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Hchndlik! sic LßMff Beilage zu Nr. 79. Donnerstag, 6. Juli 1905. Oersonentarifrefsrm bei den sächsischen Ktaatsbahnen. Gestern hatte sich der sächsische Eisenbahnrat mit der neuen Personentarifreform zu befassen, die am 1. Oktober 1906 in Kraft treten soll. Die Reformen werden auf allen deutschen Bahnen eingeführt. In erster Linie ist von den Eisenbahn-Verwaltungen der Wegfall der Rückfahrkarten beschlossen worden. Auf die Wichtigkeit der Frage, wie rücksichtlich der Fahr kartenlösung, insbesondere zugleich für Hin- und Rückfahrt, eine befriedigende Lösung zu finden sei, ist sächsischerseits wiederholt mit Nachdruck hingcwiesen worden; die Ange legenheit soll dem Deutschen Eisenbahnverkehrsverband zur Prüfung und Erledigung überwiesen werden. Die Vierzahl der Wagenklassen, die in Nord deutschland besteht, soll beibehalten und auch auf Süd- deutschland ausgedehnt werden, nur Bayern - mit Aus nahme der Pfalz — will wegen betriebsökonomischer und sozialpolitischer Bedenken die 4. Klasse als solche nickt einführen, wohl aber deren Einheitssatz auf die 3. Klasse in den Lokalzögen anwenden, so daß dort der Preis der 3. Klasse in den verschiedenen Zugsarten verschieden sein wird. Als Einheitssätze für die vier Klassen im Personenzug find in Aussicht genommen: in 1. Kl. 2. Kl. 3. Kl. 4. Kl. sBayern: 3. KI. sBayern: 3. Kl. Fernzug (Eilzug)j Lokalzug (Personcnzug)^ 7 45 3 2 Pfennige für das Kilometer; das sind genau dieselben Beträge, welche die sächsische Regierung bei ihrem Reform projekte vom Jahre 1903 in Vorschlag gebracht hatte. Die neuen Preise werden gegen die der jetzigen einfachen Fahrkarten sür Personenzüge, die in 1. Kl. 8, 2. Kl. 6, 3. Kl. 4, 4. Kl. 2 Pfennige betragen, niedriger sein um 12,5°/« 25°/« 25°/« -°/«; hier treten also erhebliche Verbilligungen ein, zum Bei spiel Dresden Hbf.—Zwickau Bf. (129 Km) jetzt einfache Personenzugskarte 1. Kl. 10 M. 40 Pf., 2. Kl. 7 M. 80 Pf., 3. Kl. 5 M. 20 Pf. künftig Personenzugskarte 1.Kl. 9M.10Pf., 2. Kl. 5 M. 90 Pf., 3. Kl. 3 M. 90 Pf. Gegen die Hälfte der Preise der jetzigen Rückfahr, karten für Personenzüge, die in 1. Kl. 5,665, 2. Kl. 4,25, 3. Kl. 2,835 Pfennige betragen, werden die neuen Preise höher sein um 23,57°/«, 5,88«/«, 5,82°/«; es ergeben sich also für 1. Kl. beträchtlichere, für 2. und 3. Kl- geringfügige Erhöhungen, z. B. Dresden-Neustadt— Bautzen (59 Km) jetzt halbe Rückfahrkarte 1. Kl. 3 M. 40 Pfg., 2. Kl. 2 M. 60 Pfg., 3 Kl. 1 M. 70 Pf. künftige Personenzugskarte 1. Kl. 4M. 20 Pf., 2. Kl. 2 M. 70 Pf., 3. Kl. 1 M. 80 Pf. In Bezug auf die Scknellzugszuschläge sollen feste Zuschläge nach Art der jetzigen Platzgebühr ein- geführt werden und zwar: Bis 75 Km in 1. und 2 Kl. 50 Pfennige, bis 75 km in 3. Kl. 25 Pfennige, 76 bis - o in 1. rmd 2. Kl. 100 Pfennige, 76 bis 150 km M o. Kl. 50 Pfennige, über 150 km 1. und 2. Kl. 200 Pfennige, über 150 Km 3. Kl. 100 Pfennige. Eine be sondere Platzgebühr für V-Züge wird daneben nicht weiter bestehen. Gegenüber dem jetzigen sächsischen Zu- schlage von 1 Pfennig für das Kilometer in allen drei Klassen bietet der in Aussicht genommene feste Zuschlag für die dritte Klasse — außer auf Entfernungen bis zu 25 Kilometer — durchaus Ermäßigungen, die teilweise die künftige Preiserhöhung der Fahrkarten gegenüber den jetzigen halben Rückfahrkartenpreisen übersteigen, also Herab setzungen des Gcsamtfahrpreises für Schnellzüge bedeuten. Für die 1. und 2 Klasse wird dagegen der geplante 6. Zuschlag an den Zonenanfängen, nämlich von 76 bis mit 90 und von 151 bis mit 190 Kilometer einige, allerdings unbedeutende Erhöhungen gegenüber dem jetzigen kilomet rischen Zuschläge bringen. Die Aufhebung des Frcigewichts für Reise- gepäck mußte unbedingt eintreten, nicht nur weil sie sach lich gerechtfertigt ist, sondern auch, weil die Annahme des Freigepäcks für die süddeutschen Verwaltungen, die schon durch die Einführung des Zweipfennigtarifs für die nied rigste Klasse erhebliche Einnahmeausfälle erleiden, aus finanziellen Gründen untunlich gewesen wäre. Dagegen war der Frachtsatz für dos Gepäck gegenüber den bis jetzt in Norddeutschland einschließlich Sachsens bestehenden Sätzen wesentlich billiger zu normieren — jedoch unter tunlichster Vermeidung der Unterbietung der Eilgutsätze —, auch soll sich die Berechnung im Interesse der beschleunigten Ab- serligung und der Nachprüfung durch den Reisenden mög lichst einfach gestalten. Man hat daher statt der kilomet- rischen Bemessung auch hier ein Zonensystem angenommen, das zunächst eine besondere Zone für den Nachverkchr — bis 25 Km — und sodann bis 500 Km Enlfernuugsstufen von je 50 Km, von 500 bis 800 km solche von 100 Km und darüber hinaus nur noch eine Zone vorsieht; die Gewichtseinheit, die bis jetzt 10 K^ beträgt, ist auf 25 KZ, zur Vereinfachung des Verwiegungsgffchäfts, erhöht worden. Der Gepäcksatz ist auf dem Betrage von 25 Pf. für je 50 Km und 25 KZ aufgebaut. Es bewendet auch ferner bei dem „Sendungs"tarif, d. h. die Fracht wird nicht für jedes einzelne Stück, sondern für alle zusammen aufgegebenen Stücke einheitlich ermittelt. Man hat sich danach auf folgenden Tarif geeinigt: Für je angefangene 25 KZ Gepäck sind zu berechnen Km Pf. Nahzone ... 1— 25 20 Zone 1 . . . . 26— 50 25 2 . . . . 51-100 50 3 . . . . 101-150 75 4 . . . . 151-200 100 5 . . . . 201-250 125 6 . . . . 251-300 150 7 . . . . 301-350 175 8 . . . . 351-400 200 9 . . . . 401-450 225 10 . . . . 451—500 250 11 . . . . 501-600 300 12 . . . . 601—700 350 13 . . . . 701-800 450 14 . . . . über 800 500 Das Recht der Reisenden 4. Klasse, eine Traglast un- entgeltlich im Abteil mit sich zu führen, soll bestehen bleiben. Gegenüber dem jetzigen sächsischen Tarifstand ergeben sich für Gepäckstücke geringen Gewichtes naturgemäß einige Verteuerungen, dagegen wird die Fracht für größere Ge wichte wesentlich billiger als bisher. Dies wird vornehmlich den Handlungsreisenden, die schwere Musterkoffer mitführen, zu gute kommen. Damit die billigen Gepäcksätze nicht zur Versendung von Expreßgut mißbräuchlich verwendet werden können, wird die Beförderung von Gepäck von der Vor zeigung einer Fahrkarte abhängig zu machen sein; um der Aufgabe allzu großer Gewichtsmengen als Gepäck vorzu beugen, ist beabsichtigt, auf eine Fahrkarte bis zu 200 Kx , Gepäck zu den angegebenen Sätzen zuzulassen, das Ueber- gewicht aber zu höheren noch festzusetzenden Taxen zu tarifieren. Anlangend die Ausnahmetarife, so deckt sich auch hier der Reformplan im wesentlichen mit den Absichten, welche die sächsische Staatsregierung im Jahre 1902 ver folgt hat: es sollen diejenigen Vergünstigungen erhalten bleiben, für die ein besonderes — allgemeines oder örtliches — wirtschaftliches Beoürfnis besteht, alle anderen aber sollen in möglichst weitem Umfange beseitigt werden. Es werden danach weiter beibehalten werden: die Monatskarten, Schülerkarten und Arbeiterwochenkarten, und zwar ohne Prcisänderuug. Dagegen beabsichtigt die sächsische Staatsregierung zur Vereinfachung des Fahr- karkenwcsens die wenig benutzten Arbeitermonatskarten, so wie die nur in wenigen Verkehrsbeziehungen bestehenden Arbeiterrückfahrkarten — mit Ausnahme der für die Mülsen grundbahn geltenden billigen Sätze — aufzuheben. Ferner werden aufrecht erhalten werden Preiser mäßigungen sür Kinder, für Ausflüge zu wissenschaftlichen und belehrenden Zwecken, für Schulfahrten und Ferien kolonien, für milde Zwecke, für wehrpflichtige Angehörige der österreichisch-ungarischen Monarchie und schließlich für Vcrwaltungssonderzüge. Wegfallen wird die Preisermäßigung für ge meinschaftliche Reisen größerer Gesellschaften, sowie die Ausgabe von festen Rundreisekarten. Desgleichen wird die sächsische Staatsregierung die noch bestehenden wenigen Sonntagsfahrkarten beseitigen. Die zusammengestellten Fahrscheinhefte des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen werden bestehen bleiben; die Einheitssätze, die jetzt betragen in 1. Kl. 2. Kl. 3. Kl. für Personenzugsstrecken .6 4,5 3 Pf. für Schnellzugsstrecken . 6,3 4,67 3,27 „ sollen durchweg in 1. Kl. 2. Kl. 3. Kl. auf 7,3 4,8 3,2 Pf. festgesetzt werden; sie werden also in 1. und 2. Kl. um 0,3 Pf., in 3. Kl. um 0,2 Pf. höher sein, als die regel- mäßigen Fahrpreise, dagegen werden die Hefte zur Be nutzung von Schnellzügen ohne weiteren Zuschlag berechtigen. Es ergeben sich hiernach — wenn man von den Per- sonenzugsstrecken absteht, die für diesen Verkehr nur sehr geringe Bedeutung haben — in 1. und 2. Kl. Erhöhungen um 15,87 Proz. bez. 2,78 Proz., in 3. Kl. Verbilligungen um 2,14 Proz. Wenn man die finanzielle Gesamtwirkung der vorstehend entwickelten Reform auf die sächsische Eisenbahn- verwaltung gegenüber dem jetzigen Tarifstande nach dem Goldsucher. Roman von Edela Rüst. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Lutschen sog den Veilchenduft in sich hinein, und sagte dann zögernd, wie vorsichtige Menschen von Unbekannten sprechen: „Wird es denn aber wo anders anders seins Sind nicht überall Menschen? Solche, mit denen man sich versteht, nnd solche, mit denen man sich nicht versteht? Und geht es nicht überall um das tägliche Leben? Die Reichen haben es überall gut, sagt man! Sie gehören ja zu den Reichen, Fräulein Evchen — aber wenn sie finden, daß es Ihnen hier nicht gut geht, wird es Ihnen dann wo anders besser gehen, bloß weil es draußen ist? Sie werden doch heiraten wie all die anderen Damen, und schöne Kleider tragen, und Kinder haben und sich viel amüsieren, hier und vielleicht auch mal auf Reisen! Das ist doch das Leben! Das Leben ist für die feinen Leute- Und dann gibt es noch das Leben der armen Leute — das ist Arbeit und Elend und wohl mal Lustigkeit, wenn sie ihr Elend vergessen können — aber es kommt immer wieder! Und der Herr Superintendent sagt doch, wir hier in Lettau, wir können das Elend noch gar nicht, da muß man erst in die ganz großen Städte gehen, wo es Tau- sende gibt, die nichts zu essen und nichts darauf zu schlafen haben!" „Da will ich grad hinl Das will ich sehen! Ich will alles sehen, alles hören, was eS zu sehen und zu hören gibt! Das ist Leben! Heiraten! Ja — vielleicht einmal, wenn ick das Leben kenne. Dann will ich unter vielen einen wählen, und dann werd ich wissan, warum ich ibn wählte!" Und Eva erzählte der Kranken ihr Erlebnis mit Konrad Kauffmann — sie nahm es ja mit ins Grab. Da erregte sich Lutschen zam erstenmal wieder und schalt Eva, daß sie klügelte und ein treues, liebendes Herz von sich stoßen wollte. Sie hätte immer geglaubt, Eva hätte Herrn Kauffmann auch sehr gern. „Ich habe ihn auch gern — gewiß — er ist mein bester Freund hier, der Einzige in unserem ganzen Kreis, mit dem ich etwas abreden kann, aber warum soll ich ihn denn darum gleich heiraten? Ich kenne ja niemand anders! Wer zählt denn h'er noch viel mit von jungen Männern? Wenn ich ihn jetzt heitraten würde, da ich doch jetzt gar nicht weiß, warum ich ihn heiraten soll, und ich später einen anderen, bei dem ich plötzlich wüßte: Der ist es, den würde ich wählen, darum und darum! Was dann? Ich lese doch so oft, daß es kommt im Leben — muß das nicht schrecklich sein? Und Konrad lebt ja hier so öde — er hat auch nickt viel Auswahl — so ist er auf mich gefallen, denke ick mir, weil er andere Frauen nicht viel kennt. Ihm könnte es später auch noch leid und das war bei Eva von Coßnitz, doch ganz und gar ausgeschossen — das war doch nicht für die feinen Leute. In der Beziehung stand sie mit Tante Alexandra ganz auf einer Höhe. Aber Evas junger Feuerkopf fühlte doch den Beruf in sich, der lieben, armen Luise vor ihrem Hinscheiden noch die rechten Begriffe beizubringen — sie hielt das für ihre Mission dem lieben Herrgott gegenüber. Als sie so im besten Zuge war, kam Frau Klinger mit dem Kreisblatt in der Hand hereingestürzt: „Achott, achott, de Russen kommen — se werde'n sehn, de Russen kommen! Achott, achott mi, den all lieber tot! Denn kannst dir freu'n Lischt, denn bist gut aufjehobenen achott. genug tun — er ist ja auch noch sehr jung." Luise schüttelte leicht den Kopf. „Nein, nein — sein Herz hat gewählt, und Sie sollten — ach ja, Sie sollten nickt fortgehen — er wird traurig werden und elend — das wird sein Leben sein." „Aber Lutschen — da verstehen Sie mich nun nicht. Ich will doch mehr als solch ein langweiliges Alltags leben Ick will o, ich kann das nicht so sagen ich will lernen, studieren, erleben, singen ich will Kunst und Kunstleben!" „Kunst . . .? Ja, wie denn . . .?" „Gefang, Gesang — Musik und Gesang brauche ich! And hier " Das war nun der Punkt, wo Lutschen wirklich nicht folgen konnte. Daß man hübsch singen möchte, fand sie wohl natürlich, aber warum man dazu in die weite Welt mußte, das begriff sie nicht. Singen konnte man auf dem Felde, am Herde! Ent- weder man konnte Singen oder nicht! Auch daß man bei Fräulein Plantikow darin etwas lernen konnte, war ihr klar, aber mit dem Worte „Kunst" wußte sie nichts rechtes anzufangen. Außer daß man zum Theater ging achott!" Eva sprang auf: „Aber Frau Klinger, was wollen Sie nur, so schreien Sie doch nicht so — Luischen hat sich wieder so erschrocken! Was wollen Se denn schon wieder mit ihren alten Russen?" Die „Russenfurcht" war ein stiller, ja oft laut werdender Wahnsinn der alten Klinger. Ihre Eltern hatten die Russen in Ostpreußen erlebt und „furchtbare Sachen" zeitlebens davon erzählt. Es durfte nur irgend eine russische Unruhe im Blättchen gemeldet sein, dann standen die Barbaren auch schon in Frau Klingers Gedanken haufen weise vor Lettau. Hier steht es ja: Die Russen scheinen wieder mal zu rüsten! Wenn, wie es". . . „Ach Gott, liebe Frau Klinger, lassen sie doch d Unsinn! Bis die Russen hier sind, leben wir alle nickt mehr! Das sagt Papa so oft und der we « besser als Sie und ich und Ihr Mann!" -Z „Freilich, freilich,, nu natierlich, so e H^ müßt' es wissen! Joa, joa — na se wer'n ja wob -HE/nanv Damit warf Mutter Klinger das Bl^ -tauch Tisch und strich die große, blaue Schurz«' Elchen nuf ' Hüften glatt, daß ihre ganze Statur - 'Er km kam und dadurch das seelische Gle»' 'Eas ins Schanks stellt wurde. 'Gewicht Weder Hera/ n ö