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— 51 — Bücher wurden mir im Seminar nur mit großer Mühe zum Lesen gewahrt, denn die ganze Er ziehung eines Priesters muß , wie -sich die Hier archie ausdrückt, vom Standpunkte der Kirche aus besorgt werden, und da sich der CleruS anmaßend für die Kirche hält, so heißt das eben so viel als: Mes muß vom Standpunkte der selbstsüchtigen Hierarchie aus betrachtet und betrieben werden. — Die Lectüre der Bibel wird in diesem Sinne ge leitet, di» Lectüre so vieler anderer erleuchteter Bücher wird in eben diesem Sinne verboten, kurz, der Clerus zieht die junge Pflanze ganz nach seiner Manier, begießt sie mit dem Wasser der.Liber, um dereinst römische Früchte an dem erwachsenen Baume zu erblicken. . Man zieht, möchte ich sagen, jedem römisch, katholischen Theologen einen Rock an, der in der großen Kleiderfabrik auf dem Vatican gemacht ist. Ob dieser Rock paßt oder nicht, thut wenig zur Sache, man modelt so lange daran, bis er zur Noth anschließt. Man setzt einem Jeden eine römische Brille auf die Nase, durch die er Alles betrachten muß, und die so geschliffen ist, daß sie selten das wahre Bild des betrachteten Gegenstandes aufnimmt. Auch mir war solche römisch - hierarchische Brille aufgesetzt worden und ich sah die Welt dadurch, wie Rom 'es wollte. So trat ich aus dem Se minar, zwar in Zweifeln über manche Dogmata, aber doch immer Noch römisch-katholisch, immer noch den römisch-katholischen PriesteralS ein höhe res Wesen, als erhaben über die Schwachheiten und Gebrechen der übrigen Menschen betrachtend. Die Binde sollte bald gänzlich fallen. Der Herr erbarmte sich meiner; ich sollte klarer sehen und erkennen, daß man Gott, allein anbeten, ihm allein dienen soll (Matth. 4, 1V); ich sollte schauen die Herrlichkeit deS Herrn mit aufgedecktem An. gesichte und sollte aus einer Klarheit in die andere gleich wie vom Geiste des Herrn geführt werden (2. Kor. 3, .18), ich sollte kennen-lernen das lü genhafte Gesetz des Papstthums, welches der Men schen Gewissen umstrickt und uns an der Aus übung der moralischen Freiheit hindert, — um es zu verwerfen. ; . Ich ward Vicar an der Dvmkirche zu Posen und verlebte an diesem einen Hauptsitze des hier archischer Ptiesterregiments 14 Jahr und ward nun sehend. Ungeachtet der großen Schaar von Priestern sah ich Lausende nach dem Wort«,Gol fes Verfangende ohne Lehre und Trost durch ihr Leben wandeln. — Wird der ganz je, suitische Grundsatz: der Zweck heiligt hie Mittel, auch am Lage deS Gerichtes bestehen wenn der Herr deS Himmels und - der Erden wird frage» nach dem Pfunde, welches er einem Jeglichenan» vertraut hat? - . -- > - - Da gesellte sich zu meinen früheren Zweifeln noch der Zweifel an die Heiligkeit der Priesterkaste' Ich warf mich wieder auf das Studium der Bi bel, ich forschte in Büchern, die mir verboten worden waren,und ich fand, was ich ahnte, daß ich kein Hiener Gottes, sondern ein Diener eines menschlichen Gewalthabers war. Ich las Joh. 14, 6: „Ich (Christus) bin der Weg , die Wahr heit und das Leben. Niemand kommt zum Va ter denn durch mich", und I. Lim. 2, 5: „Henn es ist ein Gott und rin Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch gewordene Christus JesuS". Wie stimmt dieses mit der Hei, ligenanbetung, wie mit der neuesten Lrierschen Rockgeschichte zusammen? - . .. Ich las.,ferner Matth. 7^ ZL-,,Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet". Und man sollte berechtigt sein, im Beichtstühle die Schwächen der Menschen zu richten und zu strafen;. nur, die wir selbst schwache Menschen sind, 1>ie des Ruhme- . ermangeln, den wir haben sollen vor Gott? . Ich fand 1. Lim, 3, 2: „Es soll Mp Hin ein Bischof unsträflich eines Weibes Mann, nüch tern, mäßig, gastfrei und lehrhaftig; der sinne« eigenen Haufe wohl vorsteh», der gehorsame. Kin der habe mit aller Ehrbarkeit". Ferner 1^Ko«tzth. 7,.2: „denn, um der H...... willen habe siy Je der sein eigenes Weib und eineJede ihren eigenen Mann", und endlich 1. Thimoch. 4, 1^-k: „Der Geist aber saget deutlich, daß in den letzten-Zei ten werden Etliche von dem Glauben auStreten und, anhangen den verführerischen Geistern und Lehrern der Teufel, durch die,, so in Gldißnerei Lügenredner sind und Brandmal in ihrem Gewis sen haben, und verbieten, ehelich zu werden, und zu meiden die Speise, die Gott geschaffen hat- . zu nehmen aus Danksagung den Gläubigen und denen, die^ die Wahrheit erkennen. — Denn alle Creatur GotteS ist gut, und nichts verwerflich- das mit Danksagung empfangen wird". Verglich ich damit das Leben des. Priesters; so wandelte mich ein Grauen an. Wie viele heiße Thronen sind schoss dem unsinnigen Gesetze des Cölibats geflossen ppn denen, die in's Netz eines gewissenlosen Priesters gefalle» find. .