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- 443 - AuS Wie« vom 9. Juli wird telegraphisch be richtet: „Von glaubwürdiger Seite erfahren wir, daßdieFriedenSunterhandlungen zwischen dem österreichischen und dem französischen Kaiser direct, ohne vorläufige BetheiUgung neutraler Mächte, eröffnet werden. Graf Rechberg bleibt zu diesem Zwecke in Verona und Graf Walewsti wird in Valeggio eintreffen." Wien, 10. Juli, Abends. Officielle Nachrich ten-aus Verona melden, daß der Kaiser Napoleon den Wunsch nach einer Zusammenkunft mit dem Kaiser Franz Joseph auSgedrückl hat und infolge dessen diese Zusammenkunft der beiden Kaiser mor gen (Montag) Vormittag 9 Uhr zu Villafranca statlfinden wird. Bekanntlich werden in Preußen von Seiten deriPrivatwohlthätigkeit großartige Veranstaltungen getroffen, den zurückbleibenden Familien der ein- berufeneii Landwehrmänner während deren Ab wesenheit von Haus und Geschäft Unterstützung ongedeihen zu lassen. Jetzt macht sich auch in Sacksen eine Stimme geltend, welche eine gleiche Thätigkeit zu Gunsten der Familien unserer ein- berusenen Kriegsreservisten anzuregen sucht. Es geschieht dieS-iin Dresdner Anzeiger, in wel chem die Hoffnung ausgesprochen wird, daß sich Männer finden werden, welche die Mühwaltung übernehmen, Gaben zu sammeln, um den heim- gelassenen Familien der Kriegöreservisten die un entbehrlichsten Lebensmittel zu sichern. Diese Hoff nung wird wohl nicht unerfüllt bleiben. Wien, 5. Juli. Alle Fenstern der Fronte des rechten Flügels der Franz-Josephskaserne waren gestern Nachmit tags mit den sordo-französischen Gefangenen be setzt, und eine große Menge Menschen stand mitten in der Straße und sah halb neugierig, gutmüthig-liebenswürdig zu den Franco-Sarden empor. Da waren sie denn, die Feinde, von denen man so oft gelesen, da konnte man sie von Angesicht zu Angesicht sehen. Die kleinen unansehn lichen picmontesischen Infanteristen in Leinenblousen und blauen Kappen, und die Scharfschützen (Bersaglieri), das Haupt mit einem Lacklederhute, mit einem Hahnfederbusch geschmückt, nach Art unserer Postillone bedeckt. Mehr In teresse erweckten die Franzosen, von denen viele mit der Krim- und der Bjctoriamedaille geschmückt waren. Da sah man Fantassivs (Infanteristen), die Zahl am Käppi bezeichnet das Regiment, einen Zimmermann mit langem blonden Barte, einen Dragoner mit den crinolinartigen Spreizen, welche die weiten Beinkleider in der Gegend der Seitentaschen in voller Breite auseinander treiben, einige Chasseurs d'Afxique und die Zuaven, den Fes auf dem Kopfe. Da nun der Wiener nicht lange eine solche Scene mit ansehen kann, ohne daß in ihm der Gedanke erwacht, die Leute könnten wohl Durst haben, oder eine Cigarre würde ihnen vortrefflich schmecken, und da die Gefangenen dieser Intention mit merkwürdigem Errathen freundlichst entgegebkamen, so entwickelte sich bald ein äußerst bewegter Verkehr zwischen den Versammelten auf der Straße und den Franco-Sarden an den Fenstern, um somehr, da die Wachen unten und oben von'Sotdakst dies Wiener Regiments Deutschmeister versehensrhurden. Ein« der Gefangenen halte sondirt und seinen Leinensack an ei nem Faden aus dem Fenster auf die Straße heräbgelaffen. Im Augenblick war der Sack mit Brod, Geld, Cigarren und hundert andern Gegenständen gefüllt. hinyufgezogen, wieder hinqbgelaffen; dem «inen Sock folgten andere,, selbst vom vierten Stock herab; die Gefangenen saßen rittlings auf den Fensterbrüstungeo, statt der Faden wurden Sack tücher, Schärpen von allen Farben re. aneinander gebun den hrrabgelaffen, kurz nahe an dreißig bunte Seile ver mittelten den allmählig sehr fröhlich gewordene» Verkehr zwischen den Gefangenen und den Wienern, die alles an Taback und Cigarren Hergaben, was ffe an sich besaßen. Selbst zu Flaschcnzügen wurden diese Schärpenseile, und stets ertönt, unten ein Jubel ohne Ende, wenn einem der Franco-Sarden das Wiener Bier vortrefflich mundete und er Vjreot iss Visooois oder Lrvir» rief. „Solch ein Dier trinkt ihr,in Pgris nicht", rief ein Altwicner mit leuch tenden Äugen und schnalzigem Ünterkinn den Franzosen zu und — ließ noch einen „Pitschen" kommen. Gegen S Uhr wurde plötzlich diesem Verkehr zwischen Publikum und Gefangenen ein Ende gemacht. Richt minder interessant waren die Scepen, tzie in der Kaserne selbst spielten.. In den Höfe» umstanden Gruppen von ungarischen nnd pol nischen Soldaten je einen Züaven, betrachteten sie stumm und verwundert, und diese ließen Alles mit sich Machen. May verständigte sich durch Pantomimen, aber man ver stand einander vollkommen. Zuerst wurde der Dollbart betastet, dann dse Victoriamedaille.angerührt und herum gedreht, später ging der Fes von Hand zu Hand, die Jacke wurde betastet; Ungar stellte seinen Fuß neben jenen de» Zuaven und nun ging es an den Vergleich der beiderseiti gen Stiefel. Es wurden lang« Abhandlungen über die leichtere , französische .Sch udmachcrarbeit laut. Der Zuave mußte fortwährend den Fuß rechts und links drehen, heben rc., und er that es gutmüthig wie ein Kino. Endlich demon- strirte er unsern Soldaten die Vorzüge seiner weiten Pump hosen, wie leicht es sich in ihnen gehe, wie tief man sich bücken könne, und wie viel die Faschen fassen nnd noch viele andere. Es herrscht der brüderlichste Verkehr zwischen unsern Soldaten und den Gefangenen. Die Chasseur« d'Afrique und einige-von den Zuaven waren am exklusiv sten; sie saßen in einer Hinterstyb« der Cantina ernst und ruhig, und tranken rothen Wein. Einer derselben fragte uns, ob auch in Böhmen, wohin sie kommen sollen, rother Wein wachse? Löbau, k. Juli. Dir hiesigen GeschäftSver- hältnifle haben sich trotz KriegSgeschrei und KriegS- furcht so gestaltet, daß man sie mittelgut »eNnen kann. Auf die großen Weberdörfer zwischen hirr, Rumburg und Zittau üben die Zeitverbältniffe einen sehr nachtheiligen Druck aus. Wenig Arbeit, schlechter Verdienst, weShalb auch nur Kartoffeln ohne Butter, wenig Brod und schlechter, brauner, kaffeearligcr Aufguß als Nahrung dienen und die Noth vergrößern. — Unser Getraidemarkt war im vorigen Monat äußerst belebt denn an den 4 Wochenmarkltagen waren nicht weniger als 17,767^ Scheffel Getraide, Mehl «. am Platze. - Die Nachrichten aus den verschiedensten Gegen den B'elgienS stimmen darin überein, daß dir Ernte durchschnittlich «in starkes Dritt«! mehr