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1877 78 Dienstag, den S. Oetober geschlossen. König!. Gerichtsamt Wilsdruff, am 27. September 1377. irr. Gangloss. Wegen Reinigung der Localtäten bleibt das hiesige Königl. Gerichtsamt Sonnabend de» 8. October 1877 Aufforderung an sämmtliche Orts-Steuereinnahmen des platten Landes und an den Stadtrath in Siebenlehn. Behufs der von der Königlichen Amtshauptmanuschaft vorzunehmeuden Neuwahl von Vertretern der Höchstbesteuerten zur Bezirks- Versammlung macht sich eine Revision der im Jahre 1874 aufgestellten Liste erforderlich. Die Orts-Steuereinnahmen und der Stadtrath in Siebenlehn werden daher hiermit veranlaßt spätestens bis zum 15. Oktober dieses Jahres schriftlich diejenigen Personen mit ihren vollständigen Vor- und Zunamen unter Angabe des Standes und Erwerbes anher anzuzeigen, welche an -ire-ten Staatssteuern, also au Grundsteuern, Gewerbe- u Personalsteuern sowie an Einkommensteuern zusammen gerechnet den Betrag von mindestens ZW Mark im heurigen Jahre entrichten und zwar unter Hinzurechnung der etwa von einer und derselben Person in andern Orten oder Fluren zu bezahlenden Grund- odcr Gewerbesteuern, in welchem Falle diese Personen um Angabe der Höhe dieser letzter» Abgaben anzugehen sind. Dabei wird ausdrücklich bemerkt, daß dem Ehemannc die für die Ehefrau und dem Vater die für die cu seiner väterlichen Gewalt befindlichen Kinder zu entrichtende Steuer anzurechnen ist, sowie, daß für juristische Personeu (Actiengesellschaften, Credit-, Vorschuß- und Consumvereine, Sparkassen, Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften — eingetragene Genossenschaften — u. f. w.) deren Vertreter wahl berechtigt sind und daher diese mit Vor- und Zunamen ebenfalls mit anher anzuzcigen sind, sofern von diesen juristischen Personen min destens'300 Mark -ireete Staatssteuern entrichtet werden. Vacatscheine aus Orten, in welchen keine Hvchstbesteuerten wohnen, sind nicht einzureichen. Meißen, den 28. September 1877. Königliche Bezirks - Steuer - Einnahme. .Härtel. Der Segen des Genossenschaftswesens. In all dem Jammer unserer herabgekommenen ErwerbsverhäO- j niste, welcher sich leider schwer genug in allen Zweigen des Geschäfts- i lebens bemerkbar macht, ist es ein Trost, wahrzunehmcn, daß gesunde Institutionen nicht bloß so schwere Krisen überdauern, sondern auch ! ihr Wachsthum in erfreulichem Grade bewähren. Eine solche Wahr- i nehmung bietet uns der Bericht über das Genossenschaftswesen im Jahren'1876, der soeben von unserem treuen Volksfreunde Schulze- i Delitzsch veröffentlicht worden ist. Die Bedeutung dieser Genossenschaften ist eine für unsere Zeit - um so höhere, als es thatsächlichZeststeht, daß der große Schwindel der Milliardcn-Jahre im vollen L-inue des Wortes unseren Mittel stand ruinirt hat. Die Schwindler haben sich bereichert und der Arbciterstand hat die anfgepauschten Tagelöhne schnell verthan. Der eigentliche Theil des Volkes, der geprellt wurde, war der Mittelstand, der sich verlocken ließ durch vorgespiegelten Gewinn zur Aktienbe theiligung an unsoliden Unternehmungen, und der sich in seinen so liden Geschäften durch überspannte Ansprüche der Arbeiter zu großen Ausgaben gezwungen sah. Wenn noch immer über Geschäftslosigkeit, über mangelhaften Konsum, über Kreditlosigkeit und schweres Miß trauen geklagt wird, so ist es nur die Folge des traurigen Zustandes, in welchem sich der eigentliche Konsument, der sonst wohlhabende Mittelmann noch immer befindet. Das Kapital ist nicht verschwunden, sondern ist in den Händen Weniger, welche es verstanden haben, sich in der Krisis zu bereichern. Es wird das Geld auch zu einem sehr i billigen Zins an allen Börsen ausgebotcn, um ganz sichere Wechsel s dafür zu erhalten. Nur dem Geschäftsmann, dem schaffenden Un ternehmer wird der Kredit versagt, weil man weiß, wie gedrückt i der Konsum ist und wie schwer es hält, solide Käufer zu finden, die ! eine Waare zu anständigen Preifen baar bezahlen und den Händler in den Stand setzen, seine Pflicht gegen den Fabrikanten zu erfüllen. I — Will mau all' diese Zustände mit einem einzigen Satz bezeichnen, > so kann man nur sagen: sie zeigen die Spuren des Druckes, der auf j dem Mittelstände lastet. Da ist es denn von großer Wichtigkeit zu beobachten, welche Wohlthat das Genossenschaftswesen in- solchen Zuständen ist und wie ! die Solidität dieser Genossenschaften gerade in den Krisen ein außer- i ordentliches Schutzmittel war, daß nicht noch tiefere Schädigungen > dieses Standes eingetreten sind. In der That haben die Genossenschaften ihre wohlthätige Wirk samkeit hauptsächlich auf den kleinen Gewerbsmann ausgedehnt. Sie wurden gegründet, um dem Kleingewerbe eine Stütze zu schaffen gegen- ! über der Konkurrenz des Groß-Betriebs, dem das Kapital und das ! Maschinenwesen ein gewaltiges Uebergewicht verleiht. Darum waren ' auch Anfangs die Genossenschaften ein Dorn im Auge der Kapitalisten ! und der großen Fabrikanten. Erst in späterer Zeit, als man die günstigen Folgen dieser Institute gar nicht mehr fortlengnen konnte, ! versöhnte man sich mit ihrem Bestände und kam ihnen mit Krediten gern entgegen. Da traten denn unsere Demagogen mit der Anklage auf, daß diese Institute bloß der Bourgeoisie, den Kapitalisten dienen und den Arbeiterstaud niederdrücken und von seiner wahren Aufgabe, eine Gleichheit der Leistungen und der Genüsse herzustcllen, ableuken. Die demagogischen Agitationen haben denn in der That die Folge gehabt, da, das Genossenschaftswesen auch in solchen Zweigen viel zu geringen Anhang in Arbeiterkreisen fand, die wie die Spar- Vereine, die Konsum-Vereine, ganz geeignet sind, dein Arbeiter eine bessere Lage zu bereiten. Der Kern des Genossenschaftswesens liegt denn jetzt in der That in dem Mittelstände, der es verstanden hat, die Vorzüge dieser Institute zu erkennen, und bildet jetzt inmitten der Krisis unseres ganzen Erwerbslebens auch die einzige tröstliche Aus sicht, daß sich der Stand wieder emporarbeiten wird, dessen Gedeihen so eigentlich die guten Zeiten macht. Ein Blick auf den neuesten Jahresbericht zeigt uns, daß diese Hoffnung eine wohlbegründete ist. Während sich in gewöhnlichen Geschäften unter hundert Unternehmungen nicht selten bis fünfzig als unsolide erweisen, ergiebt die Kontrole, daß von den fast fünftausend Genossenschaften kaum drei Prozent ihre Verpflichtungen nicht erfüllen konnten. Die Kreditgesellschaftcn haben sich im Laufe des Jahres 1876 von 2764 auf 2830 gehoben, die 1034 Konsum-Vereine haben sich ebenfalls um fünfzehn neue Vereine vermehrt. Die Vereine ein zelner Gewerbe sind von 715 auf 734 gestiegen. Selbst die Bau genossenschaften haben eine kleine Zunahme erfahren. In der Ge- sammtheit ist die Zahl der Genossenschaften im Lauf des verwichenen Jahres vou 4575 auf 4686 gewachsen, wobei noch diejenigen Ge nossenschaften nicht mitgezählt sind, welche außerhalb des Verbandes der Anwaltschaft von Schulze-Delitzsch existiren und deshalb in den Berichten nicht aufgeführt sind. Die Zahl der Mitglieder all der Genossenschaften beläuft sich auf fast 1 Million und 400,000. Nimmt man an, daß diese Mitglieder fast sämmtlich je eine Familie repräsentiren, so bilden sie bereits die Zahl der Bevölkerung eines kleinen Staates. Die Geschäfte, welche die Genossenschaften im Laufe des Jahres gemacht haben, betragen 2650 Millionen Mark. Das eigene Vermögen der Genossenschaften, bestehend in Kapitalien, Geschäftsantheilen und Reserven beläuft sich auf fast 180 Millionen Mark. An Kredit fremder Kapitalien haben die Genossenschaften nahezu 370 Millionen Mark erhalten, und dabei keineswegs ihren Kredit erschöpft. Solche segensreiche Ergebnisse sind eine tröstliche Erscheinung in unseren Zeiten, wo neben der Kümmerlichkeit des Erwerbslebens auch noch die Phantasmen der Demagogie die Hoffnungen auf Besserung niederdrücken. (Vvlks-Ztg.) ' Taaesqeschichte. Die deutsche Regierung hat, wie man in politischen Kreisen wissen will, eine vertrauliche Note an das französische, englische und Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Nhk.