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Archiv für wissenschaftliche Photographie. I. Jahrgang. Heft 7. i. Juli 1899. Die Photographie und Photogrammetrie im Dienste der Denkmalpflege und das Denkmälerarchiv. Von Prof. E. Dolezal-Wien. I. ie Denkmalpflege gehört zu den schönsten und dankbarsten Aufgaben eines Kulturvolkes und verdient es in vollem Masse, dass ihr vom Staate, von verschiedenen Körperschaften und vielen Privaten die grösste Aufmerk samkeit entgegengebracht wird. Es bilden ja die meisten Denkmäler unvergängliche Gedenkzeugen ruhmvoller Vergangenheit, und darum sind sie vorzüglich geeignet, das Bewusstsein unserer Zusammengehörigkeit mit dem heimatlichen Boden zu wecken, zu fördern und lebendig zu erhalten. Ihre erzene oder steinerne Sprache treibt uns aber auch mächtig an, den grossen Thaten unserer Vorfahren nachzustreben, und immer be müht zu sein, das Erbe, welches sie uns hinterlassen, würdig zu verwalten. Ein intensives und ernstes Studium der Schönheiten, welche in den Denk mälern aufgespeichert liegen, wird aber auch viel zur Förderung des Fortschrittes in der Kunst beitragen. Die wahre Kunst war jederzeit bestrebt, aus den reichen Schätzen, welche die Vergangenheit in der Malerei, der Plastik, der Baukunst hinter lassen hat, neue Anregungen zu schöpfen, und dieselben mit den sich immer mehr und mehr entwickelnden Mitteln des technischen Könnens zu verarbeiten. Wir leben in einer Zeit, wo die Malerei, die Plastik und die Baukunst von einer mächtigen Bewegung erfasst sind, wo anscheinend die alten Bahnen der histo rischen Entwicklung verlassen werden und die Künstler ängstlich bestrebt sind, ihren Werken einen von der Tradition unbeeinflussten, individuellen Charakter aufzuprägen. Aber auch die neue Richtung muss, wenn auch vielleicht unbewusst, aus der Schatzkammer der Vergangenheit schöpfen, und sie sucht nur, das uralte Streben nach dem unerreichten Ideale in ein neuzeitliches Gewand zu kleiden. „Am guten Alten in Treuen halten, Am kräftigen Neuen sich stärken und freuen, Wird niemand gereuen.“ Dieser schöne, im Bremer Rathauskeller verewigte Spruch Emanuel Geibels trifft wohl die richtige Mitte in dem immer wieder sich erneuernden Streite zwischen den Alten und den Jungen. Darum bilden auch die wirklich künstlerischen Denkmale der aufeinander folgenden Stilperioden, so verschieden sie auch in der Auffassung, in der Ausführung ausgefallen sind, dennoch eine harmonische Kette, deren Ende in den Händen der hohen Göttin der Schönheit liegt. Zu den Denkmälern rechnet man alle Werke, welche für die Kunst, die Kulturgeschichte oder die nationale Entwicklung eines Volkes von irgend einer Be deutung sind und die charakteristischen Merkmale der Vergangenheit tragen.