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Beilage zu Nr. 83 des Amts- u. Wochenblattes für Wilsdruff. Dienstag, den 17. Oktober 1882. Vaterländisches. Wilsdruff. Vom 20. ds. Mts. ab wird zwischen Dresden und Wilsdruff eine dritte tägliche Privat-Personenfahrt mit Postsachen beförderung eingerichtet, welche wie folgt verkehrt: 1" Nachm. aus Dresden, 3^ Nachm. in Wilsdruff, 6 Nachm. aus Wilsdruff, 8^ Nachm. in Dresden. Die Abfahrtzeiten der anderen zwei Privat personenfahrten verbleiben wie bisher. — In den frühen Morgenstunden des 12. d. M. brannten auf bis jetzt noch unerklärliche Weise 2 dem Gutsbes. Pietzsch in Lampers dorf gehörige, gegen 70 Schock Korn und 80 Schock Weizen enthal tende Feimen vollständig nieder; ebenso wurde in der 10. Abend stunde des 13. d. M. die dem hiesigen Wirthschaftsbesitzer Rost ge hörige und circa 40 Schock Korn enthaltende Feime ein Raub der Flammen. — Das heurige Jahr ist für unsere Landwirthe bekanntlich ein äußerst mühevolles und an Enttäuschungen reiches. Mit Mühe und Noth ist die Ernte eingeheimst, und bereits droht eine neue Plage in den Feldmäusen, welche trotz der übergroßen Nüsse in gefahrbrin gender Weise sich vermehrt haben. Bekanntlich bedient man sich bei der Vertilgung der Feldmäuse der Phosphorpillen, der Pillen aus ge fälltem Baryt, der Hohenheimer Mäusefallen, der Rüucherapparate mit meht oder minderem Erfolg. — Zweck dieser Zeilen ist auf ein einfaches Geräth aufmerksam zu machen, dessen man sich ohne große Mühe und in erfolgreichster Weise beim Fangen der Mäuse im Felde bedienen kann. Es ist dies ein besonders konstruirter Erdbohrer, mit welchem ein 12jährigcr Knabe in jedem nicht zu steinigen Boden ohne Anstrengung 40—50 Ctm. tiese senkrechte Löcher bohren kann. Letztere werden in den gangbaren Fahrten der Mäuse angebracht und der mittels des Bohrers ausgehobene Boden seitwärts geschüttet, der Rand des Bohrloches vom Boden gesäubert, sodaß die Zugänge von der Fahrt zu demselben frei gelegt werden. Die beim Passiren der Fahrt in die Löcher stürzenden Mäuse vermögen nicht aus dem selben herauszuklettern und können somit leicht getödtet werden. Die auf Veranlassung des Herrn Gemeindevorstand Riedrich in Niederbo britzsch von dem Schmiedemeister Heber daselbst gefertigten Bohrer können von dort gegen Frankoeinsendung von 2 M. 50 Pf. bezogen werden; auch erbietet sich Herr Kreissekretär Münzner in Freiberg, welcher sich von der leichten Handhabung des Bohrers überzeugt hat, Bestellungen entgegen zu nehmen. — Unter dem Protektorate der Königin von Sachsen findet in Leipzig vom 1. bis zum 4. Februar 1883 im Krystallpalast die 4. deutsche Kochkunstausstellung statt. — Meißen. Das Arbeiterpersonal der deutschen Jutespinnerei und Weberei beläuft sich gegenwärtig auf nahezu 700 Personen, außer denen, welche in ihren Wohnungen beschäftigt werden. Infolge des in diesem Sommer stattgefundenen Anbaues und der Vergrößerung der Arbeitsräume der Spinnerei werden noch mehrere hundert Arbeiter und Arbeiterinnen eingestellt werden und es dürfte die durch den Ab zug der Garnison verminderte Einwohnerzahl der Stadt Meißen daher bald die frühere Höhe erreichen. — Krögis bei Meißen. Frau Steiger in Barnitz hat bei ihrer Uebersiedelung von Barnitz nach Dresden zum Andenken an ihren am 18. September vorigen Jahres verstorbenen Gemahl, der ein treues Mitglied unseres Kirchenvorstandes war, unserer Kirche eine neue Kan zel- und Altarbekleidung und einen kostbaren Teppich zum Geschenk gemacht und wurden dieselben bei der Feier des diesjährigen Ernte dankfestes zum ersten Male aufgelegt. Bautzen, 12. Oktober. Gestern Abend 8 Uhr ist auf dem Wege zwischen Neubornitz und Merka der Lohnfuhrmann Jeschke aus Merka von bis jetzt noch unbekannter Hand erschossen worden. Während der hierauf von der Gendarmerie in der vergangenen Nacht behufs Ermittelung des Thäters vorgenommemn Recherche» ist auch der Gen darm Weidlich aus Commerau in der im Parterre gelegenen Wohn stube des Gemeindevorstandes in Merka von demselben Mörder durch das Stubenfenster hindurch ebenfalls erschossen worden. Wie man von sicherer Seite mittheilt, ist bereits der Thäter in der Person des 27 Jahre alten Gärtners Friedrich Wilhelm Bock aus Merka von der Gendarmerie ermittelt und hierauf in das Arresthaus zu Bautzen eingeliefert worden. Bock, ein schon mehrfach bestrafter Mensch, der erst vor wenigen Tagen aus dem Gefängniß entlassen worden, hat nach seinem Geständniß von Anfang an die Absicht gehabt, den Gen darm Mittasch zu ermorden. Er beging, seiner Aussage zufolge, den ersten Mord nur, damit ihm später die Gelegenheit geboten sei, den obengenannten Mittasch bei der vermutheten Zusammenkunft mit dem Gemeindevorstande zu tödten. Durch das Fenster im Hause des Ge meindevorstandes hat er aber irrthümlicher Weise den Gendarm Weid lich, welcher mit Mittasch Aehnlichkeit hat, erschossen. — Waldheim. Am 9. Oktober fanden in hiesiger Stadt zwei Selstmorde statt. In einem Anfall von Schwermuth erhängte sich die ledige 29 Jahre alte Bertha D. in der Scheune ihrer Eltern. Ferner fand man den in seinen Vermögensverhältnissen arg herunter gekom menen verheiratheten Bäcker K. im Hause seiner Ehefrau erhängt vor. Nach längerem Umhertreiben in der Welt war K. wieder nach Hause zurückgekehrt, von seiner Ehefrau indessen nicht wieder ausgenommen worden. — Pirna. Am Abend des 10. Oktober kurz vor 8 Uhr ist ein von Kopitz kommender junger Mensch von ca. 20 Jahren, wie Augen zeugen berichten, von der Abdrücke in den Strom gesprungen und mit dem Rufe: „Ach Gote, ach Gott" in den Fluthen verschwunden. — Der Bürgermeister zu Burgstädt giebt soeben bekannt, daß das k. Ministerium des Innern beschlossen habe, auf Grund der Rev. Städteordnung Z 82 in Verbindung mit Artikel 1 der Städteordnung für mittlere und kleine Städte das dortige Stadtverordnetenkollegium aufzulöfen. — Am Freitag Abend ist in dem Eisenwerke Lauchhammer (bei Ruhland gelegen) Feuer entstanden. Der angerichtete Brand schaden beziffert sich nach Angabe von Aufsichtsrathsmitgliedern auf 10,600 M. für einen Kohlcnschuppen und ca. 3000 M. für Werkzeuge. Beide Beiträge werden durch Versicherung gedeckt. Betriebsstörungen sollen vollständig ausgeschlossen sein. — Von der Grenze schreibt man, daß die diesjährige Weintrau beneinfuhr aus Oesterreich-Ungarn nach Deutschland besonders große Dimensionen angenommen hat. Es wurden im Monat September nicht weniger als 60 000 Körbchen, ü 6^ Kilo, versandt, wodurch den Bahn- und Zollbeamten natürlich ein gewaltiges Stück Arbeit erwuchs. — Aus dem im letzten Sommer vielgenannten Gruben bei Meißen wird geschrieben: Bekanntlich übertrifft die im März d. I. auf dem Grundstücke des Schneidermeisters Rüdiger entdeckte Quelle an Eisen gehalt alle übrigen Quellen Deutschlands. Dies Faktum war, sobald cs publizirt wurde, die Veranlassu ig zu häufigen Besuchen deS Mi- neralbrunnens von Seiten vieler Leidenden. An manchen Sonntagen sprachen über 3M Personen bei Herrn Rüdiger ein, das Wasser zu kosten, vr. Kühn ans Leipzig, Sohn der Frau Bergrath Kühn, hatte die Absicht, das Grundstück mit Brunnen zu kaufen und ein Bad hier zu errichten, allein das Projekt ist gescheitert. — Ein bedauerlicher Unglücksfall hat sich am vorigen Sonnabend in Großolbersdorf bei Scharfenstein ereignet. Der 8jährige Sohn des Kirchschullehrers K. daselbst ging mit dem seinem Vater gehörigen Hunde auf das Kartoffelfeld, um letzteren dort an einen Handwagen zu spannen und Kartoffeln hereinzufahren. Auf dem Felde angekom- men, überfällt der Hund in einem Wuthausbruch seinen Begleiter und zerfleischt ihn derart, daß der arme Knabe jetzt hoffnungslos darnieder liegt Der zwölfjährige Bruder des so arg Zugerichteten ist ebenfalls gebissen worden. Der Hund wurde sofort getödtet, doch ist noch nicht festgestellt, ob derselbe an der Tollwuth gelitten hat. — Döbeln. Für die in unserer Nähe zu errichtende Zucker fabrik hat das Komitee nunmehr ein Stück Land, ca. 10 Acker um fassend und auf Kleinbauchlitzer Flur liegend, zum Preise von 45,OM Mark vom Ritterguispachter Pornitz in Gärtitz käuflich erworben. Da der Betrieb der Fabrik wohl schon im Herbst 1883 erfolgen soll, dürfte der Beginn des Baues in kurzer Zeit zu erwarten sein. — Von der Dampf-Landungsbrücke bei Tolkewitz sprangen am Mittwoch Abend gegen 5 Uhr zwei junge Mädchen im Alter von 18 bis 20 Jahren zusammen in die Elbe. Leider gelang es den vom jenseitigen Ufer mit einem Kahne herbeieilenden Schiffern nicht, die Unglücklichen vor dem Ertrinken zu retten. — In dem bekannten Wallfahrtsorte Philippsdorf an der sächsischen Grenze hat man in diesem Jahre schon 52,OM Wallfahrer gezählt. — Wie die „Weiß eritz-Ztg." mittheilt, wird die im Bau begriffene Sekundärbahn Hainsberg-Schmiedeberg, infolge des die Erdarbeiten hindernden Regenwctters der letzten Wochen, vor dem 1. Nov. a. c. voraussichtlich nicht betriebsfähig sein und hat sich deshalb die königl. Generaldirektion der sächs. Staatseisenbahnen Vorbehalten, den Tag der Betriebseröffnung noch festzusetzen. Für Fußgänger ist leider der ro mantische Rabenauer Grund von Hainsberg bis zur Rabenauer Mühle jetzt nur unter sehr erschwerenden Umständen zu passiren. Ein Spaß vogel fühlte sich deshalb veranlaßt, an einen freiliegenden Felsen mit Lapidarschrift die Worte zu schreiben: „Mensch, ärgere Dich nicht." — Vielleicht wird für Wiederherstellung der sonst so herrlichen Pro menade Sorge getragen. — Am vergangenen Dienstag wurde auf Probstdeubener Flur gelegenlich einer Treibjagd auf Hasen, der 13 Jahre alte Pflegesohn der Wittwe Christiane Güttler, Ernst Nagel aus Großdeuben, welcher mit als Treiber diente, von einem Jagdgaste infolge eines unglücklichen Zufalles erschossen. Eine ganze Schrotladung drang dem Knaben auf ca. 5 Schritt Entfernung in den Kopf und erfolgte der Tod nach wenigen Minuten. Hoch gestiegen. Erzählung von Ludwig Habicht. Ein alter Schulfreund hatte mich besucht und ich mußte ihm doch die Herrlichkeiten der neuen Kaiserstadt zeigen. Auch von der Wal halla hatte er gehört und als gewissenhafter Tourist fühlte er sich ver pflichtet, selbst die Spezialität Berlins aufzusuchen, um so mehr, al- gerade der berühmte Kanonenkönig dort seine Künste trieb. Es waren länger als zehn Jahre vergangen, daß ich diesen Ort nicht mehr besucht hatte. Als ich vor etwa vierzehn Jahren nach Ber lin kam, hatte ich zufällig in der Nähe jenes bekannten Vergnügungs lokals eine paffende und angenehme Wohnung gefunden und meinen ersten Sylvesterabend in Berlin verbrachte ich dort; war mir doch die eigentliche Beschaffenheit dieses Freudentempels damals noch völlig unbekannt, der jetzt übrigens auch eine Wandlung zum „Höhern" durch- gemacht hat Eine zahllose Menge wogte an jenem Sylvester in den weiten Räumen hin und her. Mit dem Schlage zwölf setzte die Mu sik mit einem kräftigen Tusch ein und nun schüttelte Jeder seinem Nach bar die Hand und gratulirte ihm zum neuen Jahr. Dies Treiben des Volkes fand ich doch weit gemüthlicher als ich erwartet hatte, und ein ehrlicher Maschinenbauer war es, der sich zu erst an mich wandte und mir zum neuen Jahr in wahrhaft herzlicher Weise Glück wünschte. Ich nahm es zum „guten Zeichen" für meinen ferner» Aufenthalt in Berlin, und wie oft und gern habe ich dieses Wackern, ehrlichen Mannes gedacht, der mir mit größter Offenheit seine tief ergreifende Lebensgeschichte erzählte. Doch das theile ich wohl ein ander Mal mit. Heut merkte ich, daß ich vierzehn Jahre älter geworden war: ich konnte nicht mehr an dem Treiben und den Vergnügungen des Volks so lebhaft Antheil nehmen, wie damals, wo ich daS Alles mit jugend lichem Uebermuth zu studiren suchte. Selbst die Künste des Kanonenkönigs erregten nur vorübergehend meine Theilnahme; während mein Freund das Alles aufmerksam und mit vollem Interesse verfolgte, blickte ich ziemlich gelangweilt vor mich hi». Der dichte Tabaksqualm, in den Alles gehüllt war und den ich stets gehaßt, war mir heut unerträglicher als ;e. Plötzlich wandte sich ein alter Herr, der einsam an einem kleinen Ecktischchen saß, mit den Worten an mich: „Sie haben ganz Recht, daß Sie bei den Künsten des Franzosen ruhig bleiben; 's ist auch