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— 195 — den Unmenschen., der nicht einmal die Bande der Natur, die doch sonst dem Rohesten heilig sind, geachtet hatte, auf den Platz, wo er seinen Be gleiter mit dem Knaben verlassen. Bleich, ohnmächtig, wimmernd lag der arme Kleine ach Boden, F. rieb ihm Gesicht und Schlafe mit Schnee und brachte ihn so wieder zu sich. Anfangs überhäufte er ihn mit Liebkosungen, bat und beschwor ihn, zu schweigen gegen Jedermann von dem Vorfälle, an dem er nicht schuld sei, erschöpfte sich an Versprechungen und ließ nichts unversucht,- was den Knaben hatte zum Still schweigen bewegen können. In Thränen gebadet weinte und klagte dieser fortwährend, und überhäufte den Oheim , mit Vor würfen und Drohungen, er werde Alles seinen Eltern sagen. In dem Augenblicke trat sein Verbrechen in ganzer Größe vor seine Seele und wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke, sich durch ein noch größeres Straflosigkeit für sein erstes zu sichern. Er befahl dem Knaben rauh, aufzustehen und ihm zu fSlgen, er wolle ihn heimführen zu seinen Eltern. Der Knabe gehorchte;-als sie aber an die äu ßerste Mauer kamen, da faßte er den nichts Ah nenden von rückwärts am Mantel und hob ihn über dieselbe. Der Mantel blieb in seiner Hand zurück, der Knabe stürzte in die Tiefe — ein Schrei, dann herrschte wieder ringsum Grabes- st-lle. < F. stand einige Augenblicke regungs- und besin nungslos; dann ergriff er die Flucht und eilte in seine Wohnung, woselbst er den mitgenommenen Mantel seines Neffen in's Bett versteckte., und sodann in eine Schänke ging, sich und sein Ge wissen durch' den Genuß geistiger Getränke zu be täuben. Zwei' Herren, welche über das Glacis in die Vorstadt gingen, sahen im Sternenlichte eine schwarze Masse über die Mauer stürzen,'hörten den Schrei, dem rin leises Wimmern folgte. Sie eilten in die Stadtgräben, wo sie den armen Kna ben röchelnd und schwer athmend, aber gänzlich besinnungslos fandep. Während der Eine bei demselben blieb, eilte der Andere dem nächsten Polizei-Wachtposten zu, um die Anzeige zu ma chen^ der Knabe wurde aufgehoben und in's all gemeine Krankenhaus gebracht, wo er wenige Stun den daraüf, ohne den Gebrauch seiner Sinne wie der erlartzt zu haben, den Geist aufgab. Der Bericht über diesen Vorfall wurde an's . ----- Krlminalgencht und die Polizei erstattet, und alle Mittel zur Ausfindigmachung des Lhätcrs ange wendet. ' . Schon am folgenden Morgen hatten die über das nächtliche Außenbleiben ihres Sohnes bestürz ten amd verzweifelnden Eltern den Bericht an die Polizeibezirks - Behörde ihrer Vorstadt erstattet, und eine genaue Personsbeschreibung des Verlore nen zu Protokoll gegeben. Die Bezirksverwaltung sandte diese an die Ober-Direktion-, und sie paßte vollkommen auf den im Stadtgraben gefussdenen und im Spitale-verstorbenen Kkaben. — Sogleich wurden die Eltern davon benachrichtiget^und zur Beschauung der Leiche aufgefordert; der freund liche Leser kann sich den Schmerz und den Jam mer derselben denken , als sie in den Gemordeten ihren Sohn erkannten. — Nachdem man so die ersten Anhaltspunkte hatte, auf welche man weitere Untersuchungen stützen konnte, entfaltete die Polizei ihre ganze Thätig- keit. Die Schulgenossen des Knaben wurden be fragt, konnten aber nichts aussagen. An alle Trödler ging die Beschreibung des Mantels, wel chen der Knabe umhatte, und den man-nicht bei ihm gefunden und das Gerücht vdn dieser schau dervollen That durchlief die Residenz. F., wel cher das auf so schändliche Art erworbene Geld, dazu anwendete, um in WirtHshäusern sich herum zu treiben und in viehischer Betrunkenheit Ber- s gessen seiner That zu finden,, den Stachel seines Gewissens abzustumpfen, schwebte in der peinlich- sten Angst, so oft in seiner Gegenwart oder Nähe die Mordgeschichte erzählt wurde; denn er fürch tete in jedem Augenblicke, man möchte ihm auf die Spur kommen. Inzwischen hatte ein Gerücht sich verbreitet, welches einen Verwandten des Knaben als den Thäter bezeichnete, da es der Polizei, durch eif rige Nachforschungen gelungen war, in Erfahrung zu bringen, daß der Knabe mit zwei Herren in der Zuckerbäckerei gesehen worden, gegen welche er äußerst vertraut gewesen. Dies bewog den Thäter, den Mantel, den er noch bei sich hatte, und der ihn bei einer Hausuntersuchung hätte ver- rathen können, wegzugeben, und somit jede Spur, jedes Beweismittel gegen sich -zu vertilgen. Er rief einen Trödlerjuden in's Haus, dem er den Mantel verkaufte; dieser aber trug ihn noch am selben Lage auf dem Trödelmarkt (Tandelmarkt), um ihn an ^inen der dortigen Kleide.rhändler gros zu verkaufen.. Der Trödler erkannte das Mäntelchen nach der