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257 Er hat seine Hast in Hubertusburg bereits ange- lreten. — Aus dem Voigtlande, 27. Mai. Die anhaltend ungünstige Witterung bewirkt man che unangenehme Wirkungen. Die Bestellung der Felder ist sehr zurückgeblieben; die Baumblüthe, welche viel versprechend war, hat theils durch die Kälte, theils durch die Fäulniß gelitten; die Win tersaaten sind noch zurück, und die Getraidepreise sind schon gesteigert worden. Die Spcculation ist sehr geschäftig und nimmt trotz der Aussicht aus nur kurze Dauer der Steigerung die überaus großen Zufuhren aus Böhmen meist schon vorher in Beschlag. Die Handthierung geht nicht ganz wie man wünschen möchte. — In Heinersgrün, einem Dorfe nicht weit von der bairischen Grenze, wurde ein Bruder von dem andern in Folge eines heftigen Wortwechsels dergestalt am Kopfe verletzt, daß er am andern Tage gestorben ist. Der un glückliche Todtschläger wollte sich erschießen, traf sich aber schleckt und liegt ebenfalls an Kopfver letzungen schwer darnieder. — Die Diebstähle meh ren sich »jetzt wieder. An der bairischen Grenze ist das Eigenthum sehr gefährdet. Die vermehr ten Hilfs-Gensdarmen sind deshalb sehr am Platze. — Wie es dermalen geht? „Es geht Alles gut!" Man lackt ja! Und wer lachen kann, recht herzlich, recht gemülhlich la chen, i nun, der fühlt sich nicht ganz unbehaglich. Und worüber wird gelacht? Ueber Kleinigkeiten! Ein Witz des launigen Dorfbarbiers, oft sicher kei nen Deut werth, oft ziemlich gemein und ordinair, unterhält ganze Gesellschaften nicht selten stunden lang. ,'S mag sein! Lieber eine heitere Stimmung dSS Gemüthes, als eine so gedrückte Stimmung, wie sie der furchtbare Ernst eines halben Jahrze- hends erzeugte! „'S geht gut!" Während man vor wenigen Jahren auf recht barsche Weise mit Pflastersteinen spielte, drängt man sich jetzt auf Messen und Märk ten den unschädlichem und erquicklichen Pariser Pfla stersteinen zu. „'S geht gut!" Man reitet wieder bessere Pferde. Statt der leidigen Politik, welche früher zum einzigen Steckenpferde geworden war, wendet man sich wieder der Kunst und der Wissenschaft zu, und eine Menge neuer Erfindungen, die großartig sten Leistungen im technischen und gewerblichen Fa che, das friedliche Beisammensein der Repräsentan ten aller Nationen der Erde im riesigen Glaspalaste Londons, und viele andere Erscheinungen beweisen es, daß man sich Ed el rosse sucht. Schneider-Liebchen. ^Erzählung aus den Jahren 1813 und 1815. (Fortsetzung.) , Indem er ganz unwillkürlich eine Bewegung rückwärts nach dem Geländer der Brücke machte, traf ein Steinwurf seinen Tschacko, der in die Elbe hinabsiel. „Ein Bad für den Capitän! ein Bad für ihn — eS ist ihm zu heiß — laßt ihn schwimmen wie seinen Tschacko!" schrie der junge Mann, warf seine Hacke von sich und stürzte mit einem Sprunge auf den Offizier los, dessen Waffe zur Seite schleudernd und ihn selbst mit unwidse- stehlicher Gewalt rückwärts über das Irländer drückend, daß nur dessen sich an das kttztttelfest- klammerndcn Hände ihn von einem jähon Sturze in die unten rauschende Fluth noch zurückhielten Jedenfalls würde dieses Schicksal den Offizier er reicht haben, wenn die Bürgergarde, die schon heute Morgen so wesentliche Dienste zur Aufrecht erhaltung der Ruhe geleistet, nicht in breitem Zuge und im Geschwindschritt herbeigeeilt wäre und den wildtobenden Volkshaufen auseinander gesprengt halte. Der junge Mensch sah sich in die Noth wendigkeit versetzt, seiner eigenen Rettung wegen, sein Todesopfer loszulassen. „Wir finden unS wieder, Capitän!" rief er dem Offizier zu, der durch den Todesschreck, welcher ihn erfaßt hatte, ganz erschöpft auf dem Trottoir in die Knie sank. Wenn nun auch die Brücke durch die Bürger garde geräumt ward, so war damit der Aufstand doch nicht unterdrückt. Wild wogten die Volks haufen auf dem freien Platze vor dem Schlosse und durch die Augustusstraße, wo General Rey- nier im Brühl'schen Palais wohnte und das Ge brüll: „Die Franzosen fort!" hallte über den Neumarkt hin. Immer größer wurde der Volks strom, man forderte vor ihrem Wachlokale die Bürgergarde zur Theilnahme an' dem Aufstande auf, jedoch vergebens. In Neustadt wirbelten die Trommeln, die französische Besatzung stellte sich in der Hauptstraße unter Gewehr. Sächsische In fanterie marschirte zwischen der katholischen Kirche und der Brücke auf, sächsische Kürassier-Abthei- lungen und starke Patrouillen der reitenden Bür gergarde durchzogen die Straßen, um Zusammen rottungen auseinander zu treiben und es schien auch, als ob allmälig Ruhe einträte. Jndeß mit dem immer tieferen 'Abendgrau erhob sich der-Auf ruhr mit größerer Gewalt als zuvor,' im Brühl- schen Palais klirrten die Fenster der Hlruckteten Wohnung Reyniers unter einem SteifiMgel. in Scherben, und ein tolles Jubelgeschrei vegleitete die Ausführung dieser niedrigen Rachethat. . „Rty- nier 'raus! Die Franzosen fort!" mit dieser Loo-