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zerfleischen. Diese, wurden neuerdings zur Ver zweiflung, als er aus dem Mastkühe über sich die nur zu wohlbekannte Stimme Georgs herab, rufen hörte: „Um Gott, Willy! bist du auch hier?" Er sah auf und Georgs Kopf über dem Mast korbe hängen, welcher bislang den kleinen Bur schen ganz verdeckt gehabt. Lieser Anblick, wel cher ihn unter anderen Umständen mit der leb haftesten Freude erfüllt haben würde, drückte den armen Klilly völlig nieder, der -fast ohne Grund über tausend Menschen einem irrigen Wahne ge opfert hatte. Mittlerweile hatten die anderen Schiffe ihre Boote zur Rettung der mit den Wogen ringen den Ueberbleibsel des Royal George ausgeschickt. Eins derselben näherte sich auch Willy, ihn seiner nicht ganz gefahrlosen Lage zu entreißen. Er aber weigerte sich der dargebotenen Hilfsleistung und bestand darauf, daß man vor allen Dingen seinen Schutzbefohlenen im Mastkorbe berget möchte. Nachdem , dies geschehen und George glücklich herab und in's Boot gelangt war, reichte Willy ihm die Hand, als wolle er nur von dem Knaben ly Sicherheit gebracht sein. Allein in dem Au genblicke, wo mehrere Hände ihm zu Hilfe kom men wollten, ließ er diejenige Georgs plötzlich los und stürzte sich mit dem Rufe: „Gott fei meiner armen Seele gnädig t" in die Fluchen, die auch ihre Beute nicht wieder Hergaben. , Mit Bestimmtheit kann nicht behauptet werden, daß Willy's-That. allein es war, welche den Un tergang des Royal George veranlaßte. Minde stens gleiche, wo nicht größere Schuld daran trug der Lieutenant auf Deck, welcher aus Eigensinn und Beamtendünkel die Warnung des Zimmer manns verachtete, ein häufig vorkommender Feh, ler, der schon vieles Unglück in der Welt gestif tet hat und allein hier den Tod von mindestens 1000 Menschen nach sich zog. Denn im Ganzen wurden kaum 150 Seelen lebend aus dem Was ser aufgefischt, die übrigen kamen erst nach meh reren Tagen als Leichen zu 10, 12 und mehr aijs dem Grunde aufgestiegen7 Ein und sechzig Jahre waren nach dem eben beschriebene Ereignisse verflossen- andere Zeiten und mit ihneü auch andere Menschen gekommen. Das große britische Reich. beherrschte eme kleine, aber hübsche Frau, unter deren Scepter jedoch die Britten ruhiger und glücklicher lebten, als dies der Fall unter den vorhergegangenen Königen war. Königin Victoria hielt än einem Tage des Jah res 1843 in, ihrem Schlosse zu Windsor ein glän zendes Lever, das bekanntlich eine Unzahl vorneh mer und ausgezeichneter Männer und Frauen in dichtem Gedränge an der. Beherrscherin vorüber führt, welche an die ihr vorgestellten Personen kaum ein paar Worte richten kann Und herzlich froh ist, wenn das lästige, zeitraubende Ccrenro- niell sein Ende erreicht hat. Unter der Menge befand sich auch der greife Lord Euttlington, wel cher nebst seinen beiden Söhnen des besonder» Glücks theilhastig wurde, von der Königin und deren Gemahl durch eine längere Unterhaltung ausgezeichnet zu werden. Indem der Vater mit seinen Söhnen den Audienzsaal verließ und durch die glänzenden Königszimmer dahinschritt, wurde seine Aufmerksamkeit auf eine blanke Kupferplatte hingezogen, die auf dem Untergestelle eines gauz neuen prachtvollen Billards angebracht war uim eingegrabenc Buchstaben enthielt. Der Lord beugte sich nieder, las und stand erstarrt. Seine Hände falteten, seine Augen näßten sich. Nachdem er sich gesammelt hatte- wendete er sich an seine bei den Söhne und sagte mit tiefbewegter Stimme : „Welch' ein Wiedersehen! welch' eine Verwand lung! O meine Söhne! betrachtet diese Kupfer- täfel und das Holz dieses Billards. Sie sind beide Ueberreste eines Ganzen, das einst entschei dend für mich und euch war. Ohne dasselbe wäre ich noch der arme niedere Georg Wartens und ihr beide theiltet dann mein Schicksal oder wäret viel leicht gar nicht in der Welt. Und dennoch —" der Lord athmete schwer auf — „sind es keine freudigen Erinnerungen, die mich bei dem An blicke dieser Trümmer eines herrlichen Bauwerks beschleichen. Armer Willy! wird Gott sich gnädig deiner Seele erbarmt haben? Und ihr, tausend schuldlosen Opfer! auf' euren Untergang mußte mein Glück erbaut werden?! Leset, meine Söhne, - leset und ihr werdet Meine Gefühle theilen!" Und die Söhne des Lords lasen: „Dieses Billard ist aus den, durch Hisse dtp verbesserten Taucherglocke von dem Meeresgründe heraufgeholten Trümmern des im Jahre 1782 zu Spithrad untergegangenen Linienschiffes, Royal George, erbauet und diese Platte aus den Ku- pferreifen der im gedachten Schiffe noch vorgefun denen Pulverfässer verfertigt worden. So gesche hen im Jahre 1843 unter der glorreichen Regie rung Ihrer Majestät, der. Königin von Großbn- tanien, Victoria Alexandrine, die Gott »och lange erhalten wolle!" ' "