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MMM ß, Beilage zu Nr. 68. Dienstag, den 12. Juni 1900. Gin chinesischer Rebell -er sogenannten Vsxer-Sekte. Die bedrohliche Aufstandsbewegung in China veran laßt uns, unsern Lesern im obigen Bilde den Typus eines chinesischen Rebellen vorzuführen. Seine werthen Kollegen unterscheiden sich in nichts von ihm, höchstens daß die Kleidung manchmal zerlumpter ist uud sie statt des Ge wehres oft ein anderes Mordinstrument in den Händen haben. Die Heimtücke und Grausamkeit der gelben Mordgesellen ist schon durch die Depeschenberichte geschildert. Hoffentlich gelingt es den vereinten europäischen Truppen bald, der Bewegung ein Halt zu gebieten und die bedrohten Europäer tu Sicherheit zu bringen. Namentlich durch eine Einnahme der eine Million zählenden, arg gefährdeten Stadt Tim-tsin durch die Boxer, könnte eine Katastrophe für die dort in großer Anzahl lebenden Europäer eintreten. StreifM durch die Fünfer MuMtlsW. Von Paul Lindenberg. (Nachdmck verboten.) VII. (Schluß.) Denn man vermag kaum einen lauten Ausruf der Bewunderung zu unterdrücken, wenn man vom Treppen- stur aus den ersten uud zugleich größten Salon betritt, über dessen Thür draußen das von allegorischen Wand Malereien umrahmte goldene Medaillonbildniß Friedrichs d. Gr. angebracht ist. Die Wände sind mit gelben Seiden- tapeten bespannt, soweit nicht weiße Holztäfelungen mit Silberrankcn zur Verwendung gelangten, weiß mit reich sten, graziösen silbernen Verzierungen ist auch die Decke gehalten, die um den coquetten Porzellan-Kronenleuchter das bekannte Spinngewebe aus dem Musik-Zimmer in Sanssouci zeigt, desgleichen weisen die Polstermöbel sil bergrauen Seidenbezug auf mit versilberten Holztheilen, der Marmorkamin mit silberumrahmten Spigel ist dem jenigen des Bibliothekzimmers in Sanssouci getreu rach- gebilvet. Diesem eben erwähnten Gemach zum Theil nach gestaltet wurde der links vom Salon liegende ovale Raum mit seinen Wandschränken in Cedernholz, seiner zartgraueu Seidentapete über der unteren, von goldenen Leisten durch zogenen Holzbekleidung, der goldumraukten rosa Deke mit dem Kronenleuchter aus dem Geburtszimmer Friedrichs und den die gleiche rosa Farbe zeigenden Seidenplüsch-Sesseln. Das sich rechts an den Salon schließende Zimmer weist rolhseidene Tapeten auf, hellgrau mit Gold ist die Decke, die Sitzmöbel sind mit grüner Seide bezogen, von edlen Formen ist der grau gesprenkelte Marmorkamin. Ein viertes, kleines Zimmer, dessen Fenster zur Ostseite hinans geht macht, mit seiner Täfelung aus Cedernholz, den grünen Scidentapeten, dem. sehr zierlichen, vergoldeten Bronze- Kronenleuchterund den mit lachsfarbener Seide überzogenen Polsterstühlen einen gleich intimen und reizvollen Eindruck wie die übrigen Räume. Ein beträchtlicher Theil der in diesen vier Gemächern vertheilten Möbel — darunter eine prachtvolle Standuhr im Regence-Stil mit Apollo als Bronzeaufsatz, ein Do- kumeutenschrauk mit Uhr, mehrere Kommoden in Cedern holz mit silbernen Beschlägen und Amethyst-Platten, Spiel- und Arbeitstische, Wandarme aus versilberter Bronze, ein Notenpult ans Schildpatt, dann geschnitzte und vergoldete bezügl. versilberte Sitzmöbel, mehrere Vasen aus Porphyr, Onyx und Marmor mit vergoldeten Bronzen, stammt noch aus den Besitz Friedrich's d.s Großen, wobei hervorzuhe- ben ist, daß nur wenige der Sachen aus Frankreich her rühren, die übrigen aber auf Befehl des Königs in Beilin und Potsdam von deutschen Kunsthandwerkern gefertigt wurden, wie auch die vielbewunderten Dekorationen und Ausgestaltungen der Wohnung Friedrich's d. Gr. im Char lottenburger und Potsdamer Schlosse deutschen Händen zu danken sind. Zu diesen alten Möbeln nun gesellten sich verschiedene neue, dem Stil der übrigen sich durchaus an passend und meisterhaft gelungen, ebenso wurden die Sei dentapeten nach den vorhandenen Mustern gewebt und die Holzbekleidungender Wände nach den Vorbildern in Potsdam und Sanssouci gearbeitet. Den werthvollsten Schmuck aber erhielten die Gemächer durch die reiche Fülle von Friedrich den! Großen erworbener Gemälde erster französischer Künstler, eines Watteau, Lancret, Chardin, Coypel, Pater, Loo, Troy, Plesne, im Ganzen 31, die zu den besten und bewundertsten der Bilder der Künstler gehören und mit Recht den vollsten Neid der französischen Kenner erwecken. Essind durchgängig Werke von hervorragender Bedeutung, ungemein charakteristisch für ihre Meister, für die französische Kunstrichtung jener Zeit, für Kunstsinn und Neigung des großen Königs, der in den Motiven die anmuthigen, lebensfrohen Darstellungen bevorzugte: „der Gegensatz zwischen dem anspannenden, erschöpfenden Leben des Staatsmannes und Feldherrn uud der heiteren, durch die Kunst verklärten Lebensfreude ist es, der Friedrich in diesen Bildern großen Genuß finden ließ, der auf sein Gemüth eine ähnliche, befreiende Wirk ung übte, wie es die Musik that," schreibt treffend in seinem vorzüglichen, reich illustrirten Kataloge: „Die Kunst sammlung Friedrich des Großen auf der Pariser Welt ausstellung" derDirektordesBerlinerHohenzollernmuseums, Dr. Paul Seidel, der sich die höchsten und schätzens- werthesten Verdienste um diese Friedrich-Zimmer und ihre ganze vornehme Gestaltung wie Ausschmückung erworben und damit neue Proben seines tiefen, künstlerischen Ver- ständnisses und erlesenen Geschmackes abgelegt hat. Von den Skulpturen konnten aus Hinsicht auf die Trausportschwierigkeiten uur wenige hier Aufstellung fin den, unter ihnen Houdon's ausdrücksreiche Marmorbüsten des Prinzen Heinrich, Bruder, Friedrich's und Voltaire's, welch' letzteres Werk im Auftrage des Köuigs 1781 der Berliner Akademie der Wissenschaften als Gescheuk über wiesen wurde. Den großen König finden wir in einer Bronze-Statuette Gottfried Schadows verkörpert, ihn in älteren Lebensjahren, von seinen Windspielen begleitet, zeigend, und in Pesne's oft nachgebildetem Jugend-Por trait, das 1739, ein Jahr vor dem Regierungsantritt, in Rheinsberg gemalt wurde, eins der besten Bildnisse des Königs, dessen Genius eine würdige und gewiß seinen Neigungen entsprechende Huldigung bereitet ward in diesem deutschen Hause am Seinestrande! — Andere Zeiten, andere Aufgaben! Von Friedrich d. Gr. zur Gegenwart und ihren Ansorderungen wie Befriedigung derselben auf sozialem Gebiet bedarf es nur weniger Schritte. Ein größerer Rauni des ersten Stockwerkes dieses deutschen Hauses ist der sozialen Wohlfahrtspflege gewidmet, und Architekt Bernhard Schaede, Lehrer am Berliner Kunst gewerbe-Museum, hat es verstanden, diesen Saal auf ebenso eigenartige, wie künstlerische Weise auszuschmücken uud ihm, ich möchte sagen etwas Feierliches, Kirchliches zu verleihen, das sich ja durchaus mit seinem Zweck vereint. An der Decke breitet eine Sonne ihre verklärenden Strahlen aus, an den Wänden wird in allegorischen Darstellungen die Nächstenliebe verklärt und die schaffende Arbeit gerühmt, auch die prächtigen Glasfenster weisen weibliche Jdealge- stalten der Religion, Geduld und Gerechtigkeit auf — Alles ist warm und liebreich, zuweilen sehr phantastisch empfunden und wird diesem begabten Maler-Architekten den Beifall weiter Kreise eintragen. Die Ausstellung selbst zerfällt in Druckschriften, statistische Mittheilungen und hauptsächlich in bildliche Darstellungen der mannigfachsten Wohlfahrtsan- stalten seitens der Staaten, bestimmter Bereinigungen und Privater, wobei es sich in erster Linie um gesunde, zweck mäßige Arbeiterwohnungen, um Einrichtungen zur geistigen und moralischen Förderung der Arbeiter, um öffentliche oder private Veranstaltungen im Interesse der Wohlfahrt der Bürger (Mädchenheime, Haushaltungsschulen, Lehrlings herbergen, Kindergärten, Krieger-Asyle, Volks-und Sommer heime rc.) sowie um öffentliche Armen- und Krankenpflege (Erziehungsanstalten, Asyle, Krankenhäuser usw.) handelt. Verschiedene dieser sozialen Veranstaltungen werden sehr geschickt durch kleinere Dioramen veranschaulicht, so die Arbeiteransiedelung der Kaiser!. Torpedo-Werkstatt in Friedrichsort bei Kiel, die Krupp'sche Jnvaliden-Ansiedlung „Altenhof" in Essen, das Kinderheim der Schultheiß-Braurei in Dessau und das Mädchenheim der Königl. Munitions fabrik in Spandau. Mehrere Räume dieses oberen Stockwerkes sowie die sämmtlichen des Erdgeschosses werden von dem Buchgewerbe und seinen Abzweigungen eingenommen, und auch hier ist der dekorative und praktische Mahmen der Zimmer ein sehr gefälliger uud gediegener. Außerordentlich gute Leistungen finden sich unter den photographischen und photomechanischen Vervielfältigungen,sowie den Buntdrucken vor, worin Deutsch land zum mindesten die besten Erzeugnisse des Auslandes erreicht; was Buch- und Buntdruck, Buchbinderei, Papier fabrikation, Holzschnitt und Autotypie in fast einziger Weise zu leisten vermögen, beweist die bei F. A. Brockhaus in Leipzig erschienene und dort hergestellte chinesische Ausgabe des vom Fürsten Uchtomsky verfaßten russischen Pracht werkes der Weltreise des Zarewitsch (jetzigen Kaisers Nikolaus), auf dessen Veranlassung diese nur in wenigen Exemplaren veröffentlichte und nie in den Handel gelangende Ausgabe entstand; das hier ausliegende Exemplar gleicht auf das genaueste jenem, welches im Auftrage des russischen Herrschers vor mehreren Monaten dem chinesischen Kaiser feierlich überreicht wurde — eine seltene Ehrung des deutschen Buchhandels nnd Buchdrucks. Auch der in der deutschen Reichsdruckerei in Berlin gefertigte Amtliche Katalog der deutschen Betheiligung an der Weltausstellung ist hier rühmend hervorzuheben, es ist ein Werk, das wegen seiner Ausstattung wie Abfassung seine bedeutsame Geltung be- halten und deutschem Fleiß wie deutscher Gründlich- und Geschicklichkeit über die Pariser Ausstellung hinaus zum Ruhme gereichen wird. Jas Wmnl des Milm. Erzählung von E. v. Linden. (Nachdmck verboten.) (Fortsetzung) Falk griff nach Hut und Stock, um sein Vorhaben, einen Spaziergang zu machen, fitzt auszuführen, als die Thür hastig aufgerissen wurde, und der kleine Notar Comanns athemlos her- cintrat! „Wie Ihr mich erschreckt, Commins!" rief Falk unmuthig, „man pflegt doch in fremden Häusern anzuklopfen, seit wann ist in Amsterdam das Gegentheil Sitte geworden?" „Pardon, lieber Freund!" versetzte der kleine Mann, seine kugelrund- Gestalt in einen weichen Lehnsessel niederlassend, „ich senke, wir nehmen's nicht so genau mit einander, — Ihr habt's eilig, de?" „Ich leugne eS nicht," versetzte Falk vornehm kühl. „Hm, thut mir leid, hätte gern mit Euch geplaudert, oller umifi „Was giebt's denn Wichtiges?" fragte Falk ungeduldig, indem er Hut und Stock wieder hinsetzte. „Na, just keine welterschütternden Neuigkeiten," lächelte Commins boshaft, „doch für uns speziell genug. — Apropos, Freundchen, wc.s wollte Kapitän Tyrius von Euch? — ich sah hn just, als ich in die Straße rinbog, aus diesem Hause kommen." „Nun, was wollte er von mir," rief Falk, den die Ver traulichkeit des nicht im besten Renommee stehenden Notars stets in Verzweiflung setzte, „ein freundschaftlicher Besuch, das war Alles." „So, hm, ich dachte, der sanftmüthige Martin spukte auch schon mit dem verdammten Lüders'schen Testamente umher. Ist mir, weiß Gott, in alle Glieder gefahren, die Geschichte." „Ach so, das bringt Euch so außer Athem," lachte Falk verächtlich auf, „ja, nun erinnere ich mich, baß der gute Ka, pitän Tyrius davon sprach. Wie kommt's doch nur, Herr Notar, daß erst jetzt, nach 10 Jahren, das Testament zur Aus führung gelangt?" „Aha, dacht ich's mir doch," brummte Commins, „jetzt kommt der Fuchs aus dem Loch heraus, Ihr thut verdammt spröde gegen einen alten Freund — mein Bester! Der sanfte Tyrius war wirklich hier wegen des Testaments, aber was wollte der Narr eigentlich?" „Eine Erbin ist angekommen, eine blutarme Schwester, der man in der Heimath eine falsche Abschrift des Testaments mitgegeben, dort wie hier Spitzbüberei, das ist Alles!" „So — warum läßt sich die Dummheit mit offenen Augen betrügen," rief Commins verächtlich, „einer solchen Sorte nützt auch kein Geld." „Hört mal, mein Lieber!" sprach Falk, „Ihr habt bei diesem Testament im Grunde Euer Meisterstück abgelegt, — in zehn Jahren die Zinsen von einer halben Million in Eure Tasche geleitet." ,Zum Henker noch einmal, wer kann mir das beweisen?" schrie der kleine Notar, heftig emporspringend, „Ihr müßtet doch der Letzte sein, der solches behauptet, Falk! Fragt den tobten G-neralprvkurator, dec kann« Euch sagen, wie es zugegangen. Komme eben von seinem Nachfolger, der mir verdammt un sanft auf den Zahn gefühlt hat und nach den Zinsen fragte. Was weiß ich davon, bin ein schlichter Notar, der einem so mächtigen Manne nichts vorfchreiben durfte. Was wollte dieser