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15. Juni 1904. bericht an die Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. Stahl und Eisen. 677 Industrie aus den Bestimmungen betreffend die Arbeitszeit an den in die Woche fallenden Feiertagen erwachsen. Daß unserem Wirtschaftsleben aus fortgesetzt neuem Reglementieren schwere Schädigungen er wachsen müssen, von denen nicht in letzter Linie auch die Arbeiter getroffen werden, liegt auf der Hand. Wir möchten deshalb dem Wunsche Ausdruck geben, daß man in dieser Be ziehung dem unverständigen Drängen der Parteien nicht zu weit entgegen kommen möge. Ein treffen des Beispiel bietet die Schwesterindustrie der Blei hütten. Sie ist auf das schwerste beunruhigt durch eine in Aussicht genommene Verordnung des Bundesrats, die dem Vernehmen nach dem Bleihfittenbetrieb so schwere Vorschriften auferlegt, daß' er beispielsweise in der Eifel ganz sicher zum Erliegen kommen würde. Die Ar beiter sollen durch solche Verordnungen angeb lich in ihrer Gesundheit geschützt werden; vor dem Verhungern wird sie aber der Staat nicht schützen können, wenn die Betriebe zum Er liegen kommen und andere Industrien nicht an deren Stelle treten werden. In der Eifel dürfte letzteres wenigstens schwerlich der Fall sein. Auf den Bleihütten werden zurzeit etwa 3000 Arbeiter, im Bleierzbergbau etwa 12 400 Ar beiter beschäftigt. Lohnend ist der Betrieb vielfach schon heute nicht. Bureaukratische Maßregeln könnten hier ein Elend herbeiführen, das viel größer wäre, als die angeblich aus der Stillegung einiger Ruhrkohlenzechen drohende Arbeitslosigkeit dortiger Bergarbeiter, die ja viel leichter Beschäftigung auf anderen Zechen finden können, als brotlos werdende Arbeiter in der Eifel. Der Übermut der Sozialdemokratie, die bei den letzten Reichstagswahlen drei Millionen Stimmen auf sich vereinigte, machte einen Zu sammenschluß der Arbeitgeber von Tag zu Tag notwendiger. Die Hilfsaktion, die vom „Zentralverband deutscher Industrieller“ für die Crimmitschauer Arbeitgeber dankenswerterweise in die Wege geleitet wurde und an der sich die Nordwestliche Gruppe in kräftiger Weise beteiligte, gab die Anregung zu der Gründung einer „Hauptstelle deutscher Arbeitgeber-Ver bände“, die unter Führung des Zentralverbandes am 12. April d. J. glücklich in die Wege ge leitet worden ist. Wir haben darüber ausführ lich in „Stahl und Eisen“ berichtet; hier sei nur noch einmal hervorgehoben, daß dieser Zu sammenschluß der Arbeitgeber keineswegs dazu bestimmt ist, die rechtliche Stellung der Ar beiter irgendwie zu beeinträchtigen, sondern daß er vielmehr in erster Linie die Arbeits willigen schützen und die Scheidewand nieder legen will, die die Sozialdemokratie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgerichtet hat. Damit wird der deutschen Arbeit eine freiere Entfaltungsmöglichkeit geschaffen und der Frieden zwischen dem Arbeitgeber und seinen Mitarbeitern gefördert werden. — Neben der Sozialpolitik hat die Gruppe auch der übrigen Gesetzgebung auf wirtschaftlichem Gebiete ihr lebhaftes Interesse zugewandt. Sie beschäftigte sich eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes betreffend den Ver sicherungsvertrag und hielt hierbei an dem alten Grundsätze fest, daß solche Fragen sine ira et Studio erörtert werden müssen. Die Interessen der Versicherungsnehmer und der Versicherungsgesellschaften objektiv und gerecht gegeneinander abzuwägen, erscheint um so not wendiger, als volkswirtschaftlich betrachtet die Interessen auch des einen nicht genügend ge wahrt sind, wenn die Interessen des andern ge schädigt werden. Das sichere Funktionieren der Versicherungsgesellschaften darf nicht gefährdet werden, wenn die Interessen der Versicherungs nehmer zu ihrem Rechte kommen sollen. In dieser Beziehung besteht volkswirtschaftlich ein viel engerer Zusammenhang zwischen beiden Kontrahenten, als es nach den zum Teil reklame- haft aufgeputzten Angriffen auf einen derselben den Anschein gewinnen könnte. Gegen die im Gesetzentwurf den Sozietäten zugedachte Sonder stellung wurde auf das lebhafteste Einspruch erhoben, da die Versicherungsnehmer das aller größte Interesse daran haben, beide Arten von Anstalten, private wie öffentliche, unter das Gesetz gestellt zu sehen. Zudem hat der Ver treter des Reichskanzlers am 29. November 1900 im Reichstage das bündige Versprechen ab gegeben, daß „sich die Vorschriften über den Versicherungsvertrag selbstverständlich auf die privaten und auf die öffentlichen Ver sicherungsgesellschaften beziehen müssen“. Dies Versprechen muß eingelöst werden, einmal im Interesse der Rechtseinheit und anderseits, weil man sonst nicht mehr weiß, wieviel man über haupt noch auf Versprechungen der Vertreter der verbündeten Regierungen geben kann. Die Novellen zum Börsengesetz und zum Reichs - Stempelsteuergesetz be schäftigten die Gruppe in Gemeinschaft mit dem Wirtschaftlichen Verein, weil beide Körper schaften mit Recht der Ansicht waren, daß die Industrie an einem geordneten Börsenwesen und an einem lebenskräftigen Bankgewerbe das allerentschiedenste Interesse habe. Nach ein gehender Beratung wurde in bezug auf diese Gesetzentwürfe nachfolgender Beschluß einstim mig gefaßt: „Der „Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“ und die „Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller“ bedauern, daß die verbündeten Regierungen trotz der von ihnen anerkannten schweren Schädi-