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Gewöhnlich wird nun behauptet, das Martinmaterial habe vor dem Thomas-Metall einen grund sätzlichen Vorsprung deswegen, weil im Martinofen nach Beendigung der Oxydation Zeit genug zur Nachbehandlung des Stahls vorhanden sei, während sie dem Thomasprozesse fehle, da bei diesem die Desoxydation in der Stahl-Pfanne vorgenommen würde, wobei die verschiedenen Diffusions-Ge schwindigkeiten der zugesetzten Elemente noch dazu beitragen, die ungleiche Zusammensetzung zu erhöhen. Dieser Vorwurf ist ebenfalls durch die Praxis längst widerlegt worden; heute arbeitet nämlich kein Thomaswerk mehr nach diesem Rezepte; vielmehr ist die Notwendigkeit, so zu verfahren, von den Stahlwerkern mit Recht dem Talbot-Verfahren als seine schwächste Seite vorgehalten worden. Erklären läßt sich die Hartnäckigkeit, mit der die Behauptung sich erhält, nur damit, daß ihreUrheber seit Jahren keinen geordneten Thomasbetrieb mehr gesehen haben. Da bekanntlich bei diesem Prozeß die höchste Wärme-Entwicklung sich auf das letzte Stadium erstreckt, so bietet die hierbei gegebene Temperatur-Steigerung eine äußerst günstige Handhabe, dem fertig geblasenen Stahl eine ganze Reihe von Minuten zum Ausreagieren Zeit zu geben. Zunächst wählt man für den Ferromangan-Zusatz den Augenblick, in dem das Abgießen der Schlacke beendet ist, denn während der Zeit, die diese Manipulation erfordert, scheiden sich infolge der Temperaturerniedrigung schon eine Reihe von Sauerstoff-Verbindungen aus dem flachen Bade aus, und man kann damit der Zeit eine Reaktion überlassen, für die man sonst das teure Ferro mangan benutzen müßte. Das Wesentlichste ist nun, daß man nach dem Ferromangan-Zusatz die Charge im Konverter so lange ausreagieren läßt, als es die Umstände irgend erlauben, wofür man bei entsprechender Führung der Charge 7 bis 8 Minuten in Ansatz bringen kann. Während dieser Zeit haben Gase, Seigerungsprodukte und Sauerstoff-Verbindungen eine äußerst günstige Gelegenheit, sich aus dem Metall auszuscheiden, da das Bad in dem horizontal gestellten Konverter sich auf eine große Fläche verteilt und die Badhöhe dabei außerordentlich niedrig ist. Zweifellos ist es ein ganz besonderer Vorzug des Thomasverfahrens, daß man das Stahlbad unter der in dieser Periode sehr dünnen Schlackendecke, die noch dazu an ihrer Oberfläche erstarrt und daher zu weiterer Sauerstoff-Uebertragung ungeeignet geworden ist, ohne alle Wärmezufuhr sich selbst überlassen kann, während man im Martinofen dauernd Wärme zuführen muß und dabei bekanntlich immer mit dem Umstande zu rechnen hat, daß durch die flüssige Schlacke stets neuer Sauerstoff in den Stahl eingeführt und ein Teil der Zuschläge verbrannt wird. Die Erfahrung vieler Jahre hat bewiesen, daß man bei dieser Behandlungsweise auf das früher allgemein übliche Gießen auf dem Ge spann verzichten kann, da man die hiermit verbundene Absicht schon vorher im Konverter verwirk licht hat. Auch nach dieser Seite hin erfüllt also das basische Windfrisch-Verfahren alle billigerweise zu stellenden Ansprüche. Auf die Ausscheidung des Schwefels wirkt die Vereinigung des Roheisens aus so viel Hochöfen in einen Behälter natürlich auch außerordentlich fördernd ein. Die Fortschritte, die heute durch die dauernd gesteigerten Ansprüche an die Qualität des Stahles erreicht sind, können gar nicht besser illustriert werden als durch die Tatsache, daß allein die Lothringen-Luxemburgischen Stahlwerke jährlich weit über roo ooo t Platinen als Ausgangsmaterial zur Weißblech-Fabrikation exportieren, bei der es sofort Anstände gäbe, sobald der Schwefelgehalt 0,05 oder 0,06 erheblich überstiege oder der Stahl im geringsten Neigung zur Blasenbildung hätte. Während K i n t z 1 e in seinem Vortrage im Jahre 1897 einen Schwefelgehalt von 0,2 % im Stahl noch als zulässig bezeichnet hat, werden heute Roheisen - Abstiche mit mehr als 0,2% Schwefel wohl auf allen Werken gar nicht mehr in den Roheisenmischer gebracht, sondern zu festen Masseln vergossen und wieder umge schmolzen. Die Hochöfen unseres Bezirks, die auf direkte Konvertierung arbeiten, liefern alle ein Roheisen, dessen Schwefelgehalt 0,15 % nur in Ausnahmefällen erreicht, so daß das Mischereisen sich normalerweise weit unter 0,1% hält. Die Wirkung des Mischers hängt ab: 1. von seiner Temperatur, die ihrerseits wieder durch das Verhältnis des Fassungsvermögens zum täglichen Durchsatz-Quantum bedingt ist, und 2. davon, ob die Luft genügend Zutritt zur Schlacke hat, damit das gebildete Schwefelmangan zu schwefliger Säure oxydiert werden, und das hierdurch freigewordene Manganoxydul wieder Schwefeleisen zerlegen kann. Von dieser Wirkungsweise des Mischers kann man sich leicht überzeugen, wenn man einmal einen Birnenmischer während längerer Zeit so abschließt, daß die Luft praktisch keinen Zutritt mehr findet. Man erkennt dann sehr bald, daß die Ent schwefelung erheblich zurückgeht, auch wenn die Schlacke flüssig geblieben ist. Es scheint mir daher auch nicht richtig, daß die Mischer in unserem Revier mit Generatorgas geheizt werden, denn erstens ist es bei den heutigen Produktionen tatsächlich unnötig und zweitens könnte bei reduzierender Flamme die Entschwefelung, also die wichtigste Funktion des Mischers, leiden. Wir kommen nun zu der Wirtschaftlichkeit des Thomas- und des Erzfrischverfahrens, eine Frage, die besonders Dichmann in seinem wertvollen Buche „Der basische Herdofenprozeß’‘ *