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1142 Stahl und Eisen. Die Kalibrierung der Walzen im Walzwerksbetriebe. 23. Jahrg. Nr. 20. welchen es möglich ist, die Umdrehungsgeschwin digkeit der Walzen, der Verlängerung des Walz gutes entsprechend, zu steigern; denselben Zweck sollen auch die schwungradlosen Trios erfüllen. Alle diese in den Walzwerksbetrieb tief ein schneidenden Veränderungen haben zwar eine Umwälzung in der Einrichtung der Walzwerke hervorgerufen, sind aber fast ohne jeglichen Einfluß auf die Kalibrierungen selbst geblieben. Rund- und Quadrateisen werden noch fast überall nach demselben Verfahren wie vor 30 Jahren gewalzt, nur ist man auf einigen Werken dazu übergegangen, Rundeisen bis etwa 6" Durch messer durch Führungen zu walzen. Für Flach eisen ist dagegen das Universalwalzwerk und Doppelduo mehr in Anwendung gekommen. Beim Winkeleisen verdient das jetzt wohl allgemein angewendete Versetzen der Walzenschlüsse behufs Vermeidung von Nähten Beachtung. Bei der Kalibrierung von L- Trägern und [2- Eisen da gegen läßt sich ein Fortschritt deutlich erkennen, welcher sich in dem Bestreben, die Anzahl der Kaliber zu vermindern und damit die Produktion zu vergrößern, zeigt. Bei den Schienenkalibrie rungen zeigt sich dasselbe Bestreben. Hier handelt es sich besonders um Abschaffung der bis jetzt fast ausschließlich angewendeten so genannten Stauchstiche, welche immer eine schäd liche Abkühlung der nicht gedrückten Teile des Walzgutes zur Folge haben. Bei der Herstellung von Gruben- und Kleinbahnschienen bis etwa 90 mm Höhe ist man vielfach schon längst von den einseitig arbeitenden Stauchkalibern ab gekommen. — 2. Die Vorgänge beim Walzen, ins besondere die Voreilung und Breitung des Walzgutes. Beim Aus walzen des vorher erhitzten Walzgutes wird durch die kälteren Walzen die äußere Schicht desselben abge kühlt und erhält dadurch eine gewisse größere Widerstandsfähigkeit, infolgedessen diese äußere Schicht imstande ist, die weichere, von der Temperaturabnahme weniger beeinflußte Mitte zum Teil mit sich fortzureißen. Im Moment des Fassens, wo die Geschwindigkeit des zwischen die Walzen eintretenden Walzgutes naturgemäß geringer ist als die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen, wird zuerst die äußere Schicht des Walzgutes erfaßt und in das Walzwerk hinein gezogen, während die von der Temperaturabnahme weniger beinflußte und daher weichere Mitte nach hinten ausweicht und sich keilförmig in den Block einschiebt, was eine Wulstbildung an der Eintrittsstelle des Walzgutes zwischen die Walzen zur Folge hat (Abbildung 1). Je weiter nun das Walzgut in die Walzen eintritt, desto dünner wird dasselbe und desto tiefer kann die Wirkung der Abkühlung auf dasselbe einwirken. An dem Punkte, welcher hier mit C bezw. D bezeichnet sei (Abbildung 1), wo sich die Wir kung der Abkühlung der Oberfläche bis auf die Mitte des Walzgutes erstreckt, hat die äußere Schicht sowohl wie die Mitte dieselbe Ge schwindigkeit, welche an dieser Stelle gleich der Umfangsgeschwindigkeit sein muß. Bei Weiterdrehung der Walzen um AC bezw. B D wird ein Metallkörper vom Querschnitt A C E D B durch die Walzenöffnung A B hindurch gequetscht. Das dem Querschnitt A C E D B ent sprechende, sich ergebende Recht eck von der, von der Walzenöff nung vorgeschrie benen, Höhe AB ist nun länger als A C. Die Aus trittsgeschwin ¬ digkeit des Walz gutes ist daher größer als die Um- Abbildung 1. fangsgeschwin digkeit der Walzen und ist bei jeder Umdrehung derselben das ansgewalzte Stück länger als der abgewickelte Walzenumfang (Abbildung 1). Es findet somit eine Voreilung des Walzgutes statt. Da nun A B kleiner ist als C D, so findet beim Hindurchquetschen des Körpers ACEDB durch die Walzen eine Reibung des Walzgutes an der Oberfläche der Walzen statt, und müssen daher die Verschiebungen der Moleküle hauptsächlich Abbildung 2. in der Mitte vor sich gehen. Die äußere Schicht wird etwas zurückgehalten, während die Mitte eine größere Geschwindigkeit annimmt. Daß dieses in Wirklichkeit stattfindet, läßt sich sehr schön aus dem Hollenbergschen Versuche ersehen,* wo man an der charakteristischen Form der Drähte das Zurückbleiben der äußeren Schicht deutlich bemerken kann (Abbildung 2). Dieses Zurückbleiben der äußeren Schicht und Vor schieben der Mitte hat ebenfalls, analog der * Siehe „Stahl und Eisen“ 1883 S. 121.