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hat, ist der Hörvorgang und seine Phänomenologie ein weites Themenfeld für den Komponisten. Die oft rhythmisch wie harmonisch kompliziert anmutenden Partituren Furrers experimentieren auf eine sinnliche, konstruktive Weise mit den Hörgewohnheiten und versuchen, neue Räume des Hörens zu erschließen. Furrers kompositorische Ideen scheinen während des Tönens selbst zu kreisen; es finden sich schillernde Formen, etwa wie obsessiv ein nie wirklich erreichtes Ziel in dichter Gedrängtheit umschleudert wird. „Was mich immer beschäftigt, ist es, zu begreifen, was den Menschen so planlos in Bewegung hält, dass er sich wie in einer blinden Wut von der Natur trennt", äußerte Furrer einmal. Trotz der Komplexität schimmert in Furrers Oeuvre oft Bekanntes: Ein deutlicher Bezug zur Tradition besteht in zumeist kaum aufgegebenen „klassischen" Besetzungen, auch in der Hinwendung zu rein konzertanten Ensemble- oder Solostücken. Dazu passt, dass Furrer ausgerechnet dem Klavier mehrere Werke widmet, das im 20. Jahrhundert doch lange Zeit für tot erklärt, dann aber zumindest in die Kammerensembles wieder integriert wurde. Gerade beim Klavier stellen sich Furrers Ideen besonders transparent dar: In „nuun" für 2 Klaviere und Ensemble (1996) spielt Furrer mit der Wandlungsfähigkeit von Synchronizität, in anderen Stücken erkundet er etwa den akustischen Rand der Hörbarkeit, Obertonspektren und Resonanzen. Im Konzert für Klavier und Ensemble, 2007 entstanden und von Dimitri Vassilakis (Klavier) und dem Ensemble Intercontemporain 2008 uraufgeführt, ist das Entkommen oder zumindest Ausruhen schon deshalb schwierig, weil sich der Zuhörer in einer permanenten Klang-Achterbahn befindet, auf der zwar immer wieder ein Glitzern und Leuchten entsteht, es aber im nächsten Moment eben auch mit Kaskaden durch den gesamten Tonraum rapide abwärts gehen kann. Furrer untersucht im Klavierkonzert vor allem das Ausdrucksspektrum und den Resonanzraum des Klaviers. Das ganze Ensemble wird zu einer Art „Resonator" für das Klavier, auch in dem Sinne, dass es auf bestimmte Vorgaben des Solisten antwortet oder widerhallt: „Der Klavierklang bleibt immer das Gravitationszentrum" so Furrer. „Das Orchester ist der Verstärker, der dem Klavier Raum gibt." - Diese Kompositionsweise führt auch zu offen dramatischen Folgen, dann nämlich, wenn die motorische Qualität des Klaviers in den Vordergrund gestellt wird und das Ensemble ebenfalls zu rasen beginnt. Furrer stellt das ganze Werk auf eine bestimmte, kompositorisch gefundene Klangqualität ab: „gläsern", „metallisch", „gongartig" eilt das Stück durch verschieden gestaltete Räume eines großen Klanggebäudes. Dabei wird eine nicht vordergründige Virtuosität des ganzen Apparates zum Faszinosum. Allen Werken Furrers zu eigen ist die hohe Affinität zum Thema Sprache. Die fast chirurgi schen Untersuchungen verschiedener Zustände zwischen Fühlen, Sprechen, Singen und Tönen werden in vielen Werken aufgegriffen: Wie entsteht eine Art literarischer Fluss? Was bewirkt Wiederholung? Wie entfaltet sich Poesie, obwohl nur ein einzelner, einsamer Ton erklingt? Das sind Aufgaben, denen sich Furrer gern stellt und dabei frappierende