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Berichte Uber Versammlungen aus Fach vereinen. Verein deutscher Eisengiefsereien. (35. ordentliche Generalversammlung zu Kassel am 18. September 1903.) Da der Erste Vorsitzende Geheimrat Buderus am Erscheinen behindert war, tagte die aus allen Teilen Deutschlands stark besuchte Generalversammlung unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden General direktor Leistikow. Der Geschäftsführer, Handels kammersyndikus Scherenberg, bezeichnete bei der Vorlage des Jahresberichts als den wichtigsten Vor gang auf wirtschaftlichem Gebiet die Festsetzung des neuen Zolltarifs. Während der dadurch bewirkte Ab schluß der langjährigen erbitterten Kämpfe zwischen den wirtschaftlichen Parteien allseitig mit einem Ge fühl der Erleichterung begrüßt wurde, bleibt in in dustriellen Kreisen der allgemeine Wunsch nach Er zielung möglichst günstiger, langfristiger Handelsver träge mit den für die Ausfuhr besonders in Betracht kommenden Staaten lebendig. Die Vorverhandlungen scheinen seitens der Reichsregierung nach den ver schiedensten Richtungen bereits in die Wege geleitet zu sein. Auf sozialpolitischem Gebiet ist zu erwähnen, daß die von einigen Handlungsgehilfen-Verbänden seit längerer Zeit angeregte Frage der Schaffung von Sonder gerichten für die Austragung von Streitigkeiten zwischen Prinzipalen und Gehilfen die gewerblichen Kreise wäh rend des Berichtsjahres vielfach beschäftigt hat. Ferner bemerkenswert ist, daß das Gesetz vom 30. März d. J. die bereits in der Gewerbeordnung für bestimmte Ge werbe enthaltene Beschränkung der Arbeit von Kindern unter 13 Jahten auf eine Reihe anderer Gewerbe, ins besondere die Hausindustrie, ausdehnt. Endlich ist bekanntermaßen durch Paragraph 34 des Gewerbe- Unfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 eine anderweite Regelung der Einlagen zum Reservefonds der Berufsgenossenschaften erfolgt und an die Stelle des früheren Umlageverfahrens das Kapitaldeckungs verfahren unter Erhöhung des Reservefonds von 130 | Millionen um etwa 400 Millionen gesetzt worden. Die Entziehung einer so gewaltigen Summe aus der pro- I duktiven Verwertung gab zu zahlreichen Klagen und ! Beschwerden der Gewerbetreibenden um so mehr Anlaß, als die übermäßige Belastung der Industrie und des Kleingewerbes gerade in der Zeit wirtschaftlichen Niederganges sich doppelt fühlbar machen mußte. Die Syndizierung verschiedener großer Industriezweige hat in den letzten Jahren, namentlich innerhalb des Montan gewerbes, eine auch für die Eisengießereien mehr oder [ weniger einschneidende Bedeutung erlangt. Der Verein ernannte deshalb in Gemeinschaft mit dem Verein deutscher Maschinenbauanstalten eine Kommission zur Unterhandlung mit den Syndikaten. Freilich ist es, wie vorauszusehen war, nicht gelungen, die bei den Syndikaten vertretenen Wünsche und Forderungen in ihrem ganzen Umfange durchzusetzen, vielmehr ist den erhobenen Ansprüchen anscheinend nur in einzelnen Punkten nachgegeben worden. Es wird jedoch mit Bestimmtheit erwartet werden dürfen, daß sich seit dem Eingreifen der genannten Kommission die Syndi- ' kate in mancher Beziehung sehr viel entgegenkommen- ! der als früher verhalten haben, und daß man zur Gewährung von Zugeständnissen sich weit eher bereit findet, nachdem in dem unmittelbar zwischen der Kommission und den Syndikaten.gepflogenen Meinungs austausch auch die letztem die Überzeugung gewonnen haben müssen, daß es sich durchweg um die Vertretung berechtigter Forderungen handelt. Im übrigen dürfte I die mit den Syndikaten erstrebte Verständigung auch ; heute noch nicht als abgeschlossen zu betrachten sein. I In der Koks-Enquete war der Verein durch mehrere i dem Ausschüsse angehörende Herren und den Geschäfts- । führer beteiligt, die die gegen das Kokssyndikat seitens der Vereinsmitglieder erhobenen Beschwerden zur Sprache gebracht haben. Die Enquete über das Roheisen- j Syndikat steht nahe bevor, und auch in dieser werden 1 verschiedene Vertreter des Vereins gehört werden. Die Lage des Eisengießereigewerbes gestaltete sich im Einklang mit der Besserung, welche auf dem ge samten deutschen Eisenmarkt seit Dezember 1902 in ziemlich stetiger Entwicklung blieb, während des ab gelaufenen Berichtsjahres etwas günstiger. Die Nach frage nach Eisenguß aller Art ist eine lebhaftere ge worden, während die dafür erzielten Preise leider nach wie vor mit den Rohmaterialpreisen nicht entfernt im richtigen Verhältnisse stehen. Ganz besonders trifft dies letztere beim Bauguß zu. Die Arbeitsmengen, die sich aus der größeren Nachfrage sowie den seitens des Staates und der städtischen Verwaltungen erfolgten größeren Bestellungen ergaben, genügten nicht an nähernd, um bei der während der letzten Hochkonjunk tur weiter vergrößerten Leistungsfähigkeit der betreffen den Eisengießereien eine wirkliche Geschäftsbelebung herbeizuführen. Die Preise für Bauguß sind daher durch den heißen Wettbewerb bei jedem an den Markt kommenden größeren Objekt vielfach weit unter den Stand billiger Selbstkosten heruntergedrückt. Beklagt wird dabei die empfindliche Konkurrenz, welche einige dem Roheisensyndikate angehörende Hochofenwerke auf dem Gußmarkte machen, indem sie Guß zweiter Schmelzung aus selbsterblasenem und billigst in ihre Kalkulation eingestelltem Roheisen erzeugen, für wel ches die Eisengießereien Syndikatspreise zahlen müssen. Dieser Umstand ist bei den Verhandlungen mit den Syndikaten zur Sprache gebracht worden. Nicht wesent lich besser als im Bauguß liegen die Verhältnisse im Maschinenguß, von Ausnahmen, welche durch beson dere günstige Umstände bedingt werden, natürlich in beiden Fällen abgesehen. Bezeichnend ist es, daß selbst in den Spezialitäten des Maschinengusses (z. B. in der Zahnräderfabrikation), für welche bisher noch leidliche Preise zu erzielen waren, durch Unterbieten ein Rückgang in den Preisen eingetreten ist, der fast jeden Verdienst ausschließt. Ein enger Zusammen schluß der Gießereien besonderer Zweige, wie er ja auch schon verschiedentlich besteht, ist in der Tat das einzige Mittel, um eine an sich lohnende Fabrikation dauernd auf nutzbringender Höhe zu erhalten. Be friedigender als im Bau- und Maschinenguß verlief im allgemeinen das Geschäft in Handelsgußwaren. Wäh rend der letzten Monate nahm die Nachfrage in Ofen guß, wie aus verschiedenen Gruppen berichtet wird, eine geradezu dringende Form an. Trotzdem blieben die Preise immer noch gedrückt, und das Publikum bevorzugte minderwertige billige Ware. Bemerkens wert ist die große Überhastung bei Anfertigung neuer Modelle, die auf den Markt gebracht werden, um im Augenblick einen flotten Absatz zu erzielen, alsbald aber wieder durch andere Modelle verdrängt werden. Emaillierte Gußwaren wurden im allgemeinen rege und zu erhöhten Preisen gekauft. Auch Abfluß- (Kanalisations-)Röhren wurden in erheblichem Um fange gebraucht und die Preise erfuhren eine geringe Steigerung. — Im allgemeinen aber stehen auch die Preise der wichtigsten Handelsgußwaren in keinem angemessenen Verhältnis zu den Rohmaterialienpreisen, welche durch Verkaufsvereinigungen hochgehalten