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Aeilage zu Ar. 45 des Mochenölattes für Milsdruß. Aus j)avis. Von unserem Spezialkorrespondenten. (Nachdmck verboten.) Also wteder einmal in Paris — und zwar diesmal im Paris der Ausstellung, die in wenigen Tagen ihrer Eröffnung entgegensteht. Noch schaffen tausend und aber tausend fleißige Hände an den unterirdischen Bahnbauten, sonst aber hat die Riesenstadt in keiner Weise 'hr Bild verändert, dos man am besten gewahr wird, wenn man in Paris auf dem Ostbahnhsf in der ersten Morgenstunde anlangt. Ein kaltes fröstelndes Morgenlicht liegt über den breiten eleganten Boulevard de Straßbourg gebreitet. Langsam beginnt in den Ri-senhäuser- komplex Leben zu kommen. Die Müll- und Aschekästen werden vor die Thür gesetzt und vereinzelt oder in Trupps kommen zusammen mit einem Rudel herrenloser Hunde die Lumpensuchec und Luwpensucherinnern gezogen, die die Müllkästen nach ge nießbaren oder in irgend einer Weise werthvollen Stoffen dmch- kramen, ein Bild des Jammers und des Ekels, wie ihn wohl keine zweite Großstaat — selbst London nicht — kennt. Nun aber erwacht — mit dem Beginn der siebenten Stunde — auch das eigentliche Pariser Leben: die fliegenden Kaffeehändlcr eröffnen an den Straßenecken ihren Verkauf, und preisen ihre Waare dabei laut singend an; „caie iroir a 15 ctm. cais su liqusur ä 20 ctm." Im Mittelpunkte der Stadt, dort wo die Fleisch- und Gemüsehallen liegen, entfaltet sich dieses Leben natürlich am intensivsten, denn hier spielen die be, rühmten äamss des Kalles die Hauptrolle. Welch eine Fülle und Reichhaltigkeit der aufgestapelten Genußwittel in diesen grauen verräucherten Mauern! Das zarteste G-flügel nehm den unförmlichsten Bewohnern der Fffchfauna aus dem mätel- läadischeo Meer: daneben blühender Flieder, prächtige langge stielte Rosen und das herrlichst-, auserlesenste Gemüse. In den Fleischständen hängen ganze Regimenter feister Hammel- «remplarc; hier verkauft einer nur Nieren, dort ein anderer nur Schwanzstücke zu oxtail usw. Und zwischen all diesem auf- gestapelleo Genußreichthum schreiten Bretonische Fischer mit ihren grauen Ricfenhüten, die wohl dreiviertel Meter im Durch messer haben mögen, oder normännische Bäuerinnen mit den schneeweißen, flatternden Köpftüchern. Etwa um die achte Morgenstunde beginnt die Seinestadi zum ersten Mal am Tage ihren Riesenstrom von Menschen durch die Straßen zu jagen. Ein buntes Menschengewoge durchquert dann in rasender Eilförmigkeit die Straßen und Plätze. Jnterressant sind bei dieser Völkerwanderung die Männer zu beobachten, die der augenblicklichen Mode gemäß keine Mänrel in unserem Sinne, sondern lange, schwarze oder dunkelblaue Damenkapes tragen, deren Kragen in eine buschige Kapuze endet, die bei schlechtem oder kaltem Wetter über die Ohren gezogen wird. Recht interressant und praktisch ist auch die Kleidung der Schulknaben, die außer dem soeben erwähnten Cape darin besteht, daß die Knaben, um den Anzug vor Tinten-, Schmutz- oder Fettflecken zu bewahren, lange schwarze Satinschürzen mit langen Aermeln tragen, die, wie mir eine Mutter eines solchen Knaben zu erzählen wußte, außerordentliche Dienste leisten. Jeder Be sucher der Seinestadt wird aber ganz außerordentlich enttäuscht sein, wenn er die Einfachheit der sonst so als exaltirt ver schrieenen Kleidung der französischen Damenwelt zu G-stcht be kommt, derm ganze Eleganz lediglich in der frappirenden Ein fachheit der meist einfarbigen Kostüme beruht. Auch von den m den großen deutschen Modebazaren als letzte Pariser Mode neuheit angekündigten Hüten mit den kostbaren Federaufsätzen findet man hier so gut, wie garnichts; kleine graue, mit einem einfachen Band garnirte Filzhütchen bilden die Kopfbedeckung der französischen Damenwelt. Etwa gegen zehn Uhr vormittags hat sich dieser erste Mcnschenstrom etwas verloren und das eigentliche Geschäfts leben hat seinen Anfang genommen. Auf dem klaco äs la Republi^us, die Rus äs Voltaire hinunter bis zum klavs äs la Ration spielt sich ein großer Theil dieses Lebens ab, zumal an solchen Tagen, wo in dieser Gegend sich unablässig Wagenzüge, Omnibusse, TramweyS mit Dampf, Elektrizität oder komprimirter Luft oder auch Mail Coachs entlangrollen, die mit den zahllosen Bycycles und Automobilen förmlich wett eifern. Alle diese Wagen rollten über den klacs äs la Lastills die vsnus Lambstta nach Vincennes, einem Pariser Vor orte hinaus, wo das erste diesjährige Frühlingsrennen — Iss Kurs äs Vincennes — stattfindcn. Ein Theil des Exerzierplatzes zum Fort de Vicennes ist für diese Rennen reservirt, zu dem sich tout karis nach der österlichen Pause, die zwischen den Wintervergnügeo und dem Beginn der Früjahrssaison gelegen ist, zusammen findet, um sich ein Rendezvous zu geben. Neben dieser Creme der Ge sellschaft findet sich aber auch gleichzeitig, was ja im übrigen ganz selbstverständlich ist, eine Menge wettlustiger Leute, Vertreterinnen der Halbwelt, Syphonocrkäufer, Fahrradbr- aufsichtiger (Leute, welche die Fahrräder während der Dauer des Rennens gegen ein kleines Entgeld in Ver wahrung nehmen) und last uotlsast Taschendiebe ein, das durch Drahtseile abgesperrte Terrain wird von französischen Kavalleristen — die durchweg eine stattliche, kräftige Erschein ung abgebsn — bewacht. Das Rennen selbst wird aus schließlich von Offizieren geritten und gleicht eher einem eleganten Corso, als dem, was man sich unter einem Wettrennen bei uns in Deutschland vorstellt. Etwa eine Stunde vor dem Beginn des Diner, d. h. um fünf Uhr, nimmt das Rennen ein Ende und der lange, schier unabsehbare Wagenzug nimmt wieder seinen Rückweg zur Stadt. Nun beginnt aber auch das eigentliche Pariser Leben, das im Centrum der Stadt, namentlich in der Umgegend des Louvre seinen charakteristischsten Anstrich hat, weil gerade hier Haus an Haus sich die Bars befinden und faßt io jedem Straßen» block ein TksLtre ckamant seine Heimstätte oufgeschlagen hat. Hier sind die Orte, wo tout Is monäs sein Amüsement finden kann. Die Predigten von den Cynismen rc., die in diesen Theatern wahre Orgien feiern sollen, sind aber ent schieden in das Reich der Mythe und der Fabel zu verweisen, denn nirgends kann man ungenirter, selbst io Begleitung von anständigen Damen verkehren, als gerade in diesen Speztalitäten- Theatern. Selbstverständlich findet der, der ein ganz besonderes Amüsement sucht, auch allen seinen Gelüsten Befriedigung ge währen, allein diese Gelegenheiten sind ebenso selten, heimlich und vesteckt, wie in anderen Großstädten und dürfen wohl kaum an die Opiumhöhlen Londons heronreichen. Die Ausstellung selbst, auf die ich nun in den nächsten Briefen ausführlich eingehen werde, nachdem ich diesmal eine kurze Schilderung vom Pariser Leben gegeben habe, macht sich schon weithin durch das Gepoche und Gehämmere bemerkbar, das weithin die angrenzenden Stadtviertel durchschallt, denn alles befindet sich noch in vollster Arbeit, um jo pünktlich am Eröffnungstage fertig zu werden. Die Mittheilungen von den unbeschreiblichen Preissteiger ungen für Kost und Logis während der Dauer der Ausstellung, sind aber entschieden zum größten Theil übertrieben, denn wohl dürfte sich eine mäßige Erhöhung, etwa um ein Drittel der sonst üblichen Preise bemerkbar machen, höher dürfte aber die Preissteigerung wohl auf keinen Fall gehen, so daß Jeder, der nur über einige Mittel verfügt, sich den Luxus einer Weltaus stellungsreise erlauben kann. Allerlei Angereimtes in Reimen. (Nachdmck verboten.) Lagt klingen heut' in Stadt und Land die Hellen Osterglocken! „Christ ist erstanden!" rust die Welt in jauchzendem Frohlocken. Die frohe Osterkunde heißt: „Der Heiland ist erstanden! Erwacht zum Licht aus Grabesnacht, befreit von Todesbanden!" Die Zeit des tiefsten Seelenwehs, der Trauer, ist beendet, Durch Christi Auferstehung ward der Welt Gefchick gewendet. Sei uns gegrüßt, du Osterfest! Du bist ein Fest der Freude, Drum mischt der Menschheit Jubel sich in's Osterfestgeläute. Blickt nur ringsum in die Natur, allüb'rall ist zu sehen Der Sieg der Frühlingssonne: die Natur im Auferstehen! Des Winters Macht, die dieses Jahr gewährt so viele Wochen, Ist von dem Frühlingssonnenschein für immer nun gebrochen. Und nach des Winters langem Schlaf erwacht zu neuem Leben Der Baum, der Strauch, das Feld, der Hain, am Bergeshang die Reben, Und aus der Menschenbrust entflieht all' Leid' und alle Sorgen, Verzagtheit schwindet, Kleinmuth weicht am Auferstehungsmorgeu. — — Hört man das Osterfestgeläut riugs durch die Lande schallen, Dann soll auch der Parteien Haß und Streit davor Verhallen,