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616 ßen, Oschatz, Leipzig, Borna, Rochlitz, Mittweida, Chemnitz, Augustusburg, Annaberg, Eibenstock, Zwickau, Plauen — ohne Rücksicht auf das Scdön- burg'sche Receßgebiet — und 113 Gerichtsämter hergestellt werden. Leipzig, 2. Decbr. Der Nath macht unserm 25. Novbr. bekannt, daß es den hiesigen sowohl wie auch den auswärtigen Bäckern, wie schon im Jahre 1847, von jetzt ab gestattet sei, außer den gewöhnlichen Brotsorten, auch ein Schwarzbrot, zur Hälfte aus weißem, zur Hälfte aus schwar zem Mehle zu backen. — Der Schuhmacher U. von hier, der zur Zeit des ersten c a l i fo rn i sch e n Goldtaumels aufbrach, um sein Glück am Sacramento zu versuchen, ist dieser Tage milden Früchten seines Fleißes, circa 10,000 Thlrn., wie der hier eingetroffcn. Der Zweck seiner Rückkehr rst übrigens nur, seine Familie nachzuholcn und dann aufs neue Gold zu graben. Reichenbach, 2. Decbr. Zu der vorhande nen Theuerung und Geschäslsstockung ist ein wei teres Uebel gekommen — eine heftige Feuers brunst. Gestern Abend um 8^ Uhr brach in dem Holzschuppen der sogenannten Strödclsmühle Feuer aus und griff bei sehr heftigem Winde mit reißender Schnelligkeit um sich, so daß in einer Halden Stunde sechs Häuser in Flammen standen und in kurzer Zeit fast gänzlich niederbrannten. Ein Haus mußte nicdergerissen werden, um dem Feuer Einhalt zu thun; mehre andere wurden be deutend beschädigt. Leider sind auch drei Menschen dabei ums Leben gekommen, und zwar zwei Kin der der Frau Langenbach, ein Knabe von sieben und ein Mädchen von sechs Jahren, welche in ih ren Betten verbrannten, während die Mutter mit der Rettung des jüngsten beschästigt war. Heute Morgen hat man die Ueberreste ihrer Körper auf- gesunden. Ferner wurde der beim Löschen mit helfende Weber Knoth ans Mylau, 2"> Jahre alt und ledig, beim Einstürzen einer Mauer so be schädigt, daß derselbe in zwei Stücke zerschlagen und im Augenblick todt war. — Nur eine Nacht vor Sebastopol. Von den nächtlichen Alarmirungen der Alliirten im Lager vor Sebastopol giebt der Brief eines Engländers aus Balaklava vom 2. Novbr. folgendes Bild: „Die nächtlichen Angriffe, Alarmirungen und Ue- berraschungen sind etwas ganz Gewöhnliches; sie ha- bm längst ausgehört, Ueberraschungen zu sein; wir würden vielmehr überrascht sein, wenn sie nicht vor kämen. Sie haben aufgehört, irgendetwas zu sein, ausgenommen eine ergiebige Quelle von Flüchen ge gen Feinde im Allgemeinen und die Russen insbeson dere. Sie sind ohne Zweifel die unangenehmsten und ermüdendsten Jncidenzfälle einer Belagerung. Nach ei nem mühevollen und aufregenden Tage, der an Stra pazen so reich war, daß selbst Lie Ruhe in einem Zelte angenehm wird, wickelt sich der Soldat so gut er kann ein und streckt sich nieder. Nach einer Stunde ungefähr überkommt ihn das Gefühl einer Erstarrung, welches ihn zuerst auf die Dermuthung führt, er habe sich aus Versehen in eine Pfütze gelegt uns dann fällt er allmälig nicht in Schlaf, sondern in eine gewisse nebelige Eristenz, in welcher er sich der Kälte unv des Schlafmangels bewußt ist, in der That in einen Zustand, der in England das Einschreiten des „köni glichen Meuschlichkeitsvereins" rechtfertigen würde. In diesem zweifelhaften Zustande gehen vier "oder fünf Stunden vorüber. Es ist nach 2 Uhr, die Hcrenzeil in der Krim, da plötzlich verspürt er eine Erschütte rung des Erdbodens, welcher ein paar Sekunden nach her der dumpfe Knall einer Kanone folgt, und dann folgt der Donner einer Bombe, welche durch die Luft pfeift, näher und näher, bis sie mit schwerer Wucht außerhalb der Zeltlinie niederfällt. Da bleibt sie glücklicherweise und nachdem sie noch einen Augenblick wie eine aufbrechende Locomvtive gelärmt hat, platzt sie mit lautem Puff und die Stücke fliegen sausend durch die Lust. Dann ahnt der Soldat mit prophe tischem Seufzer, was folgen wird. Noch acht oder zehn Bomben fallen an derselben Stelle nieder, zu weit weg, um ihn zu treffen, aber viel zu nah, um ihn ganz theilnahmlos zu lassen, und dann gehen fünf oder sechs Kanonen auf einmal los und lassen ihren Donner erschallen. Doch immer noch bleibt es ruhig im Lager und die Schildwache ruft: „Alles wohl!" als stände sie in Kensington auf Posten. Die Kanonade dauert fort und bricht nach einer oder zwei zeitweiligen Pausen in einen wahren Sturm aus. Bomben ergießen sich über den Hügel und fallen mit einem „Klapp" in den nassen Boden und dann beginnt der Soldat' dunkel Las Aufblitzen bei ihrem Platzen durch das Leinen seiner Wohnung zu sehen. Aber noch immer machen die Alliirten keine Anstalt, ihr Lager zu verlassen, obgleich das Schießen immer hei- ßer wird. In einem andern Augenblick läßt sich der scharfe und schnelle Schuß einer Muskete, dem gleich ein zweiter und dritter folgt, vernehmen. Dann hört die Kanonade auf und das Knattern der Miniebüchseu erstreckt sich unsere Vorpostenlinie entlang. Noch im mer aber sind die Alliirten unbegreiflich ruhig und man fragt sich verwundert, ob Lord Raglan denn wirklich feine Soldaten in ihren eigenen Zelten maffacriren