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Aus dem Vaterlande. Leipzig, 6. April. In den letzten Tagen passirte noch eine österreichische Truppenab- theilung — 2 Offiziere und 10S Mann vom 60. Infanterieregimente Prinz Gustav-Wasa — unsere Stadt.- Sie gehörte zu den Truppen, welche vor einiger Zeit hier durch nach Böhmen zurückzogen. Weitere Durchmärsche von Oesterrei chern sollen vor der Hand und bis nach beendig ter Messe nicht zu erwarten sein. In Berlin sind seit einigen Tagen zahlreiche falsche sächsische Zweineugroschenstücke in Curs gekommen. Dieselben haben ein sehr kla res Gepräge und bestehen dem Anscheine nach aus einer Composition von Messing und Zink mit schwa cher Versilberung. Der Verbreiter oder Falschmün zer ist noch nicht ermittelt. Muth und Entschlossenheit Am 23. März wurde durch den Muth und die Entschlos senheit eines I4jährigen Knaben, Paul Gotzsche aus Linz bei Großenhain, acht Schulkindern das Leben gerettet. Derselbe geht nämlich von Linz aus nach der eine-Viertelstunde davon entfernten und nach Linz gehörigen Finkmühle. Bei dem Mühlteiche vorbeikommend, sieht er eine Anzahl Kinder in einem Kahne"aüf dem Wasser herum- fahrenz er geht aber vorbei und bis an die Mühle, wo -kr bet dem Mühlburschcn, welcher auf der Schneidemühle mit-dem Schärfen einer Säge be schäftigt ist, stehen bleibt, einige Worte mit ihm spricht und dann wieder zurück nach dem Teiche geht. Da wieder angekommen, sieht er den Kahn noch einmal nach Rechts und Links schwanken, von beiden Seiten voll Wasser schöpfen und mit allen darin befindlichen Kindern in die Tiefe des Wassers versinken. Aus Leibeskräften nach dem Mühlburschen schreien, sich seiner Oberkleider ent ledigen und in den sehr tiefen Teich springen, ist das Werk eines Augenblicks, und bereits hat er das dritte von den acht Kindern mit eigener Le bensgefahr gerettet und ans Ufer gebracht, als ihm der Müller selbst mit seinen Mühlburschen mit Stangen und H-lzhaken zu Hilfe kommt und die übrigen Kinder vollends gerettet werden. — V e r ttt i s ch t e s. Zn Kassel treten die Folgen der Wiederherstel lung des Hassenpflug'schen Regiments mit jedem Tage klarer hervor. Fast jeden Tag werden von Neuem hochverdiente Männer als Angeklagte vor das Kriegsgericht gefordert, weil sie als Staats oder Gemeindebeamte ihrem Verfassungseide treu gebliebrff Und der Revolution von oben mannhaft entgegengetreten sind. Dieses Verfahren gegen anerkannte, fast durchgängig der konservativen Par tei angehörige Ehrenmänner bildet einen merkwür gen Gegensatz zu dem Umstande, daß der Mini ster, welcher diese Verfolgungen anordnete,, in demselben Augenblicke vor Gericht „der Fälschung" beschuldigt, der Untersuchung und dem Urtheil dar» über sich durch formelle Mittel zu entziehen sucht. — Die Finanzlage Kurhesscns wird mit jeder Woche bedenklicher, und Herr Haffenpflug soll in der größten Verlegenheit sein, die nöthigen Geld mittel aufzutreiben; vorläufig läßt er weit über das übliche Maß Holz schlagen, damit nur den augenblicklichen Bedürfnissen genügt werde. — Viel zu reden giebt gegenwärtig die Differenz mit dem Eommandanten der in Kassel befindlichen preußischen Truppen. Der preußische Comman- dant beabsichtigte nämlich den Geburtstag des Prinzen von Preußen durch eine Parade zu feiern und ersuchte den hessischen Eommandanten, ihm zu diesem Zwecke einen Platz anzuweisen. Der Commandant erwiederte, daß er^dem Kurfürsten die Sache vorgetragen, und daß der Friedrichsplatz zu diesem Zwecke zur Disposition stehe. Er, der hessische Commandant, erwarte übrigens, daß der preußische Commandeur etwaigen bei dieser Gele genheit laut werdenden „Volksdemonstrationen" entgegentreten werde. Dieser Zusatz veranlaßte den preußischen Commandeur zu der Erklärung, daß er gegen das Vorkommen solcher Demonstra tionen eine Verantwortung nicht übernehmen könne, und daher die Parade nickt abhalten werde. Un ter den obenerwähnten Volksdemonstrationen scheint man ein Hurrah für den Prinzen von Preußen oder für die preußischen Truppen gemeint zu ha ben, und es ist allerdings bezeichnend genug für die hessischen Zustände, daß die Regierung in es» ner solchen Huldigung nur den eigenen Mißkredit erkennen kann, in welchem sie selbst steht. Es ist diese Angelegenheit auch in Berlin sehr übel ver merkt worden, namentlich soll der König darüber bitterböse sein. — Von dem Kurfürsten hört man, daß ihn außer der Unzufriedenheit mit der Lage seines Landes auch noch Krankheit heimsucht; er ist von Schwären geplagt, die ihn nicht ruhig schlafen lassen. Nicht minder schlimm geht es aber seinen Landeskindern, obgleich sie das über sie hereingebrochene Elend nicht selbst verschuldet haben. Es ist, als ob das Volk von allen Land plagen heimgesucht werden sollte. Neben der po litischen Verfolgungswuth, die durch die verwerf lichsten Denunciationen täglich neue Nahrung er hält, giebts Noth und Theuerung an allen En den. In der Provinz Fulda haben die Bundes- Erecutionstruppen eine bekannte erschreckliche und ansteckende Krankheit verbreitet, welche unter der