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8,»»!«» » WM Beilage zu Nr. 88. Donnerstag, den 31. Juli 1902. MMmenk-kiMlW. Für die Mouate August und September werden Bestellungen auf das MMM ßr ck.' für die Stadt Wilsdruff bei unterzeichneter Geschäftsstelle zu für auswärts bei allen Kaiserlichen Postämtern, sowie Landbriefträgern zu 1 S »"Irr. entgegen genommen. Hochachtungsvoll Geschäftsstelle des Amts- und Wochenblattes für Wilsdruff etc. Kindersterblichkeit. Von Or. msä. H. Nossen. II. (Nachdruck verboten.) Magen- und Darmkatarrh. Wie bei Erwachsenen, so unterscheidet man auch bei den Kindern einen akuten und chronischen Magenkatarrh. Leiden kleine Kinder an einem leichten akuten Magen katarrh, der sich nur in Erbrechen unverdauter Milch und saurer Flüssigkeit kennzeichnet, so empfiehlt es sich, neben Diät, das bekannte Kinderpulver, Rhabarber mit Magnesia, messerspitzenweise einzugeben. Rhabarber ist ein vorzüg liches Magenmittel für Kind und Greis, es stärkt den Magen ungeheuer. Die Magnesia schafft die Säure und die Blähungen hinweg. Die gewöhnlichsten Veranlassungen zu Blähungen sind bei den kleinen Kindern in der Nahr ung oder seltener in Erkältung begründet. Es ist auch für die Säuglinge von höchster Wichtigkeit, daß sie ihre Nahrung in bestimmten Pausen erhalten. Durch diese, so wenig beobachtete Regelmäßigkeit, wird am besten Blähung, Magen- und Darmkatarrh vermieden. Ist aber das Kind einmal an Unordnung in Nahrung sowohl als auch in Schlaf gewöhnt, so ist cs sehr schwer, wieder Ordnung zu schaffen. Daher beginne man von dem ersten Tage an mit derselben. Nichts ist verderblicher, als einem Kinde, welches fchreit, sofort den Mund durch Nahr ung zu stopfen. Es ist doch unmöglich, daß ein Kind, dessen Magen soeben erst mit Milch angefüllt wurde, und diese kaum zur Hälfte verdaut hat, sofort wieder Milch aufnehmen und verdauen kann. Kinder, die so unver nünftig behandelt werden, müssen krank werden, denn Magen und Darmkanal sind ja fortwährend angefüllt mit halbverdauter Milch, die Organe können die Masse auf die Dauer nicht bewältigen und werden schließlich überreizt und entzündet. So geht es vom akuten Magen ¬ katarrh zum chronischen, vom Katarrh zum Durchfall oder Brechdurchfall. Man sieht, die Prophylaxe, die Vor beugung, die Vermeidung von Krankheiten ist leicht, sie heißt Mäßigkeit und Regelmäßigkeit. Sieht das aber eine Mutter nicht ein, will sie das Schreien des Kindes immer wieder durch Nahrung stillen, so verschlimmert sie die Sache selbst von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Zuerst leidet das Kind an Blähungen, dann wird der Stuhlgang grün statt gelb. Es giebt auch Kinder, deren gesunde Natur so einer Massenfütterung siegreich widersteht. Diese Kinder werden dann ungewöhnlich fett und stark, aber die bösen Folgen bleiben auch hier in der Regel nicht aus. Mit der Zeit bildet sich das Blut in zu großer Menge, es wird über reich an festen Bestandtheilen, die dann wieder Hautaus schläge, ja selbst Gehirnentzündung Hervorrufen. Schreit das Kind bald nach dem Stillen, so gebe man nur Zucker- oder Fenchelwasser. Magers oder schwächliche Kinder-stille man höchstens alle zwei Stunden, gutgenährte und kräftige aber nur alle drei Stunden. In der Enthaltsamkeit zeigt sich hier die wahrhaft gute und kluge Mutter. Viele Ellern leiden dadurch, daß ihre Kinder Nachts schreien und Nahrung verlangen. Daran sind die Eltern meist schuld. Hier thut auch Gewohnheit und Erziehung alles. Ein krankes Kind ist eine Ausnahme und bedingt auch Ausnahmefälle. Bei gesunden Kindern aber trägt ungestörte Nachtruhe ungeheuer zur Stärkung bei. Schwachen Kindern gebe man zuletzt Abends elf Uhr und zuerst wieder um 3 Uhr Milch; stärkeren Kindern zuletzt um 10 Uhr und zuerst wieder um 4 Uhr. Diese Zeiten müssen aber unbedingt von Anfang der Geburt an inne gehalten werden. Es ist dann leicht, die Kinder an diese Regelmäßigkeit zu gewöhnen, während es später große Mühe macht. Eine zu zärtliche Mutter kann hier viel verderben. Durch falsches Mitleid bringt sie das Kind und sich selbst um die Nachtruhe, schwächt sie die Verdauungsorgane des Kindes, während das 4—6stündige Fasten des Nachts den Organen sehr gut bekommt. Der chronische Magen- oder Darmkatarrh tritt bei Säuglingen meist gegen Ende des ersten Lebensjahres auf, bald nach der Entwöhnung. Das Kind, welches vorher noch gut genährt war, fällt ab, da starker Durchfall sich einstellt. Viele Mütter sind in dem falschen und verderb lichen Glauben, diesen Durchfall dürfe man nicht stopfen, da er mit dem Zahnen zusammenhängt. Das Zahnen hat mit dem Darmkatarrh gar nichts zu thun, das Zahnen ist ein ganz natürlicher und gesunder Vorgang. Treten also während dieser Zeit Krankheitserscheinungen aus, so eile man zum Arzt, bevor es zu spät wird. Oft liegt diese Krankheit auch an der dargereichten, festen Nahrung. Nach der Entwöhnung muß das Kind neben Kuhmilch nur solche Nahrung erhalten, die es auch verdauen kann. Zur Verdauung fester Nahrung*gehört bekanntlich genügende Anfeuchtung durch Speichel. Das Kind hat aber im zweiten Lebensjahr noch keine genügende Speichel absonderung. Die Backzähne sind auch erst gegen Ende des zweiten Jahres entwickelt. Giebt man also einem Kinde vor Entwicklung dieser Zähne feste Nahrung, so schluckt es ganze Stücke davon hinunter, die es nicht ver dauen kann. So entstehen bald Katarrh, Schmerzen bis zur Kolik und schließlich bösartige Diarrhöe. Man gebe daher dem Kinde, so lange es nicht kauen und die Speisen nicht genügend einspeicheln kann, nur solche Speisen, die der Muttermilch am nächsten stehen, also neben Kuhmilch auch Fleischbrühe, ganz fein gehacktes Kalbfleisch oder Geflügel, dann noch die bekannten Schleim und Breispeisen. Ist Erkältung die Ursache des Katarrhs, so hilft Wärme am schnellsten. Das Kind muß öfters warm ge badet werden, die Kleidung muß wärmer sein, besonders am Unterleibe. Um die träge Bewegung des Darmes anzuregen, kann man wässerige Rhabarbertinktur geben, theelöffelweise, bis Stuhlgang erfolgt. Die weinige Rhabarbertinktur ist mehr ein Stärkungsmittel. Viele Mütter geben sie auch als Abführungsmittel, aber das richtige Maaß hier zu finden, ist schwer, denn weinige Rhabarbertinktur oder wie der Volksmund sagt Rhabarberwetn, stopft in kleinen Quanti täten, nur in größerer Menge führt er ab. Man achte bei der Zubereitung von Speisen für kleine Kinder sorgsam darauf, daß die Kochgefäße rein sind und nicht aus einem Metall bestehen, von welchem schon kleineTheilchen dem Kindermagen schädlich sein können. Die heutige Emaille-Industrie erleichtert es in dieser Hinsicht den Müttern sehr. Man kaute nur fehlerfreie, tadellose Waare. Spirituöse Getränke und Gewürze sind für einen Kindermagen durchaus nicht geeignet, sie dürfen nur auf ärztliche Verordnung hin gegeben werden, wenn man nicht Durchfall herbeiführen will. Darüber im nächsten Abschnitt. Vermischtes. * Trinkgelder in hohen Kreisen. Das Trink geld wird immer mehr eine allgemeine Plage, schreibt die englische Wochenschrift „M. A. P.". Wenn man heutzu tage ein feineres Restaurant besucht, hat man einem hal ben Dutzend Leuten Trinkgelder zu geben, dem Portier an der Thüre, der die Droschke holt, dem Portier, der einem Hut und Ueberzieher abnimmt, dem Oberkellner und dem Unterkellner, dem Vorschneider u. s. w. Aber die Plage ist von der Welt der Kellner zu höheren Kreisen emporgestiegen. Ganz Paris war vor kurzem über fol gende Geschichte entrüstet: Der Herzog von Sesto mußte «ls Vertreter des Königreichs Spanien in einem Wagen von der spanischen Gesandtschaft nach dem Elysse und wieder zurückfahren, da er dem Präsidenten Loubet den Orden des goldenen Vließes überbrachte. Der Wagen war von den Secretären des Präsidenten gestellt worden; man stelle sich nun vor, was für ein Gesicht der spanische Gesandte machte, als die Herren ihm eine Rechnung von 600 Frank für diesen Wagen überreichten. Er bezahlte, verlangte aber eine Quittung. Als die Blätter ernste Vorstellungen darüber machten, wurde darauf hingewiesen, daß es heutzutage in Europa keinen Hof gäbe, an dem nicht ähnliche Tribute erhoben würden; der Fall des spanischen Gesandten bilde keine Ausnahme. Jeder Ge- fandte muß jedem Kutscher, Bedienten und Kammerdiener, der ihn in der Galakutsche zum Hause des Präsidenten abholt, „Trinkgelder geben". Mac Mahon Pflegte alle diese Trinkgelder aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen Kel ene. 39 Roman von Moritz Lilie. Nachdruck verboten. „Ihre Bekenntnis; beweist, daß Sie für die menschliche Gesellschaft noch nicht verloren find", sagte der Beamte theil- nehmend. „Wer Neue fühlt, besitzt auch die Fähigkeit, sich zu bessern, und gewiß werden Sie auch milde Richter finden, die Ihr Vergehen nicht allzu hart beurtheilen." Ter Anaeklagte machte eine abwehreHe Handbewegung, als wollte er nichts mehr davon hören. „Ich bin noch nicht zu Ende, ich habe noch mehr zu sagen", fiel er hastig ein, „ich bin nicht bloß ein Fälscher, sondern auch rin " „Ich bin auch — ein Mörder!" versetzte er mit leise zitternder Stimme. „Ein Mörder?" wiederholte der Richter aufs höchste überrascht. „Sie sollen alles erfahren", fuhr jener fort, „ich habe Herrn von Lesser, meinen Wohlthäter, ums Leben gebracht. Er war gesund und kräftig, er hätte noch lange leben können, viel zu lange für mein brennendes Verlangen, die verhaßten Fesseln, die mir mein Abhängigkeitsverhältniß auferlegten, so bald als möglich abzuichütteln. Daher beschloß ich, ihn langsam durch Gist zu töten, das ich ihm in ganz geringen Mengen beibrachte; er durfte nicht plötzlich sterben, das würde Verdacht erregt haben, sondern er mußte langsam aber sicher hinsiechen. Wenn ich des Nachts bei ihm wachte, mischte ich der Arznei eine Wenigkeit bei, der Zucker, mit welchen! ersich einen Kakao des Morgens versüßte, war vergiftet, kurz, wo es unbemerkt geschehen konnte, reichte ich ihm in ganz kleinen Quantitäten das totbringende Pulver, dem er denn auch erlag. Ich wußte, daß mich sein Tod in den Besitz eines bedeutenden Vermögens setzen würde, aber ich konnte nicht warten, der Dämon Geld hatte mich in einer Weise verblendet, die mich zn Wem Verbrechen fähig gemacht haben würde." „Das ist ja entsetzlich!" rief der Richter aus, während er die Aussagen niederzuschreiben begann. Nach beendeter Protokoll aufnahme ließ er den Verbrecher wieder in Gewahrsam ab führen. Zwei Tage darauf hielt Ane Droschke vor dem Hause des Arztes. Der Untersuchungsrichter, Markert und ein Unter beamter stiegen aus. Um alle Einzelheiten feststellen zu können, war eine Besichtigung der Wohnung angeordnet worden. Mit unheimlicher Kaltblütigkeit führte der Eigenthümer des Hauses die Beamten in den Zimmern umher, erklärend und erläuternd. Er zeigte das Schlafgemach des Verstorbenen, die Stelle, wo das Bett gestanden, war sein eigenes Kabinet, den noch vorhandenen Schreibtisch und endlich in seiner Arbeits stube einen kleinen Wandschrank, der durch das Tapetenmuster geschickt verdeckt war. Die Beamten schauten sich in dein eleganten Zimmer um und wurden durch die verschiedenen Nippsachen, Kunstgegen stände und Bilder auf Augenblicke gefesselt, während Markert an dem Schränkchen stand und dasselbe mittelst Druckes auf eine geheime Feder öffnete. Einen Moment später krachte ein Schuß; entsetzt sprangen die Männer herzu und fingen den umsinkenden jungen Mann in ihren Armen auf. In der Hand hielt er einen kleinen Revolver, den er ohne Zweifel im Schranke stets bereit hatte, denn sümmtliche Läufer waren geladen. Der Schuß war in die Brust gegangen und absolut tödtlich. „Es ist aus mit mir!" brachte er leise und mit An strengung hervor, „sie kommt, die rothe Blutwelle, Helene, sie steigt höher und höher und wird mich ersticken — — zu Hilfe Helene —" Er fank zurück, Blut sickerte aus Mund und Nase, ein kurzes Röcheln — und der Verbrecher hatte geendet. Tieferschüttert standen die beiden Diener der Gerechtigkeit; hier hatte der irdische Richter nichts mehr zu sagen. 22. Die lange Fensterreihe der Wohnung des rumänischen Gesandten war hell erleuchtet. Der erste große Empfangsabend der Saison hatte eine glänzende Gesellschaft in den mit vor« nehmer Einfachheit ausgestatteten Räumen versammelt, und die verschiedenen Uniformen, Fracks mit Ordens dekorativ nen, namentlich aber die prangenden Toiletten der Damen gewährte» ein äußerst buntes, fesselndes Bild. Besondere Aufmerksamkeit erregte der neue Legationssekretär, der heute zum ersten Male in Gesellschaft erschien. Besonders die Mütter heirathsfähiger Töchter und diese selbst widmeten dem hübschen jungen Mann besondere Aufmerksamkeit; man suchte seine Bekanntschaft und von allen Seiten wurden ihm Einladungen in Aussicht gestellt. Auch sein Onkel fand aus gezeichnete Aufnahme; er war ein Mann von Welt, hatte große Reisen gemacht und längere Zeit in Wien gelebt. Wie man sich zuflüsterte, war der Mann reich begütert, und die Ländereien, die er sein Eigen nannte, sollten nach Ouadrat- meilen zählen. Der Ruinüne hatte mit dem Legationssekretär und einigen anderen Herren an einein Ecktische Platz genommen, und war mit ihnen in ein lebhaftes Gespräch gerathen. Da tönte die anmeldende Stimme des Lakaien laut durch die gefüllten Räume: „Herr von Maloresku!" und gleich darauf wurde derselbe, am Arme seine Gemahlin, sichtbar. Der Sekretär warf einen Blick auf den Eingetretenen, - dann wandte er sich zu seinem Onkel. „Das ist unser Landsmann, von dem ich Dir bereits erzählte", sagte er leise, „ich werde Dich ihm nachher bei paffender Gelegenheit vorstellen." Der alte Herr lenkte seinen Blick nach den: Paare,. das langsam näher schritt, hier und da einen Bekannten begrüßend, einen Händedruck austauschend. Man sah, daß der Mann der Mehrzahl der Anwesenden bekannt war. —