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814 Stahl und Eisen. Hochofenschlacke und Zement im Lichte der Zulkowskischen Theorie. 24. Jahrg. Nr. 14. Stoff mit äußerst nützlichen Eigenschaften sei, der für die Erzeugung von Portlandzement, der allen Anforderungen der deutschen Normen ent spricht, wie geschaffen ist. Dieser aus Schlacke hergestellte Portlandzement wurde in der Tat auch vom Verein deutscher Portlandzement- Fabrikanten als solcher anerkannt. Schon früh hat Michaelis auf die Ver besserung des Portlandzements durch Zusatz von gemahlener Hochofenschlacke, sogenanntes Schlackenmehl, hin gewiesen; erst verhältnis mäßig spät ist dieses Verfahren ausgebildet und durch Vereinbarung der Fabriken eine neue Marke, der Eisen-Portlandzement, ge schaffen worden, der trotz heftigster Angriffe des Vereins deutscher Portlandzement-Fabri kanten sich verhältnismäßig schnell einbürgerte. Die das neue Handelsprodukt herstellenden Werke schlossen sich zum Verein deutscher Eisen-Portlandzementwerke zusammen und traten mit Wort und Schrift für ihre Sache ein. Sie stellten die Behauptung auf, Schlacke sei ein kalkarmer Portlandzement; Eisen-Portlaudzement sei demnach als ein Gemisch eines kalkreichen mit einem kalkarmen nichts anders als ein reiner Portlandzement. Wenn es dem Verein noch nicht gelungen ist, dieser Ansicht all gemein Anerkennung zu verschaffen, so liegt dies wohl hauptsächlich daran, daß über die Kon stitution der Zemente und Schlacken in weiteren Kreisen bisher nur sehr wenig bekannt ist. Bis in die neueste Zeit hinein findet man die Ansicht verbreitet, Schlacken seien einheit liche Verbindungen von Kieselsäure mit Basen, zu welch letzteren auch die Tonerde gerechnet wurde. Man bezeichnete sie als Subsilikat-, Singulosilikat-, Bisilikat-Schlacken, und auf dieser Anschauung beruht die allgemein an gewandte Möller - Berechnungsmethode von Mrazek. Aber diese Ansicht erwies sich bald als irrig; aus dem Studium des verschiedenen Verhaltens von Schlacken, die nach dieser Theorie gleich zusammengesetzt sein mußten, ging hervor, daß die Schlacken nur feste Lösungen verschiedener Körper sein können, in denen die Tonerde je nach der Zusammen setzung die Rolle einer Base oder einer Säure spielen kann. Über die Zusammensetzung aber und die Konstitution dieser einzelnen Verbindun gen war man noch vollkommen im unklaren. Infolgedessen waren auch das eigentümliche Verhalten der Schlacke beim Granulieren und ihre hydraulischen Eigenschaften überhaupt un aufgeklärte Erscheinungen. Eine große Zahl von Forschern beschäftigte sich mit diesen Fragen, wie mit der Theorie der hydraulischen Bindemittel überhaupt, aber fast sämtliche Re sultate weichen gerade in den wesentlichen Punkten voneinander ab. Die Erklärung hier für ist in den ungeheuren Schwierigkeiten zu suchen, mit denen derartige Untersuchungen verbunden sind. Eine Trennung der in solchen Körpern vorhandenen Verbindungen ist nämlich vollkommen ausgeschlossen, da sämtliche in Be tracht kommende Lösungsmittel eine Zerlegung der Verbindungen herbeiführen. Man muß also zu einer Synthese der in Schlacken und Zementen möglicherweise vorhandenen Körper schreiten, um sie auf ihre Eigenschaften untersuchen und daraus Schlüsse auf ihr Vorhandensein im ge prüften Material ziehen zu können. Aber es handelt sich um Körper, die bei sehr hohen Temperaturen entstanden sind, und es ist an zunehmen, daß der Schmelzpunkt der einzelnen Bestandteile noch viel höher liegt, als der der Mischungen. Die meisten Forscher traten daher mit Hypothesen auf, für die sie einen experi mentellen Beweis nicht erbringen konnten. So erklärte man z. B. die Wirkung der Granu lation auf folgende Weise: Man nahm an, es finde durch die Wirkung der Granulation eine teilweise Dissoziation der im Feuer gebildeten Silikate statt. Kieselsäure sollte dabei aus geschieden werden, und diese sogenannte „ver bindungsfähige Kieselsäure“ sollte der Schlacke ihre hydraulischen Eigenschaften verleihen. Sie sollte mit dem zur Herstellung von Schlacken zement zugesetzten Kalkhydrat ein Kalzium hydrosilikat bilden und so die Erhärtung herbei- führen. Man bedachte hierbei nicht, daß eine solche Vereinigung von Kieselsäure und Kalk, abgesehen davon, daß sie bei gewöhnlicher Temperatur wohl kaum möglich ist, nicht der Grund einer Erhärtung sein kann, da sie ja selbstverständlich nur innerhalb der kleinsten Teilchen vor sich geht. So mußte also die Industrie der Schlacken und Zemente lange Zeit ohne eine einigermaßen annehmbare Erklärung der wichtigsten Vorgänge und Erscheinungen auskommen. Es ist nun das unschätzbare Verdienst des Professors Karl Zulkowski, der Schlackenindustrie diese wissenschaftliche Grundlage, die sie so lange entbehren mußte, gegeben zu haben. In seinen beiden unten angegebenen Werken* schuf er eine Theorie der Schlacken und der hydrau lischen Bindemittel überhaupt, die außerordent lich viel für sich hat, jedenfalls aber eine voll kommen ausreichende Erklärung für fast alle bisher rätselhaften Erscheinungen gibt. In der Praxis habe ich die Zulkowskischen Theorien bei vielen eigenen Versuchen stets bestätigt ge funden, und sie haben mir manchen wertvollen * I. „Zur Erhärtungstheorie des natürlichen und künstlichen hydraulischen Kalkes“. Von Karl Zul- kowski. R. Gaertners Verlag, Berlin 1898. II. „Zur Erhärtungstheorie der hydraulischen Bindemittel“. Von Karl Zulkowski. Berlin 1901. (Vergleiche „Jahrbuch für das Eisenhüttenwesen“ II. Band S. 177 bis 188.)