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ÄMGbtilU W WMm AMtzeilW Nr. 20. zu Nr. 270 des Hauptblattes. 1930. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtaftsverhandlungen. 13. Sitzung. Dienstag, den 18. November 193«. Präsident Weckel eröffnet die Sitzung 13 Uhr 7 Minuten. Am Regierungstisch die Minister vr. Hedrich, Or. Mannsfeld und Richter sowie Regierungsvertreter. Punkt 1 der Tagesordnung: Wahl von a) Fünf Mitgliedern in den Finanz» und Werbe» auSschuß zur Verwaltung deS VollShochschul» Heims Sachsenburg; d) Zwei Mitgliedern in den Borstandsrat des HygienemuseumS. Gewählt werden zu ») die Abgg. Atz manu (Wirtsch.), Siegert (Dnat.) Bretschneider (Dein), Böchel (Soz.) und Studentkowfki (Natsoz.), d) die Abgg. Weckel (Soz.) und vr. Weber (Wirtsch.) Die Gewählten nehmen die Wahl an. Punkt 2 der Tagesordnung: Erste veratuug der Vorlage Nr. 4 über den Geschäftsbericht der Landes» Brandversicherungsanstalt auf das Jahr 1929. Die Borlage wird ohne Aussprache dem HauS» Haltausschuß v überwiesen. Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung der Vorlage Nr. 5 über den Personen- und BesoldungS» Plan der LandeS-Vrandversicherungsanstalt auf das Jahr 193«. Die Vorlage wird ebenfalls ohne Aussprache dem Haushaltan-schuß v überwiesen. Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung der Vorlage Nr. 9 über die Gewährung eines weitere« StaatSbeitrageS zur Deckung eines Fehlbetrages bei der Internationalen Pelzfach-Ansstellnng Leipzig 1939. Die Vorlage verlangt, daß 1. die Zahlung von 60000 RM. als Zuschuß zum Fehlbetrag der Jpa nachträglich verfassungsmäßig genehmigt wird, 2. die Regierung ermächtigt, wird unter den in der Vorlage näher festgelegten Bedingungen zur end gültigen Abdeckung des Fehlbetrags der Jpa einen weiteren Zuschuß bis zu 120 000 RM. zu leisten. Finanzminister vr. Hedrich (zur Einführung der Vorlage): Zu der Vorlage über die Gewährung eines weiteren Staatsbeitrages zur Deckung eines Fehlbetrages bei der Internationalen Pelzfach-Ausstellung Leipzig möchte ich noch einige besonders beachtenswerte Einzel heiten hervorheben. Die Verhältnisse auf dem Weltpelzmarkte hatten in der Kriegs- und Nachkriegszeit eine Entwicklung ge nommen, bei der es der heimifchen Rauchwarenindustrie nur unter den größten Anstrengungen gelingen konnte, ihren Platz zu behaupten. Der Gedanke, das Ansehen Leipzigs in dieser Beziehung durch ein so großzügiges Mittel, wie es die Leipziger Ausstellung darstellte, zu festigen und noch zu stärken, mußte daher von allen be- teuigten Stellen zustimmend aufgegriffen werden. Das ist auch für den Entschluß maßgebend gewesen, daß sich der sächsische Staat an der Förderung des Ausstellungs gedankens in materieller Form durch Hingabe eines Garantiebeitrages und durch weitgehende ideelle Unter stützung beteiligte. Es kann natürlich nur eine Förderung auf weite Sicht sein, die mit einer solchen Ausstellung bezweckt und auch erreicht worden ist. Das ergibt sich schon aus der Weit läufigkeit der Beziehungen des Welthandels. Umso wert voller ist es, daß die Propagierung der deutschen, und besonders der Leipziger Rauchwarenwirtschaft in einer Beziehung einen raschen sichtbaren Erfolg brachte. Es ist Ihnen durch die Vorlage bereits bekannt, daß im Juli d. I. im engsten Zusammenhang mit der Ausstellung der „Erste Weltpelzkongreß" abgehalten und von 23 Ländern beschickt worden ist, und das das bedeutungsvollste Ergebnis dieses Kongresses die Gründung eines Internationalen Verbandes der Pelzindustrien war, als dessen Sitz Leipzig bestimmt und als dessen Vorsitzender der Ausstellungs präsident, Herr Hollender in Leipzig, gewählt worden ist. Was das für die Geltung Leipzigs in der Pelzwirtschaft bedeutet, kann man am besten an dem starken Widerhall ermessen, den das Ereignis in der internationalen Presse gefunden hat. Die Bedeutung der Ausstellung, meine hochgeehrten Damen und Herren, lag aber nicht ausschließlich auf wirtschaftlichem Gebiete. Der belehrende Charakter und damit der Wert der Ausstellung für die Allgemeinheit waren voll gewahrt. Und der Erfolg, der durch die mit der Jpa verbunden gewesene Jagdausstellung erzielt worden ist, spricht unbestreitbar für sich selbst. Der finanzielle Mißerfolg, meine hochgeehrten Damen und Herren, den die Ausstellung gehabt hat, ist unter solchen Umständen höchst bedauerlich. In der Vorlage ck auf die ursächlichen Zusammenhänge, die den Miß erfolg herbeigeführt haben, hingewiesen worden Es ist auch bereits auSgeführi worden, welche Erwägungen seinerzeit im August dazu geführt haben, die Ausstellung nicht zusammenbrechen zu lassen, sie vielmehr nach Durchführung einer Stützungsaktion programmäßig fort- und zu Ende zu führen. In erster Linie war es die sichere Hoffnung, daß die Einnahmeseite des Ausstettungs- etats gegen Ende des Sommers eine fühlbare Entlastung erfahren würde. Das ist zwar nicht im erhofften Um fange eingetreten, aber es hat sich doch klar heraus- gestellt, daß die drohende moralische Schädigung für das Ansehen des Gewerbezweiges der Stadt Leipzig und nicht zuletzt auch für das Land Sachfen durch den plan mäßigen Ablauf der Ausstellung hintangehalten worden ist. Der Fehlbetrag, meine Damen und Herren, dessen Abdeckung den Garanten noch angesonnen wird, beläuft sich auf 720000 RM. Davon entfallen auf den Staat 120000 RM. Der Betrag soll nur dann übernommen werden, wenn die Wirtsckaftskreise300000RM., und wenn die Stadt Leipzig denselben Betrag übernehmen. Tas Letztere ist nach neuester Meldung allerdings noch nicht der Fall. Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß die Stadt den auf sie entfallenden Anteil doch noch übernehmen wird. Ich bitte Sie aber, ungeachtet dessen eine zustimmende Entscheidung über den staatlichen Bei trag schon jetzt herveizuführen. Es möchte bedacht werden, daß der Nutzen sür den Gewerbezweig hinsicht lich der Steuerkraft und der Beschüftigungsmöglichkeiten zugleich der mittelbare Nutzen des Staates ist, ja, daß der vom Staat erbetene Kostenbeitrag, wenn man die Förderung auf lange Sicht bedenkt, auch nicht annähernd in ein Verhältnis zu bringen sein dürfte zu dem Wert der durch die Ausstellung erreichten Stärkung und Festigung der Bedeutung Leipzigs für den Internationalen Rauchwarenhandel. Hierauf wird in die Alls spräche eingetreteu. Abg. Ferkel (Soz.): In der Vorlage heißt es, daß der Staat nur zu der Bezahlung der Summe heran gezogen werden soll, wenn die übrigen Teile, darunter also auch die Stadt Leipzig, zur Bezahlung der gleichen Summe bereit sind. Gestern hat nun die Stadtverord netenversammlung in Leipzig die Bezahlung abgelehnt, und damit müßte eigentlich die Vorlage erledigt sein. Wir sind erstaunt, daß die Regierung trotzdem noch auf der Annahme der Vorlage besteht. Wir lehnen die Vor lage ab. In einer Zeit, in der selbst dem Briefträger das Gehalt abgebaut wird, in einer Zeit, in der nicht laut genug nach Lohnabbau gerufen werden kann, und in einer Zeit, in der Reich, Länder und Gemeinden ihre sozialen Aus gaben bis aufs Äußerste drosseln, weil keine Mittel vor handen sind, können wir einer solchen Vorlage nicht unsere Zustimmung geben. (Sehr richtig! b. d. Soz) Wir sind der Auffassung, daß die Interessenten zur Deckung des Fehlbetrages herangezogen werden sollen. Wenn es in der Vorlage heißt, daß die Ausstellung ihr Hauptziel erreicht hat, daß trotz des finanziellen Miß erfolgs für die Interessenten der Erfolg vorhanden ist, so sind wir der Auffassung, daß die Interessenten auch den Mißerfolg mit tragen sollen. Abg. Sachse (Wirtschp.): Wenn eine Ausstellung, wie die Internationale Ausstellung für das Pelzfachgewerbe veranstaltet werden soll, so ist dazu naturgeinLß eine sehr lange Borbereitungszeit notwendig. Gerade auch die Vorbereitungszeit für die Jpa liegt viele Jahre zurück und geht bis auf einen Zeitpunkt zurück, wo die Wirtschaftslage so war, daß man hoffen durfte, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse so gestalten würden, daß die Durchführung dieser Ausstellung gewährleistet fei. Leider haben sich die Verhältnisse ganz außerordentlich zuungunsten dieser Ausstellung geändert. Es wäre aber wohl nach jedermanns Überzeugung unmöglich gewesen, eine so lange vorbereitete Ausstellung kurz vor dem Be ginn abzublasen; denn dann würden naturgemäß die Verluste noch wesentlich größer gewesen sein, als sie jetzt am Ende noch gekommen sind. Es geht dann aber auch nicht, daß die Garanten, die sich am Anfang verpflichtet hatten, die Garantie für ein solches Unternehmen zu übernehmen, letzten Endes ab geblasen haben und das Unternehmen im Stich lassen konnten. So verstehe ich es vollständig, daß auch die sächsische Regierung diesen Betrag bewilligt hat und daß auch die Stadt Leipzig, auf deren Betrieben doch im großen und ganzen die Ausstellung auch stattgefunden hat, sich dazu bereiterNärt hat, die zunächst sür den Augenblick notwendigen Mittel zu beschaffen, und zwar in der Hoffnung, daß dadurch die Möglichkeit geboten war, das finanzielle Ergebnis der Ausstellung zu bessern. Man darf eine derartige Ausstellung nicht allein von dein augenblicklichen Erfolg abhängig machen, solidem man muß sie doch wohl vor allen Dingell davon ab hängig machen, welcher Zweck war mit der Ausstellung verbunden und ist der Zweck dieser Ausstellung wenigstens zum größten Teil dann erreicht worden? Wir dürfen dabei feststellen, daß es nicht allein für Leipzig, fondern auch für Sachsen und wohl auch für das Deutsche Reich von wesentlicher Bedeutung war, wenn etwa das Rauch- warengewerbe, das in Leipzig dominierend wirkt und das für Leipzig und Sachsen auch sicherlich als sehr gute Steuereinnahmequelle bezeichnet werden kann, durch ein, ich möchte sagen, bockbeiniges Verhalten der Behörden etwa dazu veranlaßt worden wäre, insAuSland überzugehen. Diese Gefahr bestand. Sie bestand darin, daß andere Länder, vor allen Dingen England sich bemühen, das Rauchwaren gewerbe an sich zu fesseln. Der mit der Ausstellung gewünschte Erfolg ist erreicht worden. Bedauerlich ist natürlich, daß das augenblickliche finanzielle Ergebnis den Erwartungen nicht entsprochen hat. Es wird uns allen wohl nichts anderes übrig bleiben, als diese For derung zu bewilligen und der Ausstellung noch die Mittel zu geben, um die letzten Gefahren abzuwenden Die jetzt zu bewilligenden Mittel dienen nicht etwa dazu, das Pelzfachgewerbe oder etwa die Groß- unlernehmuugen zu unterstützen, fondern es gilt jetzt vor allen Dingen, einen großen Teil der mittelständigen Gewerbtreibenden, die heute außerordentlich schwer um ihre Existenz zu kämpfen haben, vor noch größerem Schaden zu bewahren. Auch ein großer Teil von Arbeitnehmern würde dadurch geschädigt werden. Bei der gesamten Ausstellung hat nicht allem das Pelzfach gewerbe wesentliche Vorteile gehabt, sondern auch die Arbeitnehmerschaft dadurch, daß der Arbeitsmarkt von einer großen Zahl von Arbeitslosen entlastet wurde. Ich glaube, darüber kann auch die Arbeitnehmerschaft nicht ohne weiteres hinweggehen. Der Vorteil für die Arbeiter schaft hängt nach unserer Überzeugung auch damit zu sammen, daß durch die Ausstellung das Pelzfachgewerhe der Stadt Leipzig, dem Lande Sachsen und dem Reiche erhal ten bleibt, in welchem auch fernerhin eine große Zahl von Ar beitnehmern Lohn und Brot und Beschäftigung finden wird. Meine Fraktion wird der Bewilligung dieser 60000 RM. und dieser 120000 RM. zustimmen. Wir stellen aber dazu die Bedingung, daß, wenn schon die Mittel sür den Ausfall bewilligt werden müssen, und sowohl das Land wie die Städte sowie auch das Gewerbe selbst große Mittel aufbringen müssen, der Staat und die Finanz behörden bei der Eintreibung der Steuerforderungen für dieses Gebiet nicht etwa rigoros vorgeyen werden. (Bravo! b. d. Wirtschp.) Abg. Herrmann (Leipzig) (Komm): Heute gilt es für uns, dazu Stellung zu nehmen: Kann überhaupt eine solche Subventionspolitik gebilligt werden.? Es ist darauf hingewiesen worden, daß der erste Kongreß der Pelzindustrie und die Führung der Arbeitsgemeinschaft nach Leipzig gesetzt worden ist und daß insbesondere der betreffende Präsident, der auch Präsident der Aus stellung war, als berufenster Führer an die Spitze der Gesellschaft gestellt wird. Wir sehen, daß im heutigen Zeitalter der Kartellwirtschaft und der Monopolisierung der kapitalistischen Gesellschaft keinesfalls ein Gewerbe an einem Ort festgebunden ist. Mit der Vertrustung der Gesellschaft verbunden ist aber die verschärfte Aus beutung der Arbeiterklasse. Diese Tendenzen beobachten wie auch in Leipzig in der Rauchwarenindustrie. Die Gelder sind hinausgeworfen worden für Veranstaltungen, wo sich die Herrschaften von dem alten, monarchistischen System ein Treffen gestatteten. Man machte große Festessen aus den Groschen der Steuerzahler, und erst nachträglich, nachdem sich eine Mehrheit zur Bewilligung dieser Summen nicht mehr finden wollte, hat man an- gefangen, eine etwas volkstümlichere Politik auch in der Ausstellung zu machen. Erst nach langen scharfen Dis kussionen richtete inan auch Tage ein, wo die breiten Volksschichten die Ausstellung besuchen konnten, und da zeigte sich auch etwas Hebung der Einnahmen, so daß auch diese Schlußfolgerung, wonach auf Grund der wirt- fchaftlichen Verhältnisse von vornherein der Besuch der Ausstellung zurückgeblieben sei, falsch ist. Falsch war vielmehr die Leitung der ganzen Ausstellung. Gerade das Kürschnergewerbe hat von Anfang an gegen die Ausstellungsleitung und überhaupt gegen die ganze Veranstaltung der Ausstellung protestiert. Aber das ist nicht die entscheidende Frage. Umstritten wird in der Vorlage: Konnte die Ausstellung abgebrochen werden oder von vornherein verhindert werden? Wir sind der Meinung, daß man, nachdem sich noch vor Be ginn der Ausstellung die Wirtschaftskrise so katastrophal verschärft hatte, lieber die bereits hineingesteckten 25000 M. hätte fliegen lassen sollen, als weitere Millionen hinein zustecken, und deshalb wäre es richtiger gewesen, die Ausstellung von vornherein nicht stattfinden zu lassen. Tann folgte die nächste Aktion, wonach Leipzig 1 Million übernehmen sollte, 1 Million, bei der die Kreise der bürgerlichen Seite erklärte»:, eS handelt sich nicht um einen Zuschuß, sondern um eine Bürgschaft. Diese 1 Million die die Stadt Leipzig gewährte, wäre nicht gewährt worden, wenn nicht die drei national sozialistischen Vertreter zugestimmt hätten (Hört, hört! b. d. Komm ), und die 300000 RM. gestern abend erst recht nicht. Die Nationalsozialisten haben also das wenigste Recht, zu sagen, wie sie es imme» tun: wir haben von vornherein darauf hingewiesen, daß die Lieferanten und die steuerzahlenden Bürger jetzt die Summen aufbringen müssen. Was das anlangt, was besoirders von dem Herrn Kollegen Sachse angeführt worden ist, daß es fich jetzt nicht mehr darum dreht, der Ausstellung als solcher Gelder zu gewähren, sondern darum, die kleine» Mittelständler und Gewerbetreibenden, die die Arbeit verrichtet haben, zu ihrem Gelds kommen zu lassen, so sind »vir dafür, daß die Leute ihr Geld bekommen. Aber wo würde die gesamte Wirtschaft hinkommen, wenn alle diejenigen, tue es für notwendig finden, sich einmal ein vergnügtes Stelldichein zu geben, auf Kosten des Staates solche Aufträge in Anspruch nehmen und dann ganz einfach nachher sagen: Run, bitte schön, Stadt, bitte schön, Staat, bezahle den Quatsch, den wir verpulvert haben? Eine solche Politik ist natürlich un verantwortlich, insbesondere gerade jetzt, wo man auf allen Gebieten dazu übergeht, abzubauen Wir sind der