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115 Dahlen. Vor einiger Zeit las man in öffent lichen Blättern von einest, Wahlteufel, der in ei nem schlesischen Dorfe Nachts zum Schulzen ge kommen war', diesem zur Pflicht zu machen, da hin zu wirken, daß ein gewisser namentlich be zeichneter Einwohner des Orts gewählt werde, in welchem Gespenst« man, als die Hofhunde es ge, stellt und auf eine Leiter getrieben, den vorge schlagenen Candidaten selbst erkannt hatte. Ein Seitenstück zu diesem Teufelsspucke ist jetzt in dem hier nahe gelegenen Dorfe Colm, am Colmberge, vorgekommen. In diesem Orte befindet sich ein Gutbesitzer, schon etwas bejahrt, Wittwer und kinderlos, wrlchrr eine Pflegetochter, eine Magd und den Ehemann seiner Stieftochter, die in Oschatz wohnt, als Tagelöhner bei sich hat. Dieser Stief tochter soll das Gut testamentarisch bestimmt sein. Zu diesem alten Manne ist vor einigen Tagen deS Nachts ein Erbteufel gekommen, in ein gro ßes weißes Tuch gehüllt, welcher mit dumpfer Stimme das Geld verlangte, den Mann aus dem Bette geworfen, gcmLßhandelt, und das Bette durchsucht, züm SchluN aber auf dem Ofen in der Stube Schwefel?-rchd Pech angebrannt und nach seiner Entfernung di^Mtubenthüre, sowie den Fensterladen zugestemmt Hut; allem Anscheine nach" in der Absicht, den Gutsbesitzer auf ächt diaboli sche Weise aus-, der Welt zu spediren. Als es diesem endlich gelingt, durch seine Hülferufe die auf dem Boden schlafende Pflegetochter zu wecken, eilt dieselbe in tzer Angst zum Lager des Tagelöh ners, der jedoch ebenso wie sein Betttuch verschwun den ist, und nachdem sie endlich mit der Magd in Schreck und Angst sich in das Haus hinunter begeben, haben beide den Erbteufel in seiner weißen Hülle vom Hofe aus in das Haus und auf den Boden eilen sehen. Spater hat sich auch der LogeWner eingefunden, ganz verwundert und be stürzt gezMt und den alten Mann ob des gehab ten SMDes bedauert; dieser aber hat ihn am MotgiMWeärrs über seine Diablerie zur Siede ge setzt, dersebe aus dem Gute entfernt Hot. Jetzt" befindet er sich in Untersuchung und hat bereits seine Frevelthat gestanden. D eck Pro le ta r. Zerfetzt das Kleid, verwirrt das Haar, Steht am Wegweiser da ein Proletar Das Elend steht ihm im Angesicht, - Der Hunger aus Äug' und Miene ihm spricht; Den Wegweiser fragt er höhnisch , siech und matt: „Tut', Freund, ich bin verjagt dort unten au- der Stadt, So Wess'mir den Weg, wohin soll ich geh'ii? Darf nirgend« rasten, nicht sitzen «nd steh'o, Soll wandern, wandern zurHrimath, die mich gebar, Und ich hab' keine Heimath, —'ich brn ein Prdletvr!" —» — Da kommt ein Grnsd'arm: „Was will Er hier? Wer ist^r! Wo hat Er denn Paß und Papier?". — Der Proletar schweigt. — „Nun, will Er störrisch sein? Wo kommt Er her? Wohin ! Wo ist Sein HeimathS- schein?" — „Ich? Ich gehör' in's Elend, hier die Schwielen an Hand und Bein, Sie sind mein Ausweis und mein Heimathsschein; Mein dürrer Leib, mein Angesicht blaß, Ist all' mein Papier und Reisepaß; Kann Er das lesen? Dann wird Er wohl gewahr, Wer und was ich bin, — ich bin ein Proletar!" , — Und weiter wandert er, den Knittel in der Hand, Dent- Schatten gleich schwankt er am Wegesrand, Er hält sich aufrecht auf den beiden Füßen kaum, Die Zunge lecvzt und klebt an feinem dürren Gaum p Er aß nicht und er trank nicht schon an die dreißig Stund', Die Glieder sind ihm Blei, die Füße sind ihm wund; So schleppt er in ein Dorf sich hin mit Müh' und Noth, Da kommt der Richter: „Wer ist man? Schwerenoth! Schon wieder so ein Lump! Uns gehört Er hier nicht zu! Wer ist Er? Das sag' Er, dann pack' Er sich im Nu!" „Jch bin eia Hungernder, reicht mir einen Biffen Brod nur dar, Euch sagt es ja mein Elend: ich bin ein Proletar!" — — Der Richter jagt ihn aus dem Dorf geschwind, Er schleppt sich mühfam fort durch Schneegeschlitz und Wind; Der Sturm durchpfeift sein löcherig Gewand, Er starrt vor Frost, siecher wird ihm Füß und Hand; Ermüdung, Schlaf bewältigt seiner sich alsbald. Zum Graben an dem Weg zieht's ihn mit Allgewalt, Da schließt er's Äug', sein Haupt sinkt auf den Stein, Er fühlt den Tod, schon faßt er sein Gebein; „Zu beichten brauch' ich nicht, der Sünden bin ich baar, Wie sollt' ich sünd'gen denn? — ich bin ein Proletar?"— , — Erfroren, preisgegeben den Elementen wild, Liegt todt im Graben er, auch Gottes Ebenbild! . Der Schnee allein erbarmt zum letzten Dienst' sich sein,- Er hüllt ihn christlich in ein weißes Linnen ein; Und seine Seele, zu dem bessern Sein erweckt, Sie^steigt vom Graben tief zum Himmel auf direct; Und Pctrusl kommt heraus zuerst'an's Himmelsthor, Und fragt die arme Seele, wie der Richter g'radzuvor: „Wer ist mag? Was will man? Manchabe nur Geduld; Ist man auch'frei von Sünde, Fehl und Schuld?e* — Die arme Seel' erschrickt, und wie sie's stets gehört, für- niahr,' : ' . Sagt sie zu Petrus stillbeschämt: „Äch hin ein Proletar!" — Der liebe Herrgott hört's, und ruft dem Petrus zu: „Das Himmelsthor mach' freundlich gus im Nu, '. Die Sterne ruf' heraus, und zünd' sie alle an, Die Engel sollen kommen, mit Flügeln angethan, Empfangen sollen sie, wie einen Bruder ganz, - . Der tief auf Erden trug den Lebensdornenkranz! Sein Erdengang voll Leid und Weh und Pein Gilt für den Himmel als sein Heimathschcin, Denn oben hier im Himmel, in meiner Engel Schaar, . Heißt oftmals -er mein Freund, -er miteo hchß: „Pro- lrrar!" ' ' ' ' - - " L