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Tedermauu aus dem Bokks. ien die 10, 30 sch. Vellage zum Wochenblatt für Wilsdruff. Str. 3 Wilsdruff 1896 llt Äk- Nachdruck verboten. Nicolais Erichsca's Töchter. — Roman von B. Riedel-Ahrens. . (Fortsetzung.) SM er Gesang ist beendet — Stille herrscht von neuem, steigen der Kanzel erscheint die ernste Gestalt des jungen Geistlichen; er bemerkt sogleich die Anwesenheit des Offiziers und Leonore neben Tante Jutta. Würde der Baron rl. gekommen sein, wenn er nicht gewußt hätte, sie in der Kirche zu treffen? Das Antlitz Waldemar Bergs wird noch um einen Schatten blässer. Seine zu Herzen dringende Stimme verhallt klangvoll m dem totenstillen Schiff und dringt in das Innere der Hörer, daß sie auf Augenblicke aus der Apathie gerissen werden und etwas wie die dumpfe Mahnung eines halb erstickten Gewissens sich in ihnen regt: Waldemar Berg 'st versteht es, mächtig an die dumpfen Herzen zu pochen, üe aufzurütteln aus dem Schlaf des alltäglichen Sichgehen- lassens — seine Worte fahren wie Flammenblitze in die erschlafften Seelen, daß sie aufwachen und kurze lallende Zwiesprache halten mit sich und ihrem Gott. Doch mit den Worten ist leider nur zu bald auch die Wirkung ver- hallt und nichts bleibt, als ein kurzes, schwankendes Un behagen, daß doch mit ihnen nicht alles so ist, wie es sein sollte. Leonore wußte, daß manche seiner begeistert gesprochenen Worte besonders für sie und den Baron " v. Ravens berechnet waren; ob der junge Offizier das ebenfalls empfand? Es schien nicht so! auf seinem Gesicht lag gleichmütige Ruhe, als ob der junge Geistliche nur . Mr die Wände,sprech^ während er innerlich mit fieberhafter Ungeduld das Ende des ihm endlos dünkenden Sermons ^rbeisehnte. Endlich waren auch die letzten Gebete und der Gesang abgethan — die Menge verließ das kleine Gottes- I Mz, um auf dem freien Platz vor der Kirche, wo die ^r^iedenen Wege durch den Friedhof abzweigten, noch und dort gruppenweise mit den Bekannten ein Ge fach zu beginnen. Auch Frau Pastor Berg, Glück und Mutterstolz auf der sonntagsfeierlichen Miene, kam herbei- Mrippelt, Leonore und Fräulein Jutta mit dem ent- sprechenden energischen Handschütteln, das so beredt in diesem Falle — zu begrüßen, worauf der kleine unaus- lage bleibliche Klatsch begann; diesen Umstand benutzte Eugen, der sich auffallend eilig den Herrschaften von Wieks und Radenow empfohlen, um Leonore anzureden. Es lag in seinem Auftreten hier vor der Kirche und den Augen aller etwas, das den Leuten Veranlassung zu Bemerkungen geben mußte, und daß beabsichtigte Eugen; er warb um Leonore Erichsen, sie sollte die Seine werden, und je früher die Welt das erfahren würde, um so bester. „Wir werden am nächsten Sonntag ein paar Leute bei uns sehen — eine kleine Familienfeier, der Geburts tag meines Bruders findet statt. Ich habe den Auftrag, Sie und Ihre Schwester dazu einzuladen, und füge aus eigenem Antrieb die innige Bitte hinzu: kommen Sie, Fräulein Erichsen, nur dieses eine Mal noch; denn ich muß Sie sprechen und Sie misten, daß es sein muß." Wer hätte da widerstehen können? Leonore nicht. „Ich komme," flüsterte Sie. „Aber für Rahel kann ich nicht einstehen." Sein glühender Dankesblick sagte ihr genug; es war auch keine Zeit mehr zu eingehender Erwiederung, denn Tante Jutta hielt es für angemessen, den Herrn Baron der Mutter des Pastors vorzustellen, die ihn zurückhaltend und befremdet musterte, als ahne sie schon dunkel das Leid, daß durch ihn über ihren Sohn kommen sollte. Er verbeugte sich flüchtig und hochmutsvoll vor der unschein baren kleinen Dame und fragte, ohne sie weiter zu be achten, ob es ihm vergönnt sein würde, sie und Fräulein Erichsen in seinem Wagen nach Haraldsholm geleiten zu dürfen; aber das lehnte Tante Jutta ebenso höflich als entschieden ab, sie wollte um alles nicht den Unwillen des Bruders geradezu herausfordern, indem sie sich, anstatt bescheiden zu Fuß zu gehen, wie es ihnen zukam, in der Ravensberger Kutsche aus der Kirche heimfahren ließen. Zu Leonorens Ueberraschung hatte Nicolaus Erichsen nichts mehr gegen ihre Teilnahme an der Gesellschaft bei den Ravens einzuwenden, aber die Art und Weise, wie er seine Einwilligung gab, schnitt besonders Rahel ins Herz; sie sah, daß er nach heftigem Kampfe mit sich selbst den Widerstand gegen Leonorens Lebeusrichtung aufgegeben; sie wollte, dem ungezügelten Triebe ihrer Natur folgend, sich in die zersetzenden Freuden des äußerlichen Lebens stürzen — so mochte sie denn, im Falle es noch etwas an ihr zu retten gab — geläutert durch das Fegefeuer schwerer Leiden — aus dem Verhängnis hervorgehen. Und sie selbst war nicht weltverhärtet genug, um nicht voll Trauer die Verachtung des Vaters zu empfinden;