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In Pittsburg, in der Nähe von New-Jork striken nicht weni ger wie 13,OM Arbeiter. Vaterländisches — Der Meißner Kreisverein für innere Mission hielt am 3. Juni in der neue» Kirche zu Großdobritz sein erstes Wan der fest ab. Die Festpredigt hielt Superintendent i)r. Ackermann. Nach dem Gottesdienst fand im Garten des Gasthofs eine Versammlung statt, in welcher mehrere Ansprachen gehalten wurden. Das Hauptportal der schönen Großdobritzer Kirche ist überaus originell durch drei Büsten verziert; die Büsten des Anttshauptmanns v. Bosse und Su perintendenten l)r. Kunze tragen den Bogen, die Büsten des Pfarre« Müller von Gröbern bilden den Schlußstein des Thürbogens. — Nosfen. Auf dem Zollhause zu Bieberstein versammelten sich am 3. Juni die Mitglieder der beiden Eisenbahnkommitees von Mohorn und Nossen zur Berathung einer erneuten Petition an das k. Finanzministerium um Fortführung der genehmigten Linie Pottschap- Pel-Wilsdrnff, deren Bau in kürzester Frist beginnen wird, über Mo horn, Dittmannsdorf, Reinsberg, Bieberstein, Beyermühle, Siebenlehn nach Nossen. Den Vorsitz der zahlreich besuchten Versammlung führte Pastor Jäger-Mohorn. Auch wohnte Amtshauptmann v. Bosse, wel cher als Vertreter Nossens und Siebenlehns im Landtage lebhaftes Interesse an den Bestrebungen des Komitees nimmt, der Verhandlung bei. Zur Verlesung und Besprechung gelangte besonders ein vom Ingenieur Wagner-Nossen ausgearbeiteter Petitionsentwurf. Mit der- ; selben Einmüthigkeit, welche alle bisherigen Komiteesitzungen ausge zeichnet hat, wurden sämmiliche Angelegenheiten auch in dieser Sitzung - erledigt und man trennte sich in der Hoffnung, daß der Verkehrlich so ungünstig gelegenen Gegend von Mohorn, Reinsberg, Bieberstein rc. recht bald die langersehnte Eisenbahnverbindung zutheil werden möchte. — Die Feststellung der Personenfrequenz an den Pfingstfeierta gen auf den königl. sächs. Staatseisenbahuen hat folgendes sehr zufrie denstellendes Resultat ergeben: Vom Sonnabend vor Pfingsten bis zum 3. Pfingstseiertag wurden bei sämmtlichen Stationen und Halte stellen zusammen verkauft 467,054 Billets. Da sich hierunter 290,527 Tagesbillets befinden, so ergeben sich zusammen 757,581 Fahrten, ge gen das Vorjahr mehr 40,080 Fahrten. — Plagwitz. Eine unerwartete Strafe fand ein Maurer, der am Sonnabend nach Feierabend aus Leipzig betrunken nach Hause taumelte. Er verirrte sich und siel in die LupPa. Dort stand er bis unter die Arme im Wasser, über ihm tobte das Gewitter und trotz aller Anstrengung konnte er das Ufer nicht wieder gewinnen. Nach drei Stunden fand man ihn endlich und holte ihn mittelst Kahn aus dem Bade. Er wurde — weil mau Sebstmordversuch annahm — in Verwahrsam gebracht, wo man ihn auskleidete und in wollene Decken wickelte, wie auch speiste und tränkte. Sonntag früh war er wieder gesnnd und nüchtern. Bei der Königl. Altersrentenbank in Dresden-Altstadt, Landhaus straße 16, im Landhaus ist im ebengeschlossenen Wonnemonat mehr als dreimal soviel, wie im gleichen Monat des Vorjahres eingezahlt worden; die Stückzahl der Einlagen betrug 341 gegen 91, die Kapi talsumme 72225 M. gegen 22118 M. im Mai vorigen Jahres. Die Altersrentenbank versichert Renten auf Lebenszeit auf ein oder mehrere Jahre, beides gegen einmalige größere oder wiederholte Einlagen von 1 M. an. Die Renten beginnen nach Wahl des Einlegers entweder mit dem nächsten Kalenderquartal nach der Einzahlung oder mit einem von ihm zu bestimmenden späteren Altersjahre des Ver sicherten; sie dürfen vierteljährlich nicht mehr als 500 M. für eine Person betragen. Bis zur Erreichung dieser festgesetzten Maximal rente werden zu jeder beliebigen Zeit wiederholte Einlagen angenom men, ein Zwang zur Wiederholung besteht aber nicht. Lebensläng liche Renten (Altersrenten) dürfen sowohl mit Kapitalvorbehalt ais auch mit Kapitalverzicht, Renten auf ein oder mehrere Jahre (Zeit renten) nur mit Kapitalverzicht erworben werden. Vor allen anderen ähnlichen Anstalten in Deutschland zeichnet sich die Altersrentenbank durch die ihren Versicherten geleistete Staatsgarantie und die den oberen Altersklassen gewehrten sehr hohe» Rentensätze aus; letztere sind fest, steigen und fallen nicht. Eine 62jährige Person erwirbt durch eine einzige Zahlung von 10,MO M. uuter Kapitalverzicht eine lebenslängliche Rente von 1080 M., zahlbar vierteljährlich xootuu- morauäo mit 270 M., zum ersten Male am letzten Tage des auf die Einzahlung folgenden Kalenderquartals; wird die Einlage noch im begonnenen Monat Juni gemacht, so wird die erste Renlenrate am nächsten 30. September ausgezahlt. Die Grafen von Dürreustein. Original-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Es ist bereits von mir beglaubigt und unterschrieben, Herr Graf!" versetzte der Geheimrath mit einem mannhaft unterdrückten Seufzer, „hier lege ich das Dokument in Franks Hände." Er zog das Papier hervor und übergab es dem Kammerdiener. „Ich danke Ihnen, Herr Doktor!" nickte der Kranke mit einem verklärten Lächeln, „der Herrgott ist mir gnädig in allen Dingen." „Aber ist nicht ein Mensch soeben von jener Galerie hinabgestürzt?" fuhr der GeheimrAth mit dem Ausdruck des Entsetzens fort, „lassen Sie uns rasch hinuntereilen, vielleicht ist der Unglückliche, welcher vom Wahnsinn gepackt zu sein schien, noch zu retten; meine ärztliche Pflicht — „Ist hier verlorene Mühe, Doktor!" sprach der Kranke mit einem drohenden Ausdruck, „wer in jenen Abgrund stürzt, ist gerichtet. Geh', alter Diethelm, und auch Du, Frank — thut Eure Pflicht! — Sie bleiben bei mir, Doktor!" Der Geheimrath fühlte sich wie gebannt — es war ihm, als be finde er sich in einem Tollhause, als ob sein Gehirn sich im wilden Wirbel herumdrehe. War der alte Dürrenstein wirklich wahnsinmg oder alles ein Blendwerk seiner Phantasie? Lächerlich! — Wann hatte er, der kaltblütige Arzt an Phanta sien gelitten? So mußte dort unten an der Treppe irgend ein un heimlicher Spuk sich befinden, welcher jenen Unglücklichen in den Tod getrieben! — Er wollte sich überzeugen und schritt rasch der Treppe zu. „Zurück, Herr Geheimrath!" rief der alte Diethelm mit heiserer Stimme, „Sie bleiben auf Ihren: Posten bei dem Herrn Grafen. Versuchen Sie es nicht, uns zu folgen — es wäre Ihr Tod!" „Beim Himmel!" rief Berg, zornig mit dem Fuße stampfend, „bin ich in ein Tollhaus oder in eine Mörderhöhle gerathen? Wer will mich zwingen, hier zu bleiben, während draußen Menschen hilf- loß umkommen?" „Ich habe Sie nicht nach Dürrenstein gerufen, mein Herr Doktor!" sprach der Kranke mit Anstrengung. „Hätten daheim Kleiber sollen. Aber es ist war", setzte er, sich besinnend, hinzu, „der Mörder hätte ohne Ihre Hilfe seinen Zweck erreicht — und am Ende gar triumphirt. Sind wir allein, Doktor?" „Ja, Herr Graf!" „Schwören Sie mir, jedes Wort, welches ich Ihnen sagen werde, geheim zu halten." „Ich schwöre es Ihnen, Herr Graf!" Der Kranke flüsterte ihm nur wenige Worte zu, aber diese ge nügten, um den eisenfesten Arzt bis ins tiefste Mark erbeben zu lassen. Der alte Dürrenstein war nicht wahnsinnig, er selber von keinem wüsten Traumbild geneckt. Unten an der Treppe stand ei» Sarg l»it einem Todten und der Mann, welcher den Majoratsherrn hatte er würgen wollen, um das geraubte Erbe zu behalten, der Unselige, wel cher, von dem grausigen Anblick seines ermordeten Opfers, das aus dem Grabe zurückgekehrt war, in de» Tod gejagt worden, war Kain, der von Gott verfluchte Brudermörder!" Der Geheimrath wäre gern entflohen, um diesen schauerlichen Ort nicht mehr zu sehen, aber die Pflicht hielt ihn fest an dem Bett des sterbende» Majoratsherrn, dessen Gericht so schnell und entsetzensvoll sich vollzogen hatte. Vierundzwanzigstes Kapitel. Resignation. Fünf Tage waren nach diese» grausigen Ereignissen verflossen. Von der Zinne des Schlosses Dürrenstein wehte eine riesige Trauerfahne, welche den Bewohnern des Dorfes, sowie der Umgegend verkündete, daß der Tod seinen Einzug hier gehalten hatte. Der Majoratsherr und sein nächster Erbe waren rasch ans dem Leben geschieden. Wen» man den Tod des alten Grafen auch wohl erwartet haben mochte, so erregte das tragische Ende des jungen Herrn eine um so größere Theiluahme, als dasselbe, wie allgemein erzählt und von dem Geheimrath Berg bestätigt wurde, durch die zärtliche Sorgfalt des Grafe» Albrecht für seinen kranken Oheim herbeigesührt worden sei. — Der arme junge Mann habe, von der Nachtwache er schöpft, einen Augenblick frische Lust schöpfen wollen , sei auf die mor sche Galerie hinausgetreten nnd von dieser in die Tiefe hinabgerissen worden. Um die Ehre des Hauses zu retten, erzählte man die Geschichte so und so wurde sie geglaubt. In dem Sarge mit dem großen schwarzen Bahrtuch, welcher dicht neben dem des tollen Dürrensteins sich befand, schlief der wirkliche Albrecht, der Todte, der droben auf dem Berge neben Eustachius ge bettet gewesen, während Kain sein heimliches Grab in der Schlucht erhalten. Rosenkranz und der alte Diethelm hatten den Unseligen mit zer schmettertem Haupt gefunden und ihn Nachts, ihr Grauen mannhaft bekämpfend, in der Schlucht verscharrt, worauf sie mit Hilfe des Gc- heimraths und des Kammerdieners Frank den armen, von Bruderhand Ermordeten an seine Stelle in dir Ahnengruft bestatten ließen und das Geheimniß so gut bewahrte», daß kein Unbetheiligter die leiseste Ahnung von dem Schauerdrama der Zwillingsbrüder erhielt. Nur der Pfarrer Vincenz, welcher am nächsten Tage nach der Schreckensnacht telegraphisch nach Schloß Dürrenstein gerufen wurde, um dem Majoratsherrn die Sterbesakramente zu reichen, hat alles, was sich zugetragen, erfahren und Gott gepriesen, welcher den alten Herrn noch in seiner letzten stunde vor oem eigenmächtigen Gericht über den Brudermörder gnädigst bewahrt hatte. Der Sterbende hatte auch dem Baron Einsiedel noch die Hand gedrückt, ohne sich mit ihm iveiter verständigen zu können, da ein zweiter Schlaganfall ihm die Sprache geraubt, und so war er still und friedlich hinübergegangen in der seligen Hoffnung, Reginas Mutter jenseits wieder zu sehen, um ihr die Hohe Botschaft bringen zu können, daß ihres Kindes Glück sein heißester Wunsch auf Erden gewesen. Baron Einsiedel kehrte mit dem Geheimrath nach der Residenz zurück. Er war einsilbig und in sich gekehrt, während sein Begleiter sich mit neuen Hoffnungen und Pläne» trug und fest entschlossen war, alles für sein Glück zu wagen. Das inhaltsschwere Schreiben des Missionärs, sowie die letzten entsetzlichen Ereignisse schienen das Gemüth des schwachen Barons furchtbar zu bedrücken. Wie im Wirbel kreisten die Gedanken in seinem armen Gehirn und immer und immer wieder marterte ihn der Gedanke, daß auch er zu dem gräßlichen Ende des jungen Grafen mit beige tragen habe. Wie war dieser auf die morsche Gallerie gerathen? Hatte der Onkel seine Gegenwart un Thurmzimmer gewünscht? Es war nach der von Graf Albrecht selber ausgesprochenen Entfremdung zwischen ihm und dem kranken Oheim nicht denkbar. Er hatte dem künftigen Eidam an jenem verhängnißvollen Abend in vertraulicher Weise von dem Traum des Majoratsherrn erzählt, wie dieser im Schlase von Egbert und Regina gesprochen, und war Graf Albrecht darüber in eine fo heftige Aufregung gerathen, daß er alles hatte aufbieten müssen, um ihn zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen. Sicherlich war Albrecht später, von Wein und Leidenschaft erregt, eigenmächtig in den Thurm eingedrungen, um sich Gewißheit von dem Kranken selber zu verschaffen und war hier auf räthselhafte Weise von seinem Geschick ereilt worden. So suchte Baron Einsiedel sich mit gewissenhafter Selbstpeinigung die Sache klar zu machen und gedachte dann schließlich jenes Schrei bens aus Palästina, um dos Bild des Tobten mit dein Büßer in Einklang zu bringen; er gedachte des Ermordeten in der Einsiedler- Hütte und schauderte, wie vom Wahnsinn gepackt, zusammen. Der Geheimrath Berg, welcher ihm im Koupee allein gegenüber saß, und ihn schweigend beobachtete, fragte theilnehmend: „Sind Sie leidend, Herr Baron?" Dieser fuhr verwirrt empor. „Leidend? Ja — nein — ich befinde mich in der That nicht ganz wohl, kein Wunder »ach solchen Tagen, wie?" „Freilich gehören dazu stählerne Nerven," nickte Berg, „Sie sollten die Sache kaltblütig betrachten, lieber Baron, und dem Himmel danken, welcher Ihre Tochter auch vor dieser Klippe des Daseins glücklich bewahrt hat. Hüten Sie sich vor einer Verbindung mit jenem fluch beladenen Hause." „Sie wisse» mehr von der unheimliche» Geschichte," rief der Baron mit zitternder Hast, „wie kam Graf Albrecht in den Thurm?" „Fragen Sie mich nicht, es ist besser, daß Sie unwissend bleiben, Herr Baron! Ich kann nur meine Warnung vor dem Hause Dürren stein wiederholen." „Nun gleichviel," sagte Einsiedel mit trüber Resignation, „ich bin des freventlichen Spiels um Glanz und Reichthum herzlich müde und werde Reginas Wünschen nicht mehr entgegentreten."