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den militärischen Uebungen gewidmet, welche in diesen Tagen vor den Augen Ihrer Kaiserlichen Majestäten sich abspielen werden, so darf doch die Thatsache der Begegnung Beider Majestäten als ein neues Unterpfand, der —wie Se. Majestät der Kaiser und König sich bei dem für die Provinz Schleswig- Holstein am 5. September in Gravenstein gegebenen Festmahl ausdrückte — „engen Beziehungen innigster Freundschaft und festester Waffenbrüderschaft" gelten, welche zwischen den beiden Monarchen bestehen. Das deutsche Volk ruft dem erhabenen Freund unseres Kaisers bei seinem Betreten deutschen Bodens ein herzliches Willkommen zu, mit welchem es den Wunsch verbindet, daß auch diese Begegnung den hohen Zielen, welche beide Majestäten für das Wohl ihrer Völker verfolgen, sich förderlich erweisen möge." Rohn stock, 17. September. Kaiser Franz Josef ist um 4Vr Uhr hier eingetroffen. Derselbe wurde vom Kaiser Wilhelm am Bahnhof erwartet. Die Monarchen umarmten und küßten sich wiederholt. Reichskanzler v. Caprivi und GrafKalnoky begrüßten sich ebenfalls sehr herzlich. Nachdem Abschreiten der zum Empfang aufgestellten Ehrencowpagnie fuhren die Majestäten nach dem Schlosse, Reichskanzler v. Caprivi und Graf Kalnoky folgten im zweiten Wagen. Die Krieger vereine, Schulen und Feuerwehren bildeten Spalier und die versammelte Menge brachte den Majestäten unausgesetzt stürmische Ovationen dar. — Se. Maj. der König von Sachsen ist um 5'/, Uhr im Schloß Börnchen bei Nohnstock eingetroffen. Ueber ein Bergwerks-Unglück im Saar-Revier bringt der Reichsanzeiger folgende offizielle Note: „Nach telegraphischer Meldung der Bergwerksdirektlon zu Saarbrücken hat am Montag Nachmittag 3 Uhr auf der Grube Maybach, Flötz 2, Ostseld, «ine Explosion stattgefunden. Von 350 angefahrenen Leuten wurden 24 getödtet, sonst aber niemand verletzt. Ursache ver- muthlich ein Sprengschuß. Wetterführung ungestört. Rettungs arbeiten konnten sofort begonnen werden. Die Todten sind bis Dienstag Vormittag 9Uhr sämmtlich zu Tage geschafft." Wien, 16. September. Wie das Kaiser!. König!. Tele graphen-Korrespondenz-Bureau meldet, stellten die hiesigen Exporteure in Folge der am 1. Oktober in Kraft tretenden Mac Kinley-Blll alle weiteren Bestellungen auf Perlmutter knöpfe ein, weshalb die meisten Werkstätten die Arbeiten sistirten. Von 15000 Arbeitern dieser Branche werden 10000 brotlos. Der Verein der Knopfdrechsler beachsichtigt deshalb, sich an den Ministerpräsidenten Grafen Taaffe zu wenden. Parts, 17. Sept. Auf dem Bahnhofe Andeko erfolgte heute Bormittag ein Zusammenstoß zweier Züge. 2 Reisende sind getödtet, 12 Personen, darunter 8 Bahnbedienstete, schwer verwundet. Vaterländisches. Wilsdruff. Die nun bald verflossene Woche hat den Bewohnern unserer Stadt viel Freudiges geboten, war es doch die große Kirmeswoche, in welcher in der Regel reges Leben pulsirt, namentlich wenn die Tage von günstigem Wetter be günstigt sind, wie es diemal glücklich der Fall war; infolge dessen auch unsere Bahn schwere und lange Züge von Kirmes- gästen zujührte, welche unsere Festwiese, die dies Jahr außer ordentlich mit Sehenswürdigkeiten aller Art gesegnet war, gut srequentirten und sich amüsirten. Die Ballfäle waren in den Abendstunden ebenfalls sehr gut besucht. — Am Kirmes-Montag fand im Hotel „Löwe" ein Conzert statt, welches ebenfalls leidlich gut besucht war; die Gesangsvorträge der Conzertsängerin Fräulein Elisabeth Bayczinska wurden mit großem Beifall ausgenommen, ebenso die Vorträge der Violin-Vtrtuosin Fräul. Mathilde Spahrmann und würde letztere sich die Sympathie ihrer Hörer noch mehr erworben haben, wenn sie sich gleich der Frl. Bayczinska zu einer Schlußzugabe herbeigelassen hätte. Auch Herr Göthel und der Pianist Herr Lehnert trugen zum Gelingen des Conzertes bei; nur die im Programm angezeigte Unterstützung des Stadtorchesters blieb aus nicht bekannt ge gebenen Gründen aus. — Der Dienstag Vormittag brachte uns eine erquickende kirchliche Feier, die Weihe des neuen vergoldeten Kirchthurmknopfes; nach der Weihrede verlas Herr Pastor Ficker noch das Dokument, welches im alten Kirchthurmknopfe vorgefunden und von dem damaligen Pastor Bauer angefertigt worden ist und gab ferner kund, daß außer diesem Dokument und verschiedenen Münzen in den neuen Knopf eine Chronik der Stadt Wilsdruff bis zum Jahre 1890 sowie die neueste Nummer des hiesigen Wochenblattes Aufnahme finden sollten. Den Knopf hat Herr Schlossermeister Hennig hier gefertigt und auch die schwierige Arbeit des Aussetzens desselben und des schweren eisernen Kreuzes darauf übernommen und in Gemeinschaft seines Sohnes auch glücklich ausgeführt. — Nächsten Sonntag, zur Kleinkirmes, dürfte sich auf unserer Festwiese bei dem anhaltend prachtvollen Herbstwetter wieder ein wahres Volksfest abspielen, wozu die weiteste Umgegend in der Regel ein zahlreiches Publikum stellt. Wie im amtlichen Theil unseres Blattes zu ersehen, stellt die König!. General direktion der sächs. Staatseisenbahnen auch für diesen Sonntag einen Personen-Extrazug auf der Linie Wilsdruff-Potschappel zur Verfügung; derselbe wird Abends 9 Uhr 57 Min. von hier abgehen, an allen Haltestellen halten und 10 Uhr 46 Min. inPotschappel eintreffen. Zur Mitfahrt berechtigen auch die einfachen Fahrkarten. — Der Winterfahrplan der sächsischen Staatsbahnen ist erschienen und tritt mit 1. Oktober in Kraft. Der Fahrplan der Linie Wilsdruff-Potschappel zeigt nur drei Züge in jeder Richtung. Abfahrt von Wilsdruff früh 6 U. 15 M., Vorm. 11 U. 20 M. u. Nachm. 5 U. 50 M. Afahrt von Pot- schappel nach hier früh 7 U. 20 M., Mittags 12 U. 30 M. und Abends 8 Uhr 10 M. Die Einbuße des 4. Zuges wird vielfach beklagt! — Die während der Kirmestage auf unserer Schießwiese aufgestellte mechanische Ausstellung wurde sehr gut besucht und verdient volles Lob. Wir verfehlen nicht, das Publikum darauf aufmerksam zu machen, daß es dem Besitzer, Herrn Paty, möglich geworden ist, nächsten Sonntag das neueste schauer liche Ereigniß, die Uebcrschwemmung von Prag und den Ein sturz der Prager Brücke dem Auge vorzuführen. Jedenfalls wird folgedessen der Besuch der Ausstellung ein sehr zahl reicher werden. — Die Sturmglocke kündigte uns Donnerstag Vormittag 11 Uhr ein auswärtiges Feuer an. In Herzogs walde ist das Haus des Tischlermeisters Müller vollständig nieder gebrannt; früh 9 Uhr hat es bereits angefangen zu brennen. Die Feuerwehr von Mohorn trat dabei in Thätigkeit. — Die Legung des unterirdischen Telegraphenkabels von Dresden aus über Kesselsdorf und Mohorn durch Freiberg bis an die bayersche Grenze schreitet rüstig vorwärts, trotzdem daß unsere festen Straßen den Arbeitern, meist Polen, viel Schweiß verursachen. Das Kabel wird einen Meter tief gelegt, dasselbe, welches 7 Leitungsdräthe in einem Mantel birgt, ist auf großen Walzen in einer Länge von 1000 Meter aufgerollt. Es werden sonach allemal 1000 Meter gelegt. Da, wo je 1000 Meter aneinanderstoßen, wird die Stelle ver- löthet und sofort das Kabel auf seine Leistungsfähigkeit ge prüft. Zwischen Kesselsdorf und Dresden mußte ein Kilo meter wieder ausgegraben werden, weil einige Dräthe nicht funktionirten. — Die am 13. d. M. inZehren stattgefundene gericht liche Obduktion der Leiche der ermordeten Frau Kunze hat ein gewaltsames Ende derselben festgestellt. Auf der Leiche zeigten sich 4 Beilhiebe, darunter einer am Hinterkopf und zwischen den Schultern, welche absolut tödtlich gewesen sind. Der Mord selbst kann nur in der Zeit von halb 10 Uhr bis halb 11 Uhr Vormittags ausgeführt worden sein, denn kurz vor halb 10 Uhr ist die Tobte noch von Nachbarsfrauen gesehen worden. In der Wohnung ist nur das Schreibpult, welches sich in der Kammer neben der Wohnung befindet, erbrochen und seines Inhaltes beraubt worden, sonst zeigte das ganze Quartier die gewöhnliche Ordnung. Am Sonnabend Nachmittag um 2 Uhr fand bas Begräbniß der Ermordeten unter großer Theil- nahme der Bevölkerung in Zehren statt. — Gegen den ver hafteten Hausdorf, welcher stark verdächtig ist, den Raubmord vollführt zu haben, mehren sich die Verbachtsmonente; Mittwoch ist seine Einlieferung an das Dresdner Landgericht erfolgt. — Nach neuerem Gesetz ist den Gemeind evorständen, die ihr Amt als Beruf ansehen und dasselbe berufsmäßig ver walten, eine Entschädigung in dem Falle zu gewähren, wenn sie nach sechs-, bezw. zwölfjähriger Thätigkeit in einer Ge meinde nicht wiedergewählt werden. In solchen Fällen hat die Gemeinde den bisherigen Vorständen noch auf zwei, bezw. vier Jahre nach Ablauf ihrer Thätigkeit die Hälfte des Gehalts zu zahlen. Die Gemeinderäthe werden sich binnen Kurzem darüber schlüssig zu machen haben, ob sie ihren Vorstand als Berufsgemeindevorstand ansehen oder nicht; gegen diesen Be schluß ist Beschwerde zulässig, die vom Bezirksausschuß zu ent scheiden sein wird. — Folgende Warnung dürste wohl Vielen nicht un willkommen sein: Diejenigen Personen, welche durch Unwohl sein verhindert sind, an einem gerichtlichen Termin, zu welchem sie Vorladung erhalten haben, zu erscheinen, müssen in diesem Falle dem Gerichte rechtzeitig ein ärztliches Attest vorlegen. In einer kürzlich in Oschatz abgehaltenen Schöffengerichtsver handlung wurde eine Zeugin, welche ihr Ausbleiben wohl ent schuldigt, aber kein ärztliches Zengniß eingereicht hatte, zu 5 Mk. Geldstrafe, eventuell einen Tag Haft und zur Tragung der dnrch das Ausbleiben verursachten Kosten verurtheilt. — Aus Glauchau schreibt man unS: In Lebensgefahr schwebte am Sonnabend unser Herr Amtshauptmann Merz, der Bezirksschulinspektor Herr Schulrath Gruhl, ein 12jähriger Knabe und ein Kutscher. Dieselben passirten mit einem Ge schirr die Turnerstraße. Da plötzlich scheute das Pferd und ging durch, den Wagen hinter sich in einigen Theilen zer trümmernd, bis derselbe an einem Zaun hängen blieb. Die Insassen sind sämmtlich mit dem Schreck davongekommen, nicht aber Andere. Eine Frau aus Reiholdhain wurde überfahren und erlitt einen kompltzirten Unterschenkelbruch; ferner wurde ein Mann an den Zaun gedrückt und trug an Kopf, Armen und Stirn so bedeutende Verletzungen davon, daß er nach Hause getragen werden mußte. — Eines Schreibfehlers wegen wurde dem Brauereibesitzer August Bernhard Schubert in Leutewitz eine Strafver fügung auf 30 Mk. lautend zudiktirt. Gegen diese erhob er beim Amtsgericht Dresden Einspruch. Schubert bewirkte in seinem Brauregistcr den Tag der Braueinmaischung statt am 6. auf den 7. Juni. Nach dem vereinbarten Fixationsver- trage ist Sch. verpflichtet, die Einmaischung pünktlich einzu- tragen, da sich danach die Brausteuer richtet. Beklagter ver sichert, daß es von seiner Seite aus lediglich ein schriftliches Versehen gewesen, als er sich im Gespräch mit seiner Frau be fand. Wenn diese Angabe ihm auch nicht widerlegt werden lann, so hat er sich immerhin einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht und verbleibt es bei der Strafverfügung, wobei be rücksichtigt wird, daß er wegen einer ähnlichen Uebertretung bereits eine Geldstrafe zu zahlen hatte. — Am Dienstag Abend entgleiste auf der im Bau be griffenen Bahnlinie Zittau-Oybin ein Bauzug und zwar gerade auf der Mandaubrücke gegenüber der Kaserne in Zittau. Zwei Bauwagen fielen in die Mandau, der BauzugSsührer wurde verletzt, anscheinend jedoch nicht bedenklich. Die Ursache des Unfalles ist noch nicht aufgeklärt. — Der ehemalige Wirth des Kaisersaales in Chemnitz, eine der ersten und bestreuommirtesten Restauratiouen der Stadt, Karl Ernst Hans, wurde wegen Bierpantscherei zu 3 Wochen Ge- sängniß verurtheilt. Unter Mitwirkung seines Bierausgebers, der mit 1 Woche Gefängniß wegkam, hat er unter Anwendung einer Gabelleitung Bier aus 2 Fässern, von denen das eine „echt" Pilsener, das andere aber „hiesiges" Pilsener enthielt, in den Hahn laufen lassen und dieses Mixtum als „echt" Pilsener verkauft. — Mittwoch früh wurde auf der Dresden-Neichenbacher- Eisenbahn in der Nähe der St. Nicolaivorstadt Chemnitz ein Glaser aus Chemnitz vom Zuge überfahren und getödtet. — Ein wahrhaft begeisterter Empfang wurde Sr. Maj. dem Könige in Chemnitz zu Theil; Alt und Jung, Hoch und Niedrig, Alles hatte sich vereinigt, um dem Könige bei seinem Einzuge zu huldigen, es herrschte in der ganzm Be völkerung eine geradezu erhebende Stimmung, eine Stimmung, die ihren Höhepunkt erreichte, als auch Ihre Majestät die Königin in den Mauern dieser blühenden Industriestadt er schien. Aber nicht blos in Chemnitz, sondern auch in allen Orten, wo Se. Majestät während der Manövertage erschien, herrschte bei dem Empfange eine gleich hohe Begeisterung. — Se. Majestät der König hat sich über Görlitz nach Striegan begeben, um auf Einladung deS Kaisers Wilhelms den Manövern des 5. und 6. Armeekorps beizuwohnen. Die Rückkehr nach Strehlen erfolgt spätestens den 21. d. M. — Infolge Auftretens der Reblaus krankh eit in einem Weinberge des 3. Aufsichtsbezirks sieht sich das Ministerium des Innern veranlaßt, zugleich unter Erneuerung des allge meinen ausgesprochenen Verbots der Versendung und Ein führung bewurzelter Reben, auch das Verbringen sogenannter Blindreben (zur Anpflanzung neuer Rebenanlagen bestimmter unbewurzelter Reben) aus den Bezirken der Gemeinden Nieder wartha und Weistropp, des Rittergutes Weistropp, der Ge meinde und des Ritterutes Wildberg, der Gemeinden Klein schönberg, Hartha, Constappel, Pinkowitz, der Gemeinde und des Rittergutes Gauernitz, der Gemeinden Röhrsdorf, Gruben mit ihren Ortstheilen Bergwerk, Pegau, Reppina mit Schloß Scharfenberg und Reppnitz, der Gemeinde und deS Rittergutes Batzdorf in andere Gegenden bei 150 Mk. Strafe für jeden Zuwiderhandlungssall zu verbieten. — Wohl selten hat eine Hochfluth in so jäher und verderbenbringender Weise einen Landstrich überfallen, wie dies in der Gegend von Torgau auf dem rechten Ufer der Elbe von Graditz bis weit über Prettin hinaus geschehen. Drohend war, so schreibt die „Magdeb. Ztg.", die Wass«Höhe deS Elb- stromes schon am Sonnabend den 6. September, gestiegen. Da bricht bei dem Gestütsvorwerk Döhlen das steigende Wasser über den Schafdamm, der leider 2 Fuß hinter der normalen Dammhöhe zurücksteht. In der Nacht erreicht die Fluth die Ortschaft Rosenfeld, wo das Wasser die Höfe sämmtlich« Besitzer füllt aber noch eine eigentliche Gefahr nicht bringt. Schon geht der Trost von Mund zu Mund: das Wasser steht; da rauscht von der entgegengesetzten Seite die Fluth, die bei Graditz den 24 Fuß hohen Damm durchbrochen hat, heran. Einen Augenblick hält der Eisenbahndamm diese Wasser massen hinter der Domäne Kreischau fest, das Gelände von Eulenau, Werdau, Zöckeritz und Zschackau mit seinen Bewoh nern überschüttend, dann dringen die Wellen durch und über die Eisenbahnstraße, die Chaussee bei Zwethau ist erreicht, die Brücke wird weggerissen, die Wasserwogen brausen in das fruchtbare Vorland der Elbe bei Zwethau, die Obstbäume an der Chaussee liegen unter dem Wasser begraben, die Kastanien allee ragt nur wie ein geringes Strauchwerk aus dem Wasser spiegel heraus. Der Pfarrer in Zwethau kürzt seinen Abend mahlsgottesdienst ab, in das Brausen der Fluth erschallt das Wort des 93 Psalm: „Die Wasserströme erheben sich, die Wasserströme erheben ihr Brausen, die Wasserströme heben empor die Wellen, der Herr aber ist noch größer in der Höhe". Eine halbe Stunde später liegen Kirche, Gottesacker, Schule und Pfarre in meterhohem Wasser; die Fluth bricht über den Mühlberg bei Zwethau an zwei Stellen durch und sendet einen Arm mit reißender Gewalt in das Dorf Zwethau hinein, bohrt sich mannstief in die Höfe und Straßen des Orte«, reißt Hausgiebel und Scheunen und selbst morgenweise den Fruchtacker hinweg. Mit Lebensgefahr muß der Ziegelmeister aus seinem Hause gerettet werden, über 40 Familien wanken die Häuser. Da endlich kommen die Netter: Pioniere und der Baggermeister mit seinen Schiffern. Sie arbeiten bis in die Nacht und holen Menschen und Vieh von den Böden, auf denen Alles in Angst zusammengedrängt sitzt, auf das trockene Land. Nothschüsse rufen endlich auch die Pontons in's Chaussee haus, wo der Aufseher mit Weib und sieben Kindern in höchster Gefahr schwebt. Er muß alles Geräth, Hühner und Gänse dem Verderben überlassen, nur seine Ziege kann er mit sich führen. Unterdessen war ein anderer Arm der Fluth morgen weise die Ländereien des Amtsvorsteherhers verheerend, auf Rosenfeld zugeströmt und hatte alle kleinen und großen Höfe tief unter Wasser gesetzt, sodaß das Vieh nur milden Häuptern, welche hoch gezogen wurden, aus dem Wasser ragte. Wie sah es hier in dem von zwei Seiten überspülten Dorfe aus, das gerade sein Erntedankfest zu feiern sich gerüstet hatte. Noch können wir erst in die beiden vordersten Häuser gelangen. Im ersten wohnt ein Häusler mit seiner Tochter und — seiner prächtigen Kuh. Das niedrige Haus ist bis über die Hälfte des Fensters mit Wasser gefüllt. Die Leute holen die Kuh in die Stube, sie flieht vor dem Wasser in die Schlafkammer, sie steht, wie ihre Pflegerin im Bette steht, da sucht sic Schutz, sie tritt ouf's Bckt und reißt es zusammen, und so bleibt sie während der nun folgenden Tage stehen. Neben den Einwohnern brechen die Wände zusammen, aber vergebens bieten ihnen die Pioniere den Ponton an. Ohne Kuh will der siebzigjährige Besitzer nicht fliehen. Daneben wohnt ein Gastwirth. Er hat eben ein Haus unter drückenden Schulden aufgebaut. Das Wasser reißt ihm das Fundament fort, der Keller bricht zu sammen. Seine Kuh hat er mit Hilfe von aufgebanten Treppen stufen auf den Boden des Stalles transportirt. Da sieht sie noch. In der Obersörsterei, dem dritten Hause des Dorfes, saßen die Familienglieder mit Gästen aus Berlin, nebst Jäger- burschen und Gesinde und Hunden auf dem Bodenräume und warteten tagelang auf das Fallen der Fluth. Das sind Bilder aus der Nähe. Und nun, wie steht es in den isolirten Dörfern, aus denen nur Hilferufe nach Brot und Lebensmitteln zu uns drangen, zu denen theilweise noch kein Weg gefunden werden konnte? In Zschackau liegen 15 Häuser in Trümmern, in Zöckeritz 12; in Eulenau waren fast alle Bewohner in ein Haus zurückgedrängt. In Kreischau stand das ganze Vieh der Domäne bis an den Hals im Wasser. Dort wurde der Weizen, das Grummet und Mengfuttcr von den Feldern fort geschwemmt, das zum Theil eine Meile fortgerissen in Bündeln auf den Straßen lagert. Eine mächtige Sommerscheune mit Inhalt treibt floßähnlich in der Fluth. Weithin blickt uns noch die Wasserwüste entgegen. Und obschon das Wasser zwei Meter fiel, liegt das Ackerfeld unzugänglich vor uns, wie Teiche mit unnahbaren, schwammigen Ufern, in welchen man hilss- los versinkt. Vermischtes. * Ueber eine furchtbare Dynamit-Explosion bei Rochelle liegen nähere Nachrichten vor: Der erst vor Kurzem kingeweihte Hafen von LaPallice bei Rochelle war der Schau platz eines entsetzlichen Unglücksfalles. Ein englischer Unter nehmer war beauftragt, die letzten Reste des Dammes, welche den Hafeneingang noch versperrten, zu vernichten. Hierzu sollten 100 Kilogr. Dynamit verwendet werden, welche in der Nähe der Hafeneinfahrt lagerten. Durch die Unvorsichtigkeit eines Arbeiters explodirte dort eine der Patronen, wodurch die Explosion der ganzen Dynamitmenge herbeigeführt wurde. Die Wirkung war eine entsetzliche; sieben Arbeiter wurden buchstäblich in Stücke gerissen, während eine gleiche Anzahl anderer Arbeiter theils schwer, theils leicht verwundet worden ist. * Ueberschwemmungen in China. Auch in China haben in diesem Sown er furchtbare UUerschtrtMwungiN statt-