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Lager Verleumdungen und Verdächtigungen kamen, die ihm das Wirken gerade auf diesem Gebiete hätten verleiden können. Hätten jene Gegner den Mann ihrer Angriffe in seiner Herzensgute und Menschenliebe, in seiner Bescheidenheit und Zurückhaltung gekannt, ich glaube, sie wären nicht fähig gewesen, ihm unlautere Gründe zu unterstellen. Ihm, der so ungern in die Öffent lichkeit trat, wurde vorgeworfen, er wirke aus egoistischen Gründen für eine Vermehrung der deutschen Flotte und für eine Vergröfserung des Geschützparkes der Artillerie; Tag auf Tag wurde die Anklage wiederholt: „Krupp schreibt, um neue Lieferungen zu erlangen, in Sachen der Flotten Vermehrung“, „Krupp empfiehlt behufs neuer Kanonenbestellungen nachfolgende Ver änderungen der Artillerie u. s. w.“, während er an keinem dieser Zeitungsartikel irgendwie be teiligt war. Das hat ihn tief verwundet und das war mit dafür mafsgebend, dafs er in den letzten Jahren die Zeit seiner Abwesenheit vom Hause Hügel mehr und mehr ausdehnte und dafs er u. a. auch längeren Aufenthalt in Capri nahm, um dort der Erholung und wissenschaft licher Beschäftigung in der Tiefseeforschung zu leben, einem Gebiete, das er durchaus nicht nur als Dilettant behandelte, wie zahlreiche Museen, mit denen er in Korrespondenz stand, gerne bezeugen werden. Güte und Wohltat, die er armen Einwohnern jener Insel in reichem Mafse erwies, lohnte eine teuflische Erpresserbande mit schamlosem Angriff. Und dann kam der traurige Tag des 14. November 1902, an dem sich ein deutsches Blatt nicht entblödete, jene Anklage zu wiederholen und dadurch Körper und Seele des edlen Mannes so zu erschüttern, dafs am 22. November sein Herz zu schlagen aufhörte und er in die Gefilde einging, von denen es eine Rückkehr auf diese Erde nicht gibt. Am 26. November haben wir ihn zur letzten Ruhe gebettet; hinter seinem einfachen Sarge schritt des Deutschen Reiches Oberhaupt, das mit seinem Schilde den besten Freund zu decken gekommen war, — eine grofse und edle Tat, die [ wir unserem guten und lieben Kaiser niemals vergessen wollen, der hier im Sinne des Hebbel- sehen Wortes gehandelt: „Wenn es heil'ge Pflicht ist, einen Toten, Wer er auch immer sein mag, zu bestatten, So ist die Pflicht noch heil’ger, ihn von Schmach Zu reinigen, wenn er sie nicht verdient.“ Und als sich die Gruft über dem Verewigten geschlossen, da standen in den Augen Tausender und Abertausender Tränen der Wehmut und Trauer: Multis ille bonis flebilis occidit. Wir aber, die Krupp näher zu stehen das 1 grofse Glück hatten, schieden von diesem Grab hügel mit den Gedanken des Wandsbecker Boten: । „Ach, sie haben einen guten Mann begraben; doch uns, uns war er mehr!“ Wer Krupp näher gekannt hat, wer in die Güte und Tiefe seines Herzens, in die Freundlichkeit und Bescheiden heit seines Wesens einen Blick zu tun Gelegen heit hatte, der wird wissen, wieviel wir an ihm verloren haben. Er war eine edle, feine, wahrhaft vornehme und deshalb in erster Linie überall ohne irgendwelche selbstsüchtige Motive hilfsbereite Natur. In wie vielen Fällen, die mir persönlich durch die Beteiligten bekannt geworden sind, hat er auf kaufmännischem, auf industriellem, auf wissenschaftlichem und auf künstlerischem Gebiete geholfen, wo Hilfe not wendig war oder wo er selbst das Bedürfnis sah, auch ohne dafs andere es ihm nahegelegt hätten! Wenn diese Fälle nicht zur Kenntnis weiterer Kreise kamen, so lag der Grund nur in dem dringenden Wunsche Krupps, dafs über solche Dinge überhaupt nicht gesprochen werde, ein Wunsch, der auch an dem heutigen Tage seiner Totenfeier in Ehren gehalten werden soll. Und dabei war Krupp eine unendlich dankbare Natur. Für den kleinsten Dienst, der ihm erwiesen wurde, für Aufmerksamkeiten, die viele andere als selbstverständlich ihrer Person und Stellung gegenüber betrachten, hielt er nie mit seinem Danke zurück, und das beste an diesem Danke war, dafs man merkte und fühlte, er komme wirklich aus dem Grund seines Herzens. So haben wir an ihm, den wir nie vergessen werden und dessen Andenken allzeit bei uns in hohen Ehren gehalten werden wird, viel ver loren, und wir haben Grund, um ihn zu klagen. Und doch darf sich auch die heutige Feier nicht nur in Klagen erschöpfen; wir müssen vielmehr uns fragen, welche Forderung dieser erschütternde Tod an uns richtet. Hervorgerufen durch sträf lichen Mifsbrauch des Rechtes der Presse, deutet dieser Tod auf Zustände unseres öffentlichen Lebens hin, die unerträglich sind, die aber — und das erscheint begreiflich — manchen veranlassen können, noch mehr als bisher sich vom Leben und Wirken in der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Und doch darf dies nicht sein; wir dürfen nicht mürrisch und mutlos beiseite treten; im Gegenteil, mehr als es bisher geschehen ist, müssen alle, die der Vergiftung unseres öffentlichen Lebens abhold sind, an ihm tätig teilnehmen. Wenn wir die Herrschaft denen überlassen, die diese Zustände herbeigeführt, so verwirklichen wir damit lediglich ihre Wünsche und Absichten, da sie die Alleinherrschaft wollen. Mehr als je bedarf es heute des männlichen Mutes derer, die es gut mit unserm Vaterlande meinen, und die sich mit ihrer ganzen Persön lichkeit hineinstellen müssen, jeder an dem ihm durch seinen Beruf gewiesenen Platze, in den öffentlichen Kampf gegen Verleumdungssucht, Klatsch und niedrige Bosheit; mehr als je bedarf