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ODEON CONCERTE WERKEINFÜHRUNG setzte. Seither genießt es jene höchste Wertschät zung als das „klassische“ Violinkonzert schlecht hin, die sich nicht besser ausdrücken lässt als mit den Worten des Geigers Gidon Kremer: „Die Klar heit des Violinkonzerts hat eine Höhe erreicht, mit der das Werk über alle virtuosen Effekte... hinaus ragt und für alle Zeiten ein Höhepunkt bleiben dürfte.“ Ludwig van Beethoven | Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 „Ich erinnere mich,dass in der Beethovenschen c- Moll-Symphonie im Übergange nach dem Schlusssatz hin, wo alle Nerven bis zum Krampf haften angespannt sind, ein Knabe fester und fes ter sich an mich schmiegte und, als ich ihn darum fragte, antwortete: er fürchte sich!“ - so berichtet Robert Schumann von dem ungeheuren Ein druck,den eineAufführungvon Beethovens Fünf ter zu seiner Zeit erregte. Und Felix Mendelssohn Bartholdy teilte im Jahre 1830, als er sich bei Goethe in Weimar aufhielt, an seine Familie in Berlin mit:„Vormittags muste ich Goethe ein Stündchen auf dem Clavier vorspielen, von allen verschiedenen großen Komponisten... An den Beethoven wollte er gar nicht heran. Ich sagte ihm aber, ich könne ihm nicht helfen, und spielte ihm nun das erste Stück der c-Moll- Symphonie vor. Das berührte ihn ganz seltsam. Er sagte ernst:,Das macht nur staunen,das ist gran dios', und dann brummte er so weiter, und fing nach langer Zeit wieder an:,Das ist sehr groß,ganz toll, man möchte sich fürchten, das Haus fiele ein; und wenn das nun alle die Menschen zusammen spielen.' Und bei Tische mitten in einem anderen Gespräch, fing er wieder damit an.“ So unmittelbar getroffen und aufgewühlt sind wir Hörer von heute nicht mehr. Zu bekannt ist das Werk inzwischen, zu oft wird es aufs Konzertpro gramm gesetzt, als dass der ungeheure Eindruck uns noch vorstellbar wäre, den die c-Moll- Sinfonie gemacht haben muss, als ihre Auffüh rung noch ein seltenes Ereignis war. Und so kommt es uns vielleicht überspannt vor, wenn Ernst Theodor Amadeus Hoffmann in seiner um fangreichen Rezension der „Fünften“ im Jahre 1810 schrieb, diese Musik öffne „das Reich des Un geheuren und Unermesslichen. Glühende Strah len schießen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir werden Riesenschatten gewahr, die auf- und abwogen, enger und enger uns einschließen und alles in uns vernichten, nur nicht den Schmerz der unendlichen Sehnsucht, in welcher jede Lust, die schnell in jauchzenden Tönen emporgestiegen, hinsinkt und untergeht... Beethovens Musik be wegt die Hebel des Schauers, der Furcht, des Ent setzens, des Sch merzes und erweckt jene unendli che Sehnsucht, die das Wesen der Romantik ist.“ Das mag ein wenig dichterisch-überschwenglich formuliert sein, weist aber doch auch daraufhin, dass uns das Sensorium für die Kolossalität der Beethovenschen Musik inzwischen verloren ge gangen ist. Die ungeheure Konzentration des er sten Satzes, der fast ganz aus einem kurzen Motiv hervorgetrieben wird, die C-Dur-Fanfarentöne im Andante, die den zukünftigen Triumph schon antizipieren: können wir das in seiner Bedeutung noch erfassen? Und vor allem den Übergang aus dem ins Schattenhafte versinkenden Scherzo zum sieghaften Überschwang des Finales, in dem Beet hoven des Effektes halber bisher im Sinfonieor chester ungewohnte Instrumente heranzieht: „Das letzte Stück der Sinfonie ist mit drei Posau nen und Flautino - zwar nicht drei Pauken, wird aber mehr Lärm als sechs Pauken und zwar bes sern Lärm machen...“