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der vollkommenen Harmonie sorgfältig und fein abgestimmter Farben, deren unendlicher Reichtum immer aufs neue entzückt. Die beste Vorstel lung von diesem Schaffen gewinnt man in der Münchener Pinakothek, die die größte Zahl bedeutender Bilder, die berühmten „Kartenspieler“ und die „Schlägerei am Faß“, die „Würfelnden Soldaten“ und „Weintrinkenden Bauern“, vereint. Zu ihnen gesellt sich eine Fülle gleichwertiger Werke, die sich zerstreut in französischem, englischem, holländischem und amerika nischem Privatbesitz befinden. Unsere Abbildungen zeigen zwei Haupt werke aus den letzten Jahren der Antwerpener Zeit. Die „Operation am Rücken“ (34x27 cm), die das Städelsche Institut in Frankfurt a. M. be wahrt, gehört zu den späten Schöpfungen, in denen die Figuren groß und raumfüllend erscheinen, während die malerische Behandlung durch Unter ordnung der Lokalfarbe unter einen leichten grauen Gesamtton und durch ebenso kühne wie geistvolle Pinselführung zur höchsten Vollendung gelangt. Mit köstlichem Humor schildert der Künstler den medizinischen Vorgang, den der Dorfchirurg mit stoischem Gleichmut ausführt, der Patient mit schmerzverzerrter Grimasse erträgt und die neugierige Alte mit unverhohle ner Schadenfreude und prickelnder Sensationslust begleitet. Es sind im Grun de, nur ins Komische verzerrt, dieselben Typen, die bei anderen Künst lern auf den Darstellungen von Heiligenmartyrien erscheinen: der rohe Henker, der gepeinigte Heilige und der sich an den Qualen weidende Zu schauer. Noch drastischer als die Marterszenen dieser Art wirkt die farben leuchtende physiognomische Studie des „Rauchers“ (41 x 32 cm) im Louvre, Adriaen Brouwer: Operation am Rücken. Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstilut Adriaen Brouwer: Der Raucher. Paris, Louvre mit der uns der Maler vielleicht ein Selbstkonterfei gegeben hat; denn dieses Porträt eines wilden Kerls mit struppigem Haar, der mit aufgerissenen Augen und weit geöffnetem Mund „Ringe zu rauchen“ versucht und die Schnapsflasche mit beiden Händen hält, als wolle er sich von ihr um keinen Preis trennen, paßt eigentlich nicht schlecht zu Sandrarts Äußerung, Brouwer habe sich „durch seine lustige Natur, die zum Possenreißen und Lustreden nach Art des Diogenes Cynici geneigt, fast beyjedermann beliebt gemacht“. Mit welch anderen Gefühlen jedoch der Meister des bäuerlichen Sitten stücks der Natur gegenüberstand, bezeugen einige Landschaftsbilder aus seiner Spätzeit, die mit den großartigen Leistungen Rubens’ und der Hol länder wetteifern und durch ihre ganz neuartige Auffassung an die reifsten Werke der Landschaftskunst im 19. Jahrhundert, vor allem an Corot und Constable, gemahnen. Meist zeigen sie den rasch vorübergehenden Augen blick einer zauberhaften Beleuchtung, den Durchbruch des Sonnen- oder Mondlichts oder Gewitterstimmungen mit ziehenden Wolken. Das bedeutend ste Stück dieser köstlichen Gattung ist der „Sonnenuntergang“ im Londoner Grosvenor House, ein prachtvolles Gemälde großen Formats, in dem der Künstler die Verdüsterung eines goldenen Sommerabends in traumhafter Schönheit verewigt. Aber auch in diesen Landschaften, in denen Brouwer nur selten und sehr sparsam einen Blick in die Ferne eröffnet, bleibt er zumeist ein Schilderer des Bauernlebens, das sich im Vordergrund abspielt. Wenn sich auch hat nachweisen lassen, daß der frühverstorbene Meister 64