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1322 Stahl und Eisen. Zum heutigen Stande des basischen Wind frischverfahrens in Deutschland. 30. Jahrg. Nr. 31. scheint mir der glücklichste der zu sein, der dem Oberingenieur Vogel in Dillingen unter Nr. 21 322 patentamtlich geschützt worden ist. Hierbei wird außer den Windkanälen in der Mitte des Bodens ein kreisförmiger Hohlraum angeordnet, der beim Brennen als Feuerkanal dient, so daß eine gleich mäßige Wärmezufuhr nach den inneren und äußeren Teilen des Bodens gewährleistet wird. Nach dem Erkalten des Bodens wird die kegelförmige Aussparung mit frischer Mischung ausgefüllt und im Konverter gargebrannt. Auf diese Weise erzielt man einen durch und durch festgebrannten Boden, ohne Brenndauer und Intensität über Gebühr steigern zu müssen. Zur Erzielung dieser Resultate in der Haltbarkeit ist neben der richtigen Wahl der Rohstoffe und ihrer Mischungsverhältnisse vor allem förderlich gewesen die Verwendung der Preßluft zum Hinter stampfen der Konvertermauerung, die übrigens auch zum Ausstampfen der Stahlpfannen mit feuer festem Sand vorteilhaft benutzt wird und dazu beigetragen hat, die bisherige mittlere Haltbarkeit von 25 Chargen, die auf eine Ausmauerung zu rechnen waren, bis auf 50 und selbst 60 zu steigern. Wenn wir nun erwägen, auf welche Teile Deutschlands sich heute die Thomas-Stahlwerke ver teilen, so finden wir, daß diese Industrie auf zwei verschiedenen Grundlagen beruht. Im rheinisch westfälischen Industriebezirk nämlich, ebenso wie an der Saar und in Oberschlesien bildet heute die Kohle die Grundlage der schweren Eisenindustrie, während sie am Nordabhange des Harzes, in Ober franken und in Lothringen-Luxemburg sich unmittelbar auf dem Erz aufbaut. Ursprünglich hat in den drei zuerst genannten Gebieten ebenfalls lokales Erzvorkommen den Anstoß zur Begründung der Eisenindustrie gegeben. Da sich jedoch sehr bald herausstellte, daß diese Vorkommen in Rhein land und Westfalen den Ansprüchen einer technisch voranschreitenden Eisenindustrie weder der Beschaffenheit noch der Menge nach genügen konnten, so ergab sich die Notwendigkeit, Eisenerze oder Roheisen in großem Maßstabe von der Lahn und der Dill, später aus England und Spanien, schließlich aus Schweden und Lothringen-Luxemburg herbeizuschaffen. Anfänglich wurde in allen Thomas-Stahlwerken das Roheisen im Kupolofen umgeschmolzen, und die Gattierung dieses Rohmaterials bildete eine der wichtigsten Aufgaben des Ingenieurs. Nach dem man hieraus gelernt hatte, welches Roheisen den Anforderungen des Thomasprozesses am besten genügt, ging man dazu über, das Roheisen direkt ohne Umschmelzung zu verarbeiten und kam hierbei bekanntlich sehr schnell auf den Gedanken, den Stahlwerksbetrieb von dem des Hochofens dadurch unabhängiger zu gestalten, daß man zwischen beide den Roheisen-Mischer einschob. In Rheinland und Westfalen hatte diese Erkenntnis zur Folge, daß die reinen Stahlwalzwerke •sehr bald verschwanden und das gemischte Werk zur Regel wurde, in dem die Hitze des flüssigen Roh- -eisens ausgenutzt wird bis zum Auswalzen von Schienen, Halbzeug und gröberem Stab- und Form eisen. Die heutigen Thomas-Stahlwerke des Bezirks arbeiten alle nach diesem Grundsatz bis auf eine einzige Ausnahme, die das Stahlwerk der Gelsenkirchener Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft in Rothe Erde bei Aachen bildet, dessen Bau der Jünkerather Gewerkschaft übertragen war, die auch ■die Liebenswürdigkeit besessen hat, mir die Pläne zur Verfügung zu stellen. Während die übrigen alle den Kupolofen nur haben bestehen lassen, um das in den Sonntag-Stillständen fallende Roheisen umzuschmelzen, hat dieses Werk ganz auf den Vorteil der Verwendung von Hochofen-Gasen verzichtet und sich darauf eingerichtet, sein Roheisen wie bisher von den etwa 211 Kilometer weit entfernten Luxemburger Hochöfen zu beziehen und an Ort und Stelle umzuschmelzen. Die früher in dem Gat- tieren beruhenden Schwierigkeiten und Mehrkosten hat man hier in sehr geschickter Weise dadurch umgangen, daß man den Roheisen-Mischer auf die Hochofen-Anlage gebaut hat, wodurch man immer ein Eisen von fast gleicher Zusammensetzung erhält. Die bedeutenden Fortschritte, die die Verwendung der Hochofen-Gase zum direkten Antrieb der Maschinen in die Hütten-Technik gebracht hat, haben den Schwerpunkt der Großeisen-Industrie in immer verstärktem Maße in die Erzbezirke verschoben, und wir sehen daher, daß heute schon der Anteil der lothringisch-luxemburgischen Stahlwerke an der gesamten Stahlerzeugung aller im Stahl- werksverbande vereinigten Werke etwa 19% beträgt. Die Transportkosten spielen hier sowohl für das Rohmaterial wie für die Fertigprodukte die Hauptrolle, und da man zur Fabrikation von 1000 kg Roheisen aus etwa 30 %igem Erz rund dreimal soviel Erz gebraucht als Koks, so leuchtet ein, daß allein schon dieses Verhältnis genügt, um die Eisenindustrie von der Kohle zum Erz zu verlegen. In Oberschlesien liegen unter den genannten Bezirken die Verhältnisse für den Thomasbetrieb am wenigsten günstig, da man auf den Bezug südrussischer und schwedischer phosphorhältiger Erze angewiesen ist. Es läßt sich daher wohl voraussagen, daß dort der Thomasprozeß in absehbarer Zeit dem Roheisenerzprozeß wird Platz machen müssen. Hier bietet nämlich das Erzfrischverfahren den Vorteil,* „daß man den Phosphorgehalt des Roheisens niedriger halten kann als es das Thomasverfahren gestattet, ohne auf den Vorteil verzichten zu müssen, den die Gewinnung der Phosphorschlacke ge währt.“ Nimmt man hinzu, daß der Thomasbetrieb dort unter zu hohen Silizium-und Mangangehalten * C. Dichmann: Der basische Herdofenprozeß. Berlin 1910.