Ansprache bei der Jubelfeier zur Erinnerung an die vor 100 Jahren erfolgte Einweihung des jetzigen Kreuzkirchengebäudes zu Dresden in der das Fest einleitenen Vesper, Sonnabend, den 26. November 1892
Titel
Ansprache bei der Jubelfeier zur Erinnerung an die vor 100 Jahren erfolgte Einweihung des jetzigen Kreuzkirchengebäudes zu Dresden in der das Fest einleitenen Vesper, Sonnabend, den 26. November 1892
rühm cs sagen, daß wir vorwärts gekommen sind, so Kursen wir's nicht verschweigen: die Töne waren mit die Hände, die mit Hammer und Kelle gearbeitet, die die harten Herzen und Gewissen zerschlagen und die weich gewordenen Seelen erbaut. Die Töne sind die Hände, die das vergangene Jahrhundert mit schönem Inhalt erfüllen helfen und zum geistlichen Haus bauen. Was den Vätern köstlich und teuer gewesen, was sie gepflegt mit liebevoller Hingebung, ihr Erbe an uns gilt es ^n wahren. Hat's ein Jahr dem anderen gesagt, ein Jahr hundert giebt's nun weiter an das zweite: Alles was Odem hat, lobe den Herrn! Ein Geistesdom — das vergangene Jahrhundert! Der Lobpreis Gottes ist beides — der Bau meister, der ihn den Lebenden übergiebt, 2. der Priester nun auch, der ihn für die Zukunft weiht. Ein Jahrhundert sinkt ins Grab. Ein zweites thut sich auf. Was wird es uns, was dieser Kirche bringen? Fahle Wetter blitzten über das Erdenrund, als 1792 dies Gotteshaus ge weiht ward. Goldener Friede lacht in diese unsere Feier. Dennoch — die Zeit ist ernster und gefährlicher als einst. Um die Kirchen tobt der Sturm. Nach den Kirchen züngeln die Flammen haßerfüllter Leidenschaft. Die alten Gotteshäuser, in denen die Väter angebetet, möchten viele umwandeln zu Fabriken, Laza rethen, Häusern für Volksvergnügen. Wie es in hundert Jahren an dieser Stätte aussehen mag? Nur getrost! Das Lied zu Gottes Ehre ist ein Beweis für Gott: sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. Hat's die Gemeinde wieder vorhin brausend gesungen „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren," ist das Totenfest hinter uns kaum verklungen mit seinem „Jesus, meine Zuversicht," grüßt das Reformations- Fest noch zu uns herüber mit seinem „Ein' feste Burg ist unser Gott" — so lange solche Lieder erklingen, stcht's nicht schlecht. Sie lassen den Spötter verstummen. Sie reißen den Zweifler fort. Sie stärken den Glauben. Sie schüren die Begeisterung. Und soll des Meisters Lobgesang nun zu den Herzen reden mit heiliger Töne Urgewalt — so lange solche Meister auf stehen, steht's nicht schlecht. Der harfenkundige, psalmenreichc David schlägt den ungeschlachten Riesen und überwindet den finsteren König Saul und begeistert ein ganzes Volk zum Hellen