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brütet einen geradezu unglaublichen Wirrwarr. Ins gesamt liegen also dem Reichstage folgende Steuer- Vorschläge zur Entscheidung vor: Branntweinsteuer, Tabaksteuer, Brausteuer, Weinsteuer, NackLaßsteuer, Erbrecht des Staates, Elektrizitäts- und 'Gassteuer, 8lnzeigensteuer. Parfünrsteuer, Lichtsteuer, Erhöhung des Kaffee- und TeezolleS, Streichholzstcuer, Mühlen- Umsatzsteuer, Ausfuhrzoll auf Kohlen und Koks, Kv- tierungssteuer, Umsatzsteuer, Wertzuwachssteuer. Erb anfallsteuer, Scheckstempel, Erhöhung des Effekten- stcmvels, Grundstücksumsatzstempel und Besteuerung der Jeuerversicherungspolicen. Es gibt, wie man hieraus sieht, kaum noch ein Objekt im Himmel und auf Erden, das nicht mit liebevollem Eifer auf seine Stenermöglichkeiten untersucht worden wäre. Aber gerade die Fülle dieser Prvjektmacherei labt es einiger maßen zweifelhaft erscheinen, daß bei den jetzt bevor stehenden Plenarberatungen ein positives Ergebnis erzielt wird. — (Unerhörte Mißstände im Submissionswesen.) Bei der engeren Submission für die Lieferung von Möbeln für das kaiscrliclw Reickispostamt am Pots damer Bahnhof zu Berlin wurden am 10. dieses Monats folgende Offerten abgegeben: Mäder :7676 Mart, Peschlow ->447 Mark, M. Fangauf 4720 Mark und Strasgcsängnis Tegel 2891 Mark. Tie Teilnahme des Strasgefängnisses an der Submission und die dabei geübte Schleuder« ist geradezu unerhört. Ter Herr Minister würde gut tun, der Direktion des Ge fängnisses deutlich zu machen, daß die Gefangenen arbeit nicht in dieser Weise als Konkurrenz für die freie Arbeit und das selbständige Unternehmertum aus den Markt geuwrseu werden darf. — (Ter Fall Hammann? In Sachen des Wirk lichen Geheimen Legationsrates Tr. Hammann, des zur Zeil beurlaubten Leiters des Prcßbureaus im »Auswärtigen Amt, hat jetzt die Beschlußkammer des Landgerichts 1 Berlin in Uebcreinstimmung mit der Borentscheidung des Kammergerichts angeordnet, daß die öffentliche Anklage zu erheben ist, und zwar wegen der Beschuldigung, daß Hammann am 17. Oktober 1903 vor dem beauftragten Richter der vierten Zivil kammer des Königlichen Landgerichts Berlin 2 wissent lich ein falsches Zeugnis mit seinem Eide bekräftigt habe. (Bergehen gegen Paragraph 1 >4 des Straf gesetzbuches. Tie Staatsanwaltschaft halte auch dies mal beantragt, das Verfahren einzustellen. Tas falsche Zeugnis soll Geheimrat Hammann bei der Vernehmung über die vernlögensrechtlick>en Ansprüche des Pro fessors Bruno Schmitz abgelegt haben. — «Widerstand der Aerzte? Auch die Aerzteschast Westfalens erklärte gleich den Leipziger Kollegen den Entwurf der Rcichsversicherungsordnung für unan nehmbar und stellte für den Fall seiner Annahme Unterbrechung ihrer Tätigkeit in Aussicht. Aus Nah und Fern. Lichtenstein, den 16. Juni 1909. * — Die Wettervorhersage für morgen lautet i Nordostwind, Bewölkungszunahme, kühl, trocken. * — Stnhttzav: Wasserwärmc heute 17" C. * Eine außerordentliche Hauskollekte in sämtlichen evangeliselz-lutheriichen Gemeinden des Lan des für die Zwecke der Heidenmissivn ist vom Mi nisterium des Innern bewilligt worden. Das Mi nisterium lmt damit in dankenswerter Weise an den Tag gelegt, daß es den Wert der Missionsarbcit hoch cinschätzt. „Zirkusleute". Roman von Karl Muusmavn. Einzige autorisierte Uebersetzung. 13. .... —. . Nachdruck verboten Darauf vereinbarte er mit einem anderen, einem weniger Klugen, daß er eines Abends, wenn der Zirkus voller Menschen war, aus die Galerie gehen und dort „Feuer! Feuer!" rufen sollte. Während alle in wilder Hast auf die Ausgänge zustürzten oder sich bemühten, das Publikum zu be ruhigen, wollte der kluge Kopf die passende Gelegen heit wahrnehmen und sich in den Besitz des Geldes setzen." „Gab der Kluge dem anderen auch etwas ab?" „Jawohl! Aber nicht so viel, als er selbst be kam." „Liefen sie denn aber keine Gefahr bei diesem Unternehmen?" „Nein. Derjenige, der „Feuer" rief, behauptete, daß er plötzlick einen Brandgeruch wahrgenommen und im guten Glauben Feuer gerufen habe und der, der das Geld nahm, war entweder nicht gesehen worden, oder er spielte den Retter der Geldsumme, die sonst bei dem Feuer unweigerlich von den Flammen ver schlungen worden wäre." Nach diesen Worten saßen die beiden noch eine Zeit lang schweigend da, dann zahlten sie und gingen, während der „Cardinal" sich erhob und ihnen zum Abschied zuries: „Pax vobiscum!" * * * 7. Kapitel. Große Zettel vor dem Fliegenden Zirkus teilten mit, daß die Direktorin Frau Fürstin Ratefski heute ihren Ehrenabend hatte. GrirSOKiWe »er »ircheukollekte« i» G»Me». Die Erträgnisse- der für Zwecke »der evan- gelisch-futh ,rifch«n LandHkivche ungeordneten Kirche» kollekten sind nach dAr Ausweis des neuesten statistischen Jahrbuches Mr das Königreich Sachsen seit dem Jahve 1894 bis 1906 langsam, aber doch nahezu stetig gewachsen, und zwar vsn 132119 Mark im ersteren auf 198912 Nhrrk im letzteren Jahre. Das Jahr 1907 dagegen zeigt leider, trotz seiner guten wirt schaftlichen Verhältnisse, wieder einen Rückgang des jährlichen Kollektenertrages; denn die Gesamtsumme derselben belief sich in diesem Jahre nur auf 180 878 Mark. *— Eine« A«Sft«g «ach A«e zum Besuche des dortigen Gastwirtstages unternahm heute der hiesige Gastwirtsverein unter zahlreicher Beteiligung. *— RhabarberblLtter sind giftig, weil sie, was nicht allgemein bekannt ist, Oxalsäure enthalten, deren Genuß unter Umständen sehr nachteilige Folgen haben kann. In Jhlfeld erkrankte eine Familie, die anstatt der Stengel des Rhabarbers die Blätter spinatartig gekocht und genossen hatte. L Unsere geschätzten Inserenten bitten ? M wir hierdurch höflichst M . : ptiam Ärmte s B bis zum Betrage von Mark 1 — bei > deren Aufgabe möglichst sofort zu ? M bezahlen. — z kMi WMiLMüB. » L?" *— Einziehung alter und Herstellung neuer Zehnmarkscheine. Schon seit längerer Zeit werden in der Reichsdruckerei Versuche mit der Herstellung eines neuen PapiereS gemacht, das zur Ausgabe neuer Zehnmarkscheine dienen soll. Die im Frühjahr l908 verausgabten Kassenscheine zu 10 Mark haben sich im Verkehr nicht bewährt, da sie die unbedingt nötige Widerstandsfähigkeit gegen Risse und Knicke nicht be sitzen. Tas Reichssctwtzamt hat sich daher entschlossen, Versuche mit neuem Papier anstelle« zu lassen, damit die besonders defekten Scheine nach und nach ans dem Verkehre gezogen werden können. Tie bisherigen Versuche haben zu einem allen Anforderungen ge nügenden Resultat noch nicht geführt. Es ist aber Aussicht vorhanden, daß die ununterbrochenen Ver such« der Reichsdruckerei in nicht zu ferner Zeit zu einem Erfolge führen werden. S. E. K. Falschmünzerei. In vielen Blättern sah man in der Pfingstzeit ein Bild: „Dje Religionen der Erde". Nach diesem Bilde wäre die stärkste Reli gion der Buddhismus, der als Riese abgebildet und mit 460 Millionen, das sind 29,3 Prozent der Ge samtbevölkerung der Erde abgegeben war. Neben diesem Riesen sahen die Christen, dargestellt in drei Figuren, dem evangelischen Geistlichen, dem griechjsck katholischen Popen und dem römisch-katholischen Priester, klein aus. Aber diese Gegenüberstellung des einen Buddhisten und der drei Christen ist Falsck- Das Haus war bis auf den letzten Platz ansver kauft. Der Zirkus war in Veranlassung des Tages beson ders hell erleuchtet. lieber dem Orchester strahlten mächtige Gassonnen und warfen ihr Licht aus den Baldachin, unter dem die Musikkapelle spielte. Dolinda war schon einmal drinnen gewesen. Als sie die Manege betrat, schleppten die Diener eine Unmenge von Blumenkörben und Kränzen hinein, die später die Garderobe füllten, so daß man nur mit Mühe durch den duftenden Flor von Rosen und Flieder, Veilchen und Kamelien vorwärts kommen konnte. Der Ehrendienst wurde heute von Damen in ele ganten Kostümen mit Kniebeinkleidcrn besorgt- Selbst die Kontrolleure waren durch kleine, liebliche Munizi palgardistinnen ersetzt, die'vor den Besuchern stramm Honneur machten und ihnen ihre Plätze anwiefcn Die hübschesten Balletteusen waren für diesen Dienst aus gesucht und viele Augen und Ferngläser ruhten auf den frischen, koketten Amazonen. , Die Fürstin Ratefski hatte wie gewöhnlich von ihrem Geschäftsführer die Abrechnung entgegengenom men und das Geld in ihrem inneren Boudoir aus den Tisch gelegt. Sie saß jetzt selbst vor einem großen Spiegel und vollendete ihre Toilette, in der sie in ihrer Loge erscheinen wollte, um den neuen Debütanten arbeiten zu sehen. Sie war neugierig darauf, wie er seine Sach« wohl machen würde. Während sie sich im Stuhl zurücklehnte und sich im Spiegel betrachtete, glitt ein selbstzufriedenes Lächeln über ihren Mund. Es schieß wirklich, als würde sie nie älter, sondern als bewahre sie immer «loch ihr jugendliches Aeußers. Auf dem Sattelplatz stand ein Herr im Frack und mit einem Mvn-okchl im Auge, während er sich mit münzerei. Sie erweckt den Eindruck, als seien die 460 Millionen des Buddhismus ein-, die SM Ml-, lionen Christen aber dreierlei. Aber sch»« ei« Mick in das Konversationslexikon lehrt, daß tztr. Buddhis mus durchaus nicht eins ist, sondern es in ihvkgrößere Unterschiede gibt, als »wischen evangelischen, römisch- katholisch«! und griechisch-katholischen Christen. Stellte man also die verschiedenen Richtungen des Christentums in Einzelpersonen dar, so müßte man! auch den nördlichen und südlichen Buddhismus, di« große uud kleine Eorriore (Mahayana und Hinahana) in Einzelpersonen darstellen. Tatsächlich ist daN Christentum schon heute dem Buddhismus um 100 Millionen (SM Millionen Christen, 460 Millionen Buddhisten- überlegen. Brunndützra. (Großseuer.) Ter bekannte Gast hof „Grüner Baum" mit Saal ist total niedergebrannt. Die Brandursache ist unbekannt. Ehemnitz. (Verhafteter Defraudant.) Der aus Meerane gebürtige, 22 Jahre alte Expedient Seyfert von der Superintendentur Chemnitz 2 (Schloß), der in seiner Stellung im Laufe der Zeit Unterschlagung«« in der Höhe von 1100 Mark begangen hatte, ist vo« der Kriminalpolizei verhaftet worden. Das unter schlagene Geld hat er alles durchgebracht. Der Ver haftete stellte sich der Polizei selbst. Erojtendorf i. E. (Feuer.) Das im UlUerdorf« gelegene Friedrich Hungersche Bauerngut, bestehend- aus Wohngebäude, Stall und Scheune, ist total nieder gebrannt. Vielfach wird Brandstiftung angenommen!. Frankenberg. (Königsbesuch.- Der Besuch Fran kenbergs durch den König wird nunmehr bestimmt am Freitag, den 2. Juli, srattfinden. Glaucha«. (In die Falle gegangen.) Auf dem hiesigen Güterbahnhofe trieb seit einiger Zeit licht scheues Gesindel sein Unwesen. Ten behördlichen Be mühungen ist es gelungen, das vierblätterige Kleeblatt zu ermitteln und drei davon in Haft zu nehmen. Es handelt sich um junge Bürschchen im Alter von. 19 bis 21 Jahren, und zwar stammen zwei von ihnen namens Müller und Böhme aus Glauchau, die an deren beiden, Singer und Schmidt, aus Voigtlaide, bezw. Rothenbach. Nach längerem Leugnen gaben die hoffnungsvollen Früchtchen auch zu, ins Röthenbacher Schützenhaus eingebrochen zu seiu und einen Schrank daraus entwendet zu haben, mit dessen Hilfe sie sich hinter dem Schießstande ein häusliches Lager ein richteten. Gröba. (Wahlfälschcr.» Gegen mehrere Einwohner in Gröba, welclw im Verdachte stehen, sich an den letzten Gemeinderats-Ergänzungswahlen beteiligt zu haben, trotzdem sie gewußt lwben, daß sie als Nichtsachse» keine Wahlberechtigung besitzen, ist das Strafverfahre« wegen Wahlfälschung eingeleitet worden. Lugau. (Ans Anlaß des 2>nährigen Jubiläums der ersten und zweiten Kompanie der hiesigen freß« willigen Feuerwehr schenkte die Familie Facius hie« 1ö00 Mark. Tas Feuerwehr-Ehrenzeichen mit Ehren diplom erhielt u. a. Ehrcnhauvtmann Heinrich Hertel, der seit über 40 Jahren der Feuerwehr angehört. Marienberg. (Flngmasckine.) Der Posamenten- fabrikant Martini in Kühnheide, der im Verein mit dem Ortsschmied im vergangenem Winter an der Kon struktion eines Motorschlittens arbeitete und auch Prak-, tische Resultate erzielte, arbeitet gegenwärtig an der Herstellung einer Flngmasckine, die durch,nenschlich« Kraft nach dein Prinzip des Fahrrades in Bewegung einer Seiltänzerin unterhielt, die einen Rock über di« Schultern geworfen hatte und ihre kleinen Schuhe i« einer auf der Erde stehenden Kiste kreidete. Hugo, der nach ihr auftrat, war schon fertig. Sein« schlanke, frischt Gestalt war trotz seiner jungen Jahr« voll entwickelt. Er l-atte eine ausgezeichnete Jockeifigur, richtig« Springbeine, deren elegante Formen von den starke», strammsitzenden Beinkleidern noch gehoben wurde«. Seine Jacke war ans blauer Seide, und unter der: kleinen Jockeimütze, die hinten über in den Nacke« geschoben war, blickten seine schönen Augen scharf und aufmerksam hervor. „Es ist ein hübscher Junge", sagte der Herr mit dem Monokel zu der Seiltänzerin, während er eine« Blick ans Hugo wars, dessen Pferd gerade vorgeführt wurde. „Ja, er ist süß, der kleine Kerl", sagte die Sell4 tänzerin mit einem zärtlichen Ton in der Stimme. „Sic sollen sehen, er wird schon sein Glück bei de« Damen machen." Unten im Reitgang tauchte in diesem Augenblick. am Atzfgange zur Galerie die „Krähe" aus. Der Ringkämpfer kam die Treppe herunter und die beide« fingen an, sich im Flüsterton zu unterhalten. Als di« „Krähe" Hugos ansichtig wurde, sagte er: „Heute tritt der Schlingel zum ersten Male auf« Wir ivollen einmal sehen, ob wir ihm die Supp« nicht versalzen können. Aber komme jetzt mit dort hinüber. Wir sind dort ungestörter." Beide betraten einen großen Raum, in dem dm- jenigen Requisiten und Dekorationen, die an d«« Abend nicht gebraucht wurden, aufgespeichert läge«, Es war «in dunkler, niedriger, mit Kisten, Rolle« und allerlei anderem Material angefüllter Ran»« Nachdem die Krähe die Tür hinter sich geschlosst!« hatte, begann er: „Du hast doch wohl alles gut verstanden?" - ?