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— F2Z — blos da- von Marie empfangene Geld hatte er ver spielt, neue Summen hatte er erborgt und verloren. ES war am Abende nach jener unheilvollen Nacht, aber noch war das Bewußtsein deS Unglücklichen nicht auf eine einzige Minute zurückgekehrt. Der Arzt hatte das Fieber als daS Nervensieber erkannt. In wilden, sieberhaften Phantasiert, irrten die Ge> danken deS Kranken umher, seine Augen starrten glanzlos iw daS Antlitz der Geliebten, aber nicht er kannten sie dieselbe. „Roth gewinnt," rief er laut. — „Ich setze zehn, — wieder gewonnen, — «ioublS — «loublS — v» banquv! Ha, ha! Jetzt endlich habe ich gewonnen. Marie meint, ich werde verlieren, seht hier das Gold, aber eS ist so schwer, «S erdrückt mich, es preßt mir die Brust zusammen, laßt mich hinaus, ich muß Luft, Luft, Luft haben!" — Seine Hände fuhren wild und unstät in der Luft umher, er sprang in die Höhe, um das Bett zu ver- lassen, und nur mit äußerster Anstrengung vermochte Marie ihn zurückzuhalten. Ihr« Hände preßten den Kranken aus das Bett zurück, über ihre Wangen rannen heiße, unaufhaltsame Lhränen. All ihren Schmerz, all ihr Unglück hatte die Leidenschaft deS Spieles über sie gebracht und jetzt mußte sie fort während hören, wie der Kranke in seinen Fieber- phantasieen beim Spiele weilte; auch setzt war die schreckliche Leidenschaft noch nicht aus der Brust ge wichen, und ununterbrochen währten die wilden Fieberträume des Kranken die ganze Nacht hindurch. Kein Schlaf senkte sich auf die brennenden Augen Mariens, keine Minute ging sie von dem Bette des Kranken, keinen Augenblick wandte sie den Blick von den Augen deS Geliebten. Und diese Augen k Dieser irre, starre, glanzlose Blick! — Sie schnitten ihr tief in das Herz hinein. Was Marie in dieser einelfeinzigen Nacht erduldete und standhaft ertrug, das vermag nur die selbstvergessende, aufopfernde Seele eines liebenden Weibes zu ertragen. Die Männer heißen das.starke Geschlecht, aberhundert- mal übertrifft sie das Weib in der Kraft zu dulden und zu ertragen. Die Geschichte nennt uns nur we nige im Leiden standhafte und geduldige Männer, aber fast jedes Frauenleben enthält eine Episode aus dem Leben des Hiob. — Tage und Wochen saß Marie an dem Kranken bette ihres Geliebten, manche Nacht hatte sie dort in qualvoller Angst durchwacht. Richard genaß nur langsam, und nimmer würde er daS Lager wieder verlaffen haben, wenn nicht so liebevolle Augen über ihn gewacht, wenn nicht eine so treue Hand ihn ge, pflegt, wenn er nicht auö seiner Geliebten mildem, freundlichen Blicke frischen LebenSbalfam für (ein kranke-/zerrüttete« Herz geschöpft hätte. Mit unendlicher Aufopferung und LMe hatte Marie Alles entfernt, waS ihn an dir Folgen seiner Leidenschaft erinnern konnte. Ihre letzte Hahe hatte sie hingegeben, um dir Schulden zu bezahlen, Vie tir . - in seiner Verzweiflung grmacht, sie hatte nur den einen Gedanken: ihren Geliebten zu retten. Monde waren vergangen, als Richard zum ersten Male auf den Arm seiner Marie gestützt hinaustrat in die warme, milde FrühlingSluft. Mit wirklichem Heißhunger sog sein Mund den Erquickenden Duft von Blumen und Blüthen ein, und sein Lage stärkte sich an dem frischen Grün der Bäume und Wiese», und seine Brust war zu eng, um die Freude zu fas sen, die ihm von dein weiten blauen Himmel nit- gegenstrablte. Sein Auge füllte sich mit LhränM schweigend drückte er dir Hand seiner Geliebten und blickte ihr in's Arche und in diesem einen Bliche sprach sich die gackze Fülle seiner tziebr und seine« DankeS aus. Sein Herz war so ruhig und mild geworden^ alte seine früheren Leidenschaften waren auS ihm ge wichen ; es war ein milder GenesungStag für Körper und Herz, zugleich. Mit Wehmuth blickte er zurü^ ' — aber die Vergangenheit wär ja abgeschlossen, ei» neues Leben, ein neues Streben und neue Enk schlösse beseelten ihn. „Wir verlassen," sagt Jean Paul so schön, „mit , schöneren Entschlüssen das Siechbette, als wir e« bestiegen. Denn der GenesungStag des überwin terten Körpers ist die Blüthezeit einer schönen Seele, sielritt gleichsam verklärt aus der kalten Etdenrinde in ein laues Eden, sie will Alle- an den schwachen, schwerathmenden Busen ziehen, Menschen und Blu men und Frühlingslüfte und jede fremde Brust, di, am Krankenbette für sie gefeufzet hatte, sie will Al les, wie andere Auferstandene, eine Ewigkeit hin durch lieben, und das ganze Herz ist rin feucht-, warmer, quellender Frühling voll KnoSperr unter einer jungen Sonne!" — Der Sommer neigte sich zu Ende. An der Seile seiner jungen Gattin Marie-fuhr Brandt heiter unv. glücklich in das Provinzialstädtchen ein, in welche- er als Assessor versetzt war. DaS Glück, welch«- er an der Seite seiner Marie erhofft hatte, wat nicht blos ei» geträumtes, eS ward zur vollen, wirk lichen Wahrheit. Sein Gehalt war nur rin ge- ringer, sie mußten einfach, oft eingeschränkt leben, aber sie thatrn eS gern, weil sie sich glücklich fühltest. Richard, der als Sohn eines reichen Fabrikherrn vost Jugend auf verwöhnt war, sehnte sich nicht nach fti- nem Reichthume zurück, er fühlte sich jetzt glückKcher und zufriedener denn je, und täglich entdeckte er neue Tugenden und Liebenswürdigkeiten Warten«.