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breiteten Arme sinken und sein Gesicht verlor den finsteren Ausdruck. Gewiß hatte er sich der Kleinen nicht in der besten Absicht genähert; aber ihre liebliche Unschuld hatte selbst diese rohe, verwilderte Natur entwaffnet. Von einer besseren Regung mit fortgeriffen, breitete er von neuem die Arme aus, doch jetzt nur, um sie zärtlich zu sich em porzuheben. „Nicht wahr, Du thust mir nichts?" hatte sie mit ihrer zum Herzen dringenden, lieblichen Stimme gefragt und ihre blauen Augen hatten ihn dabei so vertrauensvoll angeblickt, daß es ihm war, als schaue er in ein Stück Himmel. Er hatte Mühe gehabt, seine Thrä- nen zu verbergen und die Dämonen in seiner Brust waren entschlafen . . . Anstatt Angelika irgend ein Leid zuzufügen, wie er wohl die Absicht gehabt, schaukelte er sie auf seinen Armen und bald lachte sie zu seinen Späßen. Wann hätte ein Kind je nach dem Aussehen eines Spielgefährten viel gefragt? Selbst der finstere Kohlert, den alle mieden und fürch teten, hatte für Angelika nichts Abstoßendes mehr und wenn sie ihm allein im Walde begegnete, dann eilte sie sogleich auf ihn zu und der sonst so rohe, wilde Gesell wußte prächtig mit ihr zu spielen und fügte sich in alle ihre Kinderlaunen. Seltsam genug, sie traf ihn niemals, wenn sie mit andern zusammen war, dann schien er völlig verschwunden; nur, sobald sie allein kam, konnte sie sicher sein, ihren Spielkameraden zu treffen. Auch als Angelika älter wurde, war der trauliche Verkehr zwischen den Beiden geblieben. Franz legte für das junge Mädchen noch immer eine Anhänglichkeit an den Dag, die um so wunderbarer blieb, als der Wilchchütz mit den Jahren sich immer finsterer von aller Welt zurückzog und mit niemand sonst verkehrte. „Du hättest mich beinah erschreckt," sagte sie gutmüthig und ver suchte beim Anblick ihres alten Freundes zu lächeln, der von ihr noch immer das trauliche „Du" forderte, es sich aber eben so zwanglos gegen sie gestattete. „Sei mir nicht böse," erwiderte er, seine rauhe Stimme nach Möglichkeit mildernd und ihr seine gewaltige derbe Hand entgegcn- streckend, „Du hast gewiß gebetet und ich härt' Dich nicht stören sollen. Ach, wer doch auch so fromm fein und beten könnte!" Und unwill kürlich arbeitete sich ein Seufzer aus seiner breiten Brust. „Warum kannst Du es nicht!? Ich müßte jetzt in meinem Un- glück ganz verzweifeln, wenn ich nicht zum lieben Golt meine Zuflucht nehmen wollte." Auf ihrem kindlichen Antlitz prägte sich die ganze kindliche Frömmigkeit aus, die sie besaß. „Glaubst Du denn wirklich noch daran?" fragte er, indem er dicht vor ihr stehen blieb und sie mit seinen großen, etwas hervor, ragenden Augen aufmerksam betrachtete. „Ich denke, die Vornehmen glauben schon lange nicht mehr daran, daß „da oben" noch einer hantirt" und er wies mit seiner derben Faust zum Himmel. „Sie Habens ja auch nicht nöthig, es geht ihnen ja hier alles nach Wunsch; aber wir Armen wollen auch nichts mehr von den Geschichten wissen, die uns nur die Piaffen vorgeschwatzt haben, damit wir hier ruhig weiter hungern und nicht auf den klugen Gedanken kommen, den Spieß umzudrehen und die Reichen einmal hungern zu lassen." Er stieß dabei wieder sein rohes, wüstes Lachen aus, »n das Angelika schon gewöhnt war. „So mußt Du nicht reden," sagte sie und erhob zu ihm ihre milden, freundlichen Augen, die stets auf den wüsten Gesellen eine besänftigende Wirkung ausübten. „Ich habe es jetzt wieder recht er fahren, wie es tröstet, wenn man sich im tiefsten Unglück zu „dem da oben" wendet," und ihre Blicke wanderten mit frommer Andacht zum Himmel. Franz schwieg; auf seinem Gesichte prägte sich deutlich eine tiefe Ergriffenheit aus. Erst nach einer lauge» Weile entgegnete er: „Nun, Du brauchst auch wirklich nicht zu verzweifeln. Dein Bruder hat sich ja schlauerweise zur rechten Zeit aus dem Staube gemacht und auch Deinem Vater können sie auf die Länge nicht viel anhaben, denn was die alte Hildebrandt zusammengeschwatzt hat. ist ja verrückt." „Und doch hat gerade ihr Zeugniß meinen Vater ins Gefängniß gebracht." Da sieht er wenigstens einmal wie es thut, wenn man sitzen muß," murmelte Kohlert mehr für sich, als zu Angelika gewandt, während sein Gesicht vor Haß und Schadenfreude sich verzerrte. Eh noch feine junge Freundin etwas entgegnen konnte, setzte er rasch hinzu, als wolle er geschickt jeden Vorwurf von sich abwcnden: „Na, das kann sich alles ändern, es ist noch nicht aller Tage Abend. Laß den Kopf nicht hängen, cs wird schon alles wieder gut werden." Angelika schüttelte traurig das Haupt. „Und warum nicht?" drängte Kohlert in seiner plumpen und doch so herzlichen Thcilnahme. „Ottomar ist wie vom Erdboden verschwunden und all mein Denken und Sehnen, meine heiße Liebe kann ihn nicht zurückrufen." Sie fühlte ein wahres Bedürsniß, einmal ihr gequältes Herz zu ent lasten und si» wußte, daß sie es gerade gegen diesen einfachen Sohn der Natur am ehesten vermochte. Franz lachte auch wirklich nicht zu den Bekenntnissen seiner kleinen Freundin; er betrachtete sie aufmerksam und nicht ohne Theil- nahme. Hatte doch ihr Schmerz etwas so unendlich Rührendes. „Wär'S denn nicht möglich, daß er wiederkommt?" fragte er nach tlnigem Sinnen. „Ach, mir ist er doch auf immer verloren," klagte Angelika und nun brachen ihre Thränen unaufhaltsam hervor. Durch den riesen- starken Mann ging eine tiefe Erschütterung; er konnte die Kleine nicht weinen sehen, es brach ihm fast das Herz; „Du mußt nicht so muth- los sein," suchte er sie nach einer laugen Pause zu trösten und strich liebkosend mit seiner mächtigen Hand über ihr blondes Haar. — „Ich habe ja nicht gewußt, daß es so mit Dir steht und Du den Burschen liebst. Nun, Du brauchst nicht den Kopf hängen zu lassen, wenn er auch ein Grafensohn ist, er kann sich's immer zur Ehre schätzen, wenn Du ihn nimmst. Komm morgen um dieselbe Zeit hierher. Ich habe noch nothwendig was mit Dir zu besprechen. Heute geht es nicht. Du kommst also, nicht wahr?" und er reichte ihr seine breite Hand hin, in die sie einschlagen sollte. Angelika hatte in ihrem tiefen Schmerz auf seine Reden nicht Weiter gehört, nur seine Einladung war ihr nicht mehr entgangen und sie sagte leise: „Wenn Du eS wünschest, da will ich sehen, ob ich Zeit hab." „Nein, nein, ich erwarte Dich ganz bestimmt. Du mußt mir schon den Gefallen thun," und ohne ihre weitere Antwort abzuwarten, war er im Gebüsche verschwunden. (Fortsetzung folgt.) Vermischte». * Trunkenheitsstatistik. Im verflossenen Jahre wurden im Ganzen 7895 Personen den verschiedenen Berliner Polizeibureaus wegen/Trunkenheit zugeführt. Von diesen Verhafteten wurden 6267 alsbald nach ihrer Ernüchterung wieder entlassen, 980 wegen Bettelns oder Vagabondirens und 648 wegen ernsterer Vergehen, bezw. Ver brechen zur Bestrafung gezogen. 407 waren Burschen, 12 Mädchen unter 18 Jahren. Die Zahl der überhaupt polizeilich Wirten weib lichen Personen betrug 582. Das betrunkenste Revier war, dem „D. Tgbl." zufolge, die Gegend der Klosterstraße, nach deren Polizeibu- reaus "dicht weniger als 627 Trunkenbolde gebracht wurden; als nüch ternstes Revier zeichnete sich die Gegend der Derfflingerstraße aus, deren Polizeibureau im ganzen Jahre nur 28 Betrunkene zugeführt wurden. * Ein praktischer Sachse. Ein wohlbeleibter alter Herr fährt mit der Eisenbahn. Vor dem Einsteigen in das Coupee schärft er dem Schaffner ein, ihm auf jeden Fall Bescheid zu sagen, wenn sie auf Station „Nemmlinghauseu" angekommen wären. Die Fahrt geht vor sich. Auf jeder Station steckt der alte Herr aufgeregt den Kopf zum Fenster hinaus, um zu sehen, ob man nicht bald in R. sei. Doch die Fahrt ist weit und der alte gute Herr schläft ein. Da endlich kommt man in R. an. Großes Gedränge. Wenig Aufenthalt. Nun alles wieder fertig. Der Zugführer will eben das Signal zur Weiterfahrt geben, da fällt dem Schaffner der'alte Herr ein. Noch rechtzeitig verhindert er das Signal. Zugführer nnd Schaffner eilen schnell nach dem betreffenden Cvupee. „Nun, bitte mein Herr! Nemmlinghauseu! Aussteigen! Bitte, schnell, schnell!" Herr: „Ah, danke scheenstens, ich fahre aber weiter. Mein Doctor hat mir nur gesagt, ich soll' in Remmlinghausen de zweite Pille nehmen." * Ein Kaufmann zu Hagen in Westfalen schrieb in zwei Blättern eine Buchhalterstelle von 12Ö0 M. aus und erhielt binnen 4 Tagen nicht weniger als I72 Meldungen. Unter den Absendern waren 64 Familienväter, es hatten jedoch nur 18 das 30. Lebensjahr überschritten. Ungefähr 50 unter den Petenten, darunter die meisten Familien väter, baten in den bewegtesten Ausdrücken, ihnen vor „etwaigen" Mitbewerbern den Vorzug geben zu wollen, da bittere Noth bei ihnen herrsche resp. bei länger dauernder Berdienstlosigkeit eintreten werde. * Paris. Ein Zwcimillionendieb, der Kassierer Emil Doerr, welcher bei der Firma Dollfuß, Mieg u. Ko. in Mülhausen angestellt war und vor etwa 3 Monaten wegen Veruntreuung in der Höhe von ungefähr 2 Millionen Fres, in Haft genommen wurde, stand am Montag in Paris vor den Richtern. Doerr ist geborner Würtemberger, 39 Jahre alt und seit 10 Jahren in Frankreich naturalisirt; vor 20 Jahren wurde er bei der genannten Firma angestellt, bis er langsam zum Kassner vorrückte. Aber schon im Jahre 1872 begann der untreue Beamte Fälschungen in den Büchern vorzunehmen. Er hat geheiratet und 100 000 Fres. Mitgift erhalten, aber das genügte alles nicht, um die Geldbedürfnisse zu decken, welche ihm aus der Betheiligung an verfehlten industriellen Unternehmungen erwachsen waren. Zu seinem Leben benöthigte er jährlich 35 000 Fres. Der Defraudant wurde nach mehrstündiger Verhandlung zu zehnjähriger Zuchthausstrafe und zum Schadenersatz von 100 000 Frcs. verurtheilt. * Die Kosten des Guiteau-Prozesses werden auf ca. 30,000 Doll, beziffert. Die Ansprüche der Geschworenen für 73 Tage, ä 2 Doll., belaufen sich auf 1752 Doll, und die Verpflegung derselben beträgt 3600 Doll. Die Zeugen und Experten haben etwas über 8000 Doll, erhalten. Die Kosten des Druckes der Verhandlungen werden auf 5000 Doll, veranschlagt nnd die Anwälte der Anklage, Porter und Davidge, werden wahrscheinlich jeder ein Honorar von 5000 Doll, bekommen. * In einem Fremdeubuche des Thüringer Waldes hatte ein sentimentales Mädchen folgende Verse hinterlassen: „Unter diesen schönen Bäumen Möcht' mein Dasein ich verträumen." Auguste N. Ein Praktikus schrieb darunter: Unsinn, Auguste, Heirathen mußte! * Was ist ein Kuß? Diese Frage wurde in einem Kreise prak tischer Juristen aufgeworfen. Ein Staatsanwalt definirte: „Ein Kuß ist ein Preßerzeugniß, bei welchem der Nachdruck gestattet ist". Ein Richter erklärte den Kuß für einen Preßprozeß, bei welchem Münd lichkeit des Verfahrens von jeher geboten, die Oeffentlichkeit aber meistens ausgeschlossen wird. Der Rechtsanwalt meinte: „Der Kuß ist ein Genußmittel, wegen dessen Fälschung keine Anklage erhoben werden kann". * Eine reiche Braut. Wie aus Petersburg gemeldet wird, hat sich die reichste Erbin Rußlands, die Prinzessin Zenaide Iussn« Poff, mit dem Grafen Sumarokoff verlobt. Prinzessin Zenaide bringt ihrem zukünftigen Gemahl, der zu den reichsten russischen Edelleuten gehört, ein Hnrathsgut von zehn Millionen Rubel in's Haus, unge rechnet die Schmuck- und sonstigen Einrichtungsgegenstände, die einen Werth von beiläufig zwei Millionen Rubel repräsentiren. Wie er innerlich, wurde einmal zwischen Fürst Alexander von Bulgarien und der Prinzessin eine Verbindung geplant, die jedoch nicht zu Stande kam. Hlluptvcrhandlungen vor dem König!. Schöffengericht zu Wilsdruff, am 24. Februar a. c. Vorm. 9 Uhr gegen den Arbeiter Julius Traugott Theodor Clemens aus Hohnstein, wegen Bettelns, Landstreichens, Benutzung falscher Legitimationspapiere, Diebstahl und Sachbeschädigung. Vorm. V2IO Uhr gegen Johanne Caroline verw. Trobisch in Grumbach wegen Diebstahl. Vorm. 10 Uhr gegen den Arbeiter Gotthelf Edu ard Hofmann in Weistropp, wegen Holzdiebstahls. Vorm. V-11 Uhr gegen den Wirthschaftsbesitzer und Maurer Friedrich Ernst Arnhold in Helbigsdorf, wegen Körperverletzung. Vorm. 11 Uhr Privatklage des Amtsthierarztes August Fritzsche in Taubenheim gegen den Schmiedemeister Munkel in Röhrsdorf, wegen Beleidigung. Eingesandt. Das Schnittgeschäft von ktiuurä Zöllner zur Post ist Jeder mann beim Einkauf von LlvillvrstvU'vn und anderen Waaren zu empfehlen, da man daselbst eine hübsche gediegene Auswahl bei billigen Preise» vorfindet und nach unserer Ueberzeugung ebenso gut und billig kaust als wie in großstädtischen Geschäften. Nvlirerv üünkerivnen. Ein junger Mensch, welcher Lust hat, Tischler zu werden, kann unter günstigen Bedingungen in die Lehre treten bei Ernst Gerhold, Berggasse. In der Nacht vom Sonntag zum Montag wurde in der Stadt eine Wintermütze gesunde«; abzuholen bei Äoritr Lsnckler.