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DRESDNER PHILHARMONIE unter ihnen sind die »Variations on America« für Or gel (1891), in deren Zwischenspielen Ives bereits die I Überlagerung zweier Tonarten praktizierte. Im Üb rigen verschaffte sich Ives bis 1894, als er die Yale I University bezog, vor allem praktische Erfahrung in verschiedenen Musikkapellen sowie ab 1888 als Kir chenorganist. Sein Weggang nach Yale markiert die | erste große Zäsur seines Werdegangs: An die Stelle seines Vaters, der Ives nur am Rande mit der euro- | päischen Musik bekannt gemacht hatte, trat nun, nach dessen Tod im selben Jahr, die Autoritätsfigur | des Musikprofessors in Yale, Horatio Parker. Als in München ausgebildeter Komponist versuchte dieser, Ives in handwerklicher und ästhetischer Hinsicht auf die Bahn der konservativen europäischen Mu sik zu lenken, was zu vielerlei Konflikten zwischen I Lehrer und Schüler führte. (...) 1902 gab Ives seine letzte Organistenstelle auf ! und widmete sich hauptberuflich endgültig seinem Versicherungsberuf, den er schon seit 1898 ausge übt hatte und in dem er im Laufe der folgenden, weitgehend in New York verbrachten Jahrzehnte zum erfolgreichen, innovativen Mitinhaber einer i großen Versicherungsgesellschaft (Ives Et Myrick) aufstieg. (...) Musikalisch zeichnete sich nach 1902 mehr und mehr Ives' Wille ab, die musikalischen Stile, die ihn geprägt hatten, zu Überhöhen und zu einer neuar tigen, ganz individuellen Musiksprache zu synthe tisieren - einer Musiksprache, die zunehmend von einer (teils literarisch vorgeformten, teils nur in Ives' Erinnerung lebenden) Vision des ländlichen Ameri ka seiner Jugend inspiriert war und proto typischen Ausdruck in Werken wie der »Holidays Symphony« oder den »Three Places in New England« fand; er- I wähnt sei in diesem Zusammenhang nicht nur Ives' vieldiskutierte Verwendung von (oft verfremdeten) | Zitaten aus den verschiedensten musikalischen und sozialen Sphären, sondern jegliche Art des Verwei sens und Anspielens, sei es auf Außermusikalisches, sei es auf die Musikstile des Ragtimes, der Negro Charles Ives' Musik hatte es anfangs schwer beim Publikum. Zu seinen An hängern gehörte Lou Harrison (1917 bis 2003), ebenfalls ein amerikani scher Komponist, dem er 1940 begegnete, der ihn förderte und ihm auch zu mehr Popularität verhelfen konnte. Als Ives 1947 mit seiner Sinfonie Nr. 3 den begehr ten Pulitzer-Preis gewann, schenkte er Harrison die Hälfte des Preisgeldes mit dem Kommentar: »Prizes are for schoolboys - I am no longer a schoolboy.«