Bachschen Schöpfung. Rudolf Decker. Die Kantate komponierte Bach de tempore, d. h. jeweils für den betreffenden Sonntag des Kirchenjahres. „Weinen, Klagen“ ist für Sonntag Jubilate (1724) geschrieben, dessen Evangelium sozusagen ein „Jubilate (= jauchzet) unter Tränen“ ausdrückt. Es kann in Tönen nicht überzeugender verkündet werden. Die Sinfonia malt edlen Schmerz, nicht ohne ihn schon mit harmonischen Mitteln zu verklären. Des Eingangschores ersten Teil übernahm Bach später mit geringen, aber charakteristischen Änderungen in seine Hohe Messe als „Crucifixus", mit dem er den chromatisch absteigenden Basso ostinato gemein hat. (Diese Beziehung zur h-moll-Messe gibt Veranlassung, gerade diese Kantate im Bach-Gottesdienst zu bringen.) Bei der Arie „Ich folge Christo nach“ treffen wir im imitierenden Einsatz der beiden Violinen und des Basses das bezeichnende Bachsche Schrittmotiv. In das schon selig verklärte „Sei getreu“ hinein singt die Trompete den Choral „Jesu, meine Freude“ in rhythmischer Form. Am Schluß der Kantate ist das Jubilate ganz erblüht: über der zuversichtlichen Choralmelodie jubelt noch eine obligate Stimme (Oboe und Trompete), von aller Erdenangst befreit. An den hohen Festen erschien in der Leipziger Liturgie eine figurale Vertonung des „Sanctus“ vor dem Abendmahl. Zweifellos hat Bach das Sanctus seiner Hohen Messe für diesen Zweck geschaffen. Ihm schwebt bei diesem einzigartigen Wurf die prophetische Vision vor, die im vorausgehenden Gemeindelied angedeutet ist. Wenn es an der entsprechenden Bibelstelle heißt, daß „die Überschwellen bebten von der Stimme ihres Rufens“, dann verstehen wir den Klangrausch der