„In meinen Tönen spreche ich“ - Brahms an Clara Schumann- von Andrea Wolter Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Entstehung: 1876 Uraufführung: 4. 11. 1876 in Karlsruhe unter der Leitung von O. Dessoff „An den Wissower Klinken ist eine schöne Sinfonie hängengeblieben“ - So kündigte Johannes Brahms seinem Verleger Simrock die bevorstehende Voll endung seiner 1. Sinfonie an. Damit flüchtete er sich in eine jener bagatellisier enden Umschreibungen, mit denen er insbesondere seine Instrumentalkomposi tionen auf irritierende Weise herabzumindern pflegte, um womöglich allzu hohen Erwartungen an seine Werke entgegenzuwirken. Denn eine komplizierte Mischung aus Unsicherheit und höchster Motivation durch vorangegangene Erfolge hat Brahms vermutlich unablässig begleitet, und bei der über fünfzehn Jahre andauernden Arbeit an der 1. Sinfonie belastete ihn zusätzlich das Bewusstsein, dass er sich mit ihr den Sinfonien Beethovens als den bedeu tendsten schöpferischen Leistungen der Klassik stellen würde. „Ich werde nie eine Sinfonie komponieren“, schrieb er an Hermann Levi, “Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zumute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört.“ Bereits Schumann, dessen Weg zur Sinfonie von ähnlichen Bedenken begleitet wurde, hatte in seinen „Gesammelten Schriften über Musik“ bündig formuliert: „Wenn der Deutsche von Sinfonien spricht, so spricht er von Beethoven: die beiden Namen gelten Ihm für eines und unzertrennlich ...“ Brahms aber haftete die Aura des Beethoven-Nachfolgers an, seit in jenem zweimaligen Einsatz ungestüm voranschreitender Akkorde zu Beginn der 1853 entstandenen C-Dur-Klaviersonate des eben erst aus der „dunklen Stille“ Hamburgs Eingetroffenen eine Verwandtschaft zu ähnlich lautenden Themen Beethovens entdeckt worden war, und als dreiundzwanzig Jahre später, am 4. November 1876, Brahms’ erste Sinfonie ihre Uraufführung erlebte, schien jede Bewertung ebendort anzuknüpfen: „Als ob seit Beethoven nichts vorgefallen wäre,“ meinte Hugo Wolf über das neue Werk, und der Dirigent Hans von Bülow apostrophierte es kurzerhand als „Die Zehnte von Beethoven“.