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1. Ein Geistesdom — das vergangene Jahrhundert! Und sein Baumeister? Wirklich der Lobpreis „Alles was Odem hat, lobe den Herrn?" Könnten wir's vergessen, daß am Weihetag dieses Gotteshauses, am 22. November 1792, das erste Wort an dieser Stätte sprachen Psalm 100 und 103: „Jauchzet dem Herrn alle Welt" und „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen?!" Könnten wir sie vergessen, die von jenem Tag ab je auf der gestanden, verschieden je nach Sprache und Anschauung Zeit, verschieden nach ihrer Art und Begabung, aber schließlich alle doch bestrebt, selbst zu Zeiten mit verschleierterer Stimme, lobpreisend zu verkünden des großen Gottes große Thaten?! Und könnten wir den Lobpreis vergessen, der während hundert Jahre durch diese Räume ging, der das Zeugnis auf der Kanzel begleitete und verstärkte und der das uralte, unwandelbare Gotteswort immer neu übersetzte in die Sprache, die dem Herzen so wonnesam und traut ist wie Muttersprache, Mutterlaut — den Lobpreis der Töne?! Jst's Zufall nur, daß der 22. No vember, an dem vor 100 Jahren dies Gotteshaus geweiht ward, der Tag der heiligen Cäcilie ist, der Patronin heiliger Musik, der Erfinderin der brausenden Orgel? Thatsache ist's, daß an jenem 22. November 1792 die Schwellen dieses Hauses erbebten unter der festlichen Kantate aus der Höhe und unter dem Lobgesang der Gemeinde bei Posaunenschall und Glocken geläute: Herr Gott, dich loben wir, Herr Gott, wir danken dir! Und Thatsache ist's, daß Psalter und Harfe, Orgel und Lied seitdem nicht verstummten. Selbst in dürrer, glaubensarmer Zeit, die auch am alten Liederschätze sich vergriff, ohne ihn dem evangelischen Volk nehmen zu können, haben die kindlich frommen Weisen eines Palästrina, Händel, Bach, die Lieder eines LuthcxM^ und Decius, eines Gerhard und Bogatzky fortgeklungen Zeugnis abgelegt vom Gottessohn. Sie haben in den Sonnen tagen des Glückes gejubelt mit der Gemeinde, wenn sie dankte für unvergleichliche in Feindesland errungene Siege, wenn sie mit dem Fürstenhaus zurückblickle auf die Jahrhunderte gott- gesegneter Regierung, wenn sie sich freute über die dem Volke geschenkte Verfassung, wenn sie die großen Jubiläen der Refor mation feierte: Nun danket alle Gott! Sie haben mit ihr