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Angewandte Mimit und Physiognomit auf die Retouche. 101 Damit hat ihr Wissen aber and) fein Ende erreicht, b. h. auch sie wissen im Einzelnen nicht bie Bedeutung dieser Falten für den Gesichtsausdruc richtig zu schäzen, fie kennen mir einen allgemeinen Werth derselben, den fie in der „Verstimmung" fanden und demnach, ba fie auf den Portraits leinen verstimmten Gesichtsausdruc haben wollen, entfernen fie diese Falten ein» für allemal, ohne danac zu fragen, ob bie Falten ganz unabhängig von anderen Gesichtstheilen auftreten, also ob fie nicht noc in irgend einer anderen Be- deutung charakteristischsein tonnten! Hub wenn fie schlieszlich and) instinctiv bei einigen Wännerköpfen diese Falten rücksichtsvoller behandeln, wenngleic fie and) hier fein bestimmtes Masz für bie Behandlung haben, sondern ganz willfürlic verfahren, bei Frauenköpfen diese Falten ebenso rüctsichtsvoll zu behandeln, fällt ihnen gar nicht ein; hier steht ihnen mir bie „Verstimmung" vor Augen und deshalb wirb bie Stirn „glatt“ gemacht. Würden fie bie Entstehungsursachen dieser Falten kennen, fo würben fie wissen, dasz grauen ebenso geistreich, kränklic) und cholerisc angelegt fein können wie Männer und daß eine gälte mechanisc stets auf dieselbe Weise entstehen mus, unberücksichtigt, ob bie Haut einem Herrn ober einer Dame, ber Jugend ober dem Alter angehört. Ic kenne bie Ansichten verschiedener Männer ber Wissenschaft über bie Entstehungsursache dieser galten, bereu Kenntnisz uns befähigt, ben charakteristischen Werth derselben in jedem einzelnen gälte richtig zu schätzen, was ja für einen Retoucheur, ber sic ein höheres Ziel geftedt hat, als feine Negative blos mechanisc glatt 311 arbeiten, von gröszter Wichtigkeit ift; aber biefe Ansichten sind unter sic ebenso verschieden, wie fie unhaltbar sind für bie Erklärung des Auftretens dieser galten unter ben genannten verschiedensten Ulmständen, b. I). man vermag durc fie wohl ihr Entstehen in einem gälte, 3. B. im Born, 311 erklären, nicht aber gleichzeitig and) bie gälte, wo bie galten aus Srankheits- infamen und beim Dentproceß 311m Vorschein kommen. Eine sehr anschauliche und in ber That für alle gälte ausreichende Erklärung fand id) in dem Werke von Biderit „Mimik und Physiognomif". Die Erläuterungsweise Piderit’s veranlaßt