regiments erwarb. Ich gedenke ferner der Tage, an welchem die russischen und preußischen Truppen Schulter an Schulter zusammen fochten und bei la Nothisre mit unseren zusammen bluteten, die Sebastapol tapfer vertheidigten und Plewna stürmten. Wir trinken auf das Wohl der russischen Kame raden und der russischen Armee. Sie leben hoch, hoch, hoch!" Beide Herrscher drückten sich die Hände und stießen mit ihren Gläsern an. Wenige Minuten später erhob sich abermals Kaiser Alexander und rief mit kräftiger Stimme in deutscher Sprache: „Ich trinke auf die Gesundheit meines braven Grenadierregimentes." Noch einmal stand der Zar auf und trank dem Offizierkorps zu und brachte ein Hurrah auf dasselbe aus. Um 1^ Uhr war das Frühstück beendet. Beide Kaiser blieben noch längere Zeit im Kreise des Offizierskorps. Der hohe Chef hat sein Regiment ganz besonders mit Ordensauszeichnungen und Geschenken bedacht. Als Kaiser Alexander die Kaserne verließ, verschwand auch die einzigste Person, welche auf den Dächern der umliegenden Häuser bemerkbar war: ein uniformirter Schutzmann. Ein interessantes Vorspiel zur Czaren-Visite in Berlin gewährte die Reise unseres Kaisers nach Kiel zur Begrüßung des englischen Canalge schwaders. Erklärt sich diese Reise auch wohl mit daraus, daß der Kaiser englischer Flottenadmiral ist, eine bemerkenswerthe Thatsache bleibt sie doch, zumal der Ausflug unmittelbar vor dem Besuche des Czaren erfolgte. Es liegt die Constatirung eines recht guten Verhältnisses zu England, und was eine nahe Freundschaft zwischen dem deutschen Reiche und Großbri tannien bedeutet, braucht nicht erst weiter dargelegt zu werden. Kaiser Alexander wird schon die Folgerungen ziehen. Daß der Kaiser die britische Flotte sehr hoch schätzt, hat er laut auf dem Galadiner ausgesprochen, welches er den britischen Offizieren im Kieler Schlosse gab. Eine Aeußerung des Reichskanzlers, welche dieser vor Kurzem gegenüber Besuchern aus industriellen Kreisen gethan haben soll, ist der weitesten Verbreitung Werth. Sie lautete dahin, dieselben könnten ihren Unternehmungen im Vertrauen auf die Erhaltung des Friedens sich widmen, „besonders seit dem Besuche des Kaisers in England". In der auswärtigen Politik ist es ziemlich still. Die franzö sischen Kammerwahlen haben selbstverständlich die Presse noch vielfach be schäftigt, und allgemein wurde das Wahlresultat als der Erhaltung des Friedens günstig beurtheilt; gegenwärtig haben aber auch die Erörterungen dieses Themas nachgelassen, in der richtigen Erkenntniß jedenfalls, daß erst der Zusammentritt der Kammer abgewartet werden muß, um aus dem Ver halten der Parteien zu ersehen, ob in der That die gegenwärtige franzö sische Regierung über eine ihr ergebene Majorität verfügen wird. Die Deputirtenkammer ist auf den 11. November einberusen worden. Der