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21. April 1909. Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. Stahl und Eisen. 589 beamten als auch durch die technischen Gruben- beamten in einer Weise geführt, daß sie selbst im Auslande als eine mustergültige bezeichnet wird. Die „Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl industrieller“ hält darum die Einführung besonderer Sicherheitsmänner nicht für notwendig, erachtet sie vielmehr im Hinblick auf die Dis ziplin, auf die Sicherheit des Grubenbetriebes und auf den sozialen Frieden zwischen Beamten und Arbeitern für gefährlich. Sollte gleichwohl der Landtag aus Rücksichten auf „psychologische Gründe“ diese Einrichtung gutheißen, so dürfte dies nach Ansicht der Nordwestlichen Gruppe nur unter der Bedingung geschehen, daß 1. Sicherheitsmänner nur für solche Gruben angestellt werden, auf denen die Mehrheit der Arbeiterschaft sich für die Einführung ausspricht; 2. die Sicherheitsmänner verpflichtet werden, alle zu ihrer Kenntnis kommenden Ueber- tretungen bergpolizeilicher Vorschriften in das Fahrbuch einzutragen und für jede bewußte Unterlassung solcher Meldungen sowie für Falschanzeigen zur Verantwor tung gezogen werden; 3. die Grubenbefahrung durch die Sicherheits männer nur in Begleitung eines Gruben beamten stattfinden darf, weil nur hierdurch ein objektiver Bericht über den Befund gewährleistet- wird; 4. die Sicherheitsmänner nicht Mitglieder der Arbeiterausschüsse sein dürfen; 5. das Kündigungsrecht des Unternehmers un beschränkt bleibt; falls dieses aber gesetz lich nicht festgelegt werden sollte, die Kündbarkeit auch im ersten Jahre nicht nur wegen Verletzung der ihnen als Sicher heitsmänner obliegenden Pflichten, sondern auch wegen Vernachlässigung ihrer Ob liegenheiten als Arbeiter erfolgen darf, und 6. ihre Bezahlung durch die Arbeiter geschieht. “ Wir können diesen Gegenstand nicht ver lassen, ohne ein Beispiel dafür anzuführen, mit welcher Urteilslosigkeit, Unkenntnis und Leicht fertigkeit, um nicht schärfere Ausdrücke zu ge brauchen, gewisse Sozialpolitiker argumentieren. Im „Berliner Tageblatt“, dem willigen Zufluchts orte so mancher völlig falschen Anschauung über die westliche Montanindustrie, leistet sich der Reichstagsabgeordnete Fr. Naumann in einem mit „Achtung für die Bergarbeiter“ überschrie benen Artikel in sperrgedrucktem Satze die un geheuerliche Behauptung: „Bis zum 35. Lebensjahre starben in! Jahre 1896 nicht weniger als 39 °/o der aktiven Knapp schaftsmitglieder. So war es damals. Jetzt aber sind es 46°/o-“ In Wirklichkeit starben aber im Bochumer Allgemeinen Knappschafts verein von je 100 Mitgliedern in einem Alter bis zu 35 Jahren im Jahre 1896 : 0,506, 1905: 0,444, 1906: 0,443. Es halten also nicht nur die Naumannschen Sterblichkeitszahlen keinen Vergleich mit den tatsächlichen Verhältnissen aus, sondern auch das angeblich konstatierte Fortschreiten der „jugendlichen“ Sterblichkeit entspricht gleich falls in keiner Weise den ziffermäßig nach gewiesenen Tatsachen. Derartige geradezu frivole Leistungen ver dienen niedriger gehängt zu werden und die „Nationalzeitung“ kann mit Fug und Recht an diesen Vorgang, der übrigens aus den Reihen der eigenen Fraktionsgenossen Naumanns schon eine scharfe Zurückweisung erfahren hat, die leider allzu wahren Worte anknüpfen: „Das Schlimmste aber ist, daß die blanke Urteils losigkeit, die hier ein Naumann an den Tag legt, heute als typisches Charaktermerkmal bei so manchem Sozialtheoretiker anzutreffen ist, der wohl schnell mit dem Urteil, das sich auf Schlagworten aufbaut, bei der Hand ist, aber für die vielseitigen Lebensinteressen unseres Wirtschaftslebens und die praktischen Wirkungen sozialer Ideen nicht das mindeste Augenmaß besitzt.“ Den Schluß unseres diesjährigen Berichts mag eine kurze Betrachtung der ersten von uns veranstalteten Statistik über die Gewerbe gerichtsurteile für das Jahr 1908 bilden. Genauere, vergleichsfähigere Ziffern wird nach der notwendigen Aenderung des Schemas die nächstjährige Erhebung liefern, da im folgen den Jahre auch erst die amtlichen Zahlen über die Gewerbegerichtsurteile im Jahre 1908 er scheinen. Immerhin beweisen die Ergebnisse der vorliegenden Statistik auch jetzt schon aufs beste die von uns in der Eingabe an das Reichs amt des Innern aufgestellte Behauptung, daß die Großindustrie im Verhältnis zu anderen Ge werben wenig Veranlassung zum Austrag von Prozessen vor den Gewerbegerichten biete. Leider ist uns, wie hier hervorgehoben sei, keine Ant wort auf die Eingabe zuteil geworden; wir werden aber nicht verfehlen, unter Beifügung der nachfolgenden Ergebnisse an zuständiger Stelle dieserhalb nochmals vorstellig zu werden. An der Erhebung beteiligten sich insgesamt 45 Werke, von diesen hatten 16 = 34,66 °/o überhaupt keine Streitigkeiten vor den Gewerbe gerichten auszutragen. Die Zahl der gesamten Streitfälle bei den Werken der „Nordwestlichen Gruppe“, die eine Gesamt ar bei ter zahl von über 125 000 beschäftigen, betrug nur 343. Die Zahl sämtlicher Klagen von Arbeitern gegen Arbeitgeber, die bei den kommunalen Gewerbe gerichten der Regierungsbezirke Aachen, Köln, Düsseldorf und Arnsberg sowie bei den könig lichen Gewerbegerichten der Regierungsbezirke