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No. 10. LEIPZIGER MONATSCHRIFT FÜR TEXTIL-INDUSTRIE. 439 holenden Muster selbst die Bilder ersetzen. Unsere Modekrankheit liegt in der Ueber- reizung: „Pfeffer und Salz gehören zum Salat, aber sie ersetzen ihn nicht.“ Naturalismus also, wo er hingehört und zwar zur Verfeinerung und Bereicherung, nicht aber als Ersatz der Stil-Ornamente. Es sollen allegorisch „Natur und Kultur“ Hand in Hand gehen; es ist thöricht, sie als feind liche Schwestern zu bezeichnen. Eingehender als ursprünglich beabsichtigt, habe ich das Wesen der Ornamentik geschildert. Nicht die Polemik, sondern der Wunsch, den werthen Herrn Kollegen, meine Studien und Erfahrungen mitzutheilen, um dadurch der Gesammt-Kunstindustrie zu nützen, war mass gebend. Viele greifen sich an, weil sie sich zu wenig kennen und die höheren Ziele eine Weile vergessen. Schaffe Jeder sein Bestes zur Ehre der deutschen Kunst! in der die Der Cementbau bei Fabrikanlagen der Textilindustrie. er Cementbau ist im Dienste der Textilindustrie zu grosser Be deutung gelangt und dürfte der nachfolgende Aufsatz für unsern Leserkreis gerade um diese Zeit, Projecte für nächstjährige Neu ¬ bauten Hand und Fuss gewinnen, von Inter ¬ esse sein. Der Gement- oder Betonbau stellt keine neue Erfindung vor, wie des öfteren irrthümlich angenommen wird; vielmehr ist das Entstehen dieser Bauweise in das graue Alterthum zu- rückzudatiren. Bis zu Anfang dieses Jahr hunderts hat man sich nicht erklären können, wie es möglich gewesen sei, bei dem Errichten der Pyramiden in Egypten so grosse Blöcke zu handhaben, während die Wissenschaft in der Neuzeit festgestellt hat, dass dieselben aus einem, dem Beton ähnlichen, Conglomerat hergestellt wurden. Eine interessante Be stätigung des Alters der Betonbaukunde er gab auch in diesen Tagen die Aufdeckung der Ueberreste eines römischen Hauses in Köln, welche durch Anlage einer neuen Strasse herbeigeführt wurde. Die noch vorhandenen Spuren des aufgehenden Mauerwerks lassen den Grundriss mehrerer verschieden grosser Räume erkennen, deren Boden aus Ziegelbeton gebildet ist. Zwei Räume kleinster Abmes sung scheinen die Heizkammern gewesen zu sein, in welchen durch Verbrennung von Holz kohle diejenige Wärme erzeugt wurde, die unter dem hohlen Fussboden hindurch und durch die mit Hohlziegeln verkleideten Wände geleitet wurde. Der Fussboden der einen Kammer, welcher an der Nordostseite des Hauses in sehr gut erhaltenem Zustande ge funden wurde, ist in der sorgfältigsten Weise durch Schichten aus Ziegel- und Basaltbeton auf gestampftem Lehm fundirt. Eine, auf starker Betonunterlage oval angelegte Bade einrichtung ist ebenfalls vorhanden. Nahebei fand man verschiedene Schmucksachen, sowie die Münzen eines christlich-römischen Kaisers, und dieser letztere Umstand, wie auch die Art der baulichen Ausführungen, machen es wahrscheinlich, dass man es hier mit einer Anlage aus der spätrömischen Zeit zu thun hat. Die alten Betonmassen weisen einen ausser ordentlichen Härtegrad auf und ist deren Wetterbeständigkeit als einzig dastehend be zeichnet worden. Die Erfahrungen, welche die seit mehre ren Decennien in vielen Culturstaaten wieder aufgelebte Betonbaukunde gesammelt hat, be wiesen auch zur Evidenz, dass diese überaus stabile und handliche Bauweise nicht nur anderen Bauarten ebenbürtig, sondern zum grössten Theile auch überlegen ist. In erster Linie kommt die Festigkeit des Betons in Betracht, wofür nachstehende Zahlen, welche durch Versuche ermittelt wurden, sprechen: Druckfestigkeit (Zerdrückun gsgewicht). Gewöhn!. Ziegelmauerwerk, 3 Monate: Kalkmörtel 1, Sand 2 Theile 73—83 kg, Ziegelmauerwerk, 3 Monate, Cementmörtel 1, Sand 6 Theile 86—123 „ Cementbeton, erst 28 Tage, davon 27 Tage unter Was ser, in Mischung: 1 Portlandcement, 2 Sand, 3 Kies 196,2 „ 1 Portlandcement, 2 Sand, 5 Kies 170,5 „ 1 Portlandcement, 3 Sand, 5 Kies 111,6 „ Darnach ist einer Betonconstruction ad minimum 33 1 / a °/ 0 Beanspruchung mehr zu- zumuthen, wie dem gewöhnlichen Mauerwerk bezw. kann derselbe Procentsatz im Volumen gespart werden, welch’ letzterer Umstand die jeweilige Bausumme- erheblich reducirt. Unbeschadet seiner Anwendung wider steht der Beton den Einflüssen von Wind und Wetter, wie er auch gefeit ist gegen Oel und die meisten Säuren. Auch nach dieser Richtung hin sind werthvolle Ergebnisse zu verzeichnen, welche von der Anwendung des Betons im practischen Leben herrühren. Durch häufige Prüfung der Canalgewässer in Städten mit und ohne Industrie ist ermittelt worden, dass diese Abwässer in ihrer Beschaffenheit grosse Zerstörung von Canalbaumaterial be wirken können. Die englische Metropole, London, welche den ersten Betoncanal baute und zwar im Jahre 1865, liefert sehr inter essante Gegenüberstellungen. Darnach waren die Rohrstränge aus Beton nahezu unversehrt, während an einem anderen Canal aus Ziegel mauerwerk die Ziegelsteine ca. 10 cm tief zerstört waren und die Cementmörtelfugen als Rippen sehr wenig beschädigt vortraten. Es wurden diese Stellen mit Cementbeton aus gebessert. Solcherlei Beispiele könnten hier in grosser Reihenfolge angeführt werden, worauf aber wegen Raummangel verzichtet werden muss. Jedenfalls erhellt aus diesen Ausführungen und aus den weiteren Beobachtungen, welche man über Betonbauten während eines Viertel jahrhunderts machen konnte, zur Genüge, dass die Betonbaukunst noch tiefeinschneidende Umgestaltungen in unserem Bauwesen hervor bringen wird. Bei den Errichtungen von Spinnerei- und Webereibauten der letzten Jahre hat Cementbeton bereits ausgedehnte Verwendung gefunden und sind derart mustergültige An lagen in Leipzig, Gera, Osterrath u. s. w. zu sehen. Laut neuester Brochüre (wir glauben, dass solche auf Verlangen den Interessenten gratis zugestellt wird. D. Red.) gebührt das Hauptverdienst um Schaffung solcher Anlagen der „Gesellschaft für Betonbau Diss & Co.“ in Düsseldorf, welche u. A. das bekannte Etablissement der Gera-Greizer Kamm garnspinnerei in Zwötzen bei Gera bedient hat. Dieser Bau musste, um ihn der Gefährdung durch Hochwasser zu entziehen, durchschnittlich 1 m 60 cm über Geländehöhe gelegt werden, so dass man genöthigt war, den Arbeitsboden entsprechend hoch aus Ge wölben herzustellen. Im Hauptspinnsaal ruht dieser Boden auf 950 Pfeilern nebst 480 Gurt bögen und hat eine Fläche von rund 12 000 qm. Sämmtliche Theile des Arbeitsbodens sind aus Cementbeton hergestellt und ebenso das flache Dach. Der Bedarf an Beton belief sich nur auf 6000 cbm. Weitere Atteste von hervorragenden Fir men, welche den Cementbau in ihren Spin nereien, Webereien oder Färbereien er probt haben und empfehlen können, sind ebenfalls zur Hand. Die stahlharte Oberfläche der Betonböden ist fast unverschleisslich und weisen selbst die frequentirtesten Stellen, wo Bobbinen- oder andere Wagen mit schmiedeeisernen Rädern verkehren, in Jahren keine Abnutzung auf, woraus des Weiteren resultirt, dass sol cher Belag staubfrei ist. In hygienischer Hinsicht und in Bezug auf Feuersicherheit vereinen Cementbetonconstructionen alle Vor theile in sich. Das innige, compacte Wesen der Masse verhindert das Eindringen von Oel und sonstigen Flüssigkeiten, wodurch die stets wünschenswerthe Sauberkeit naturgemäss be dingt ist. Last not least spielt die Finanzfrage eine Rolle. Wenn einerseits im Laufe der Jahre die Erzeugnisse unserer Textilindustrie erheb lich im Preise heruntergingen, so war und ist man andererseits gezwungen, solche Ausfälle durch billigste Herstellung der Neuanlagen etc. wett zu machen: und dazu bietet eben der Betonbau die Hand