sich die nun folgende Reihe sinfonischer Werke nach eigenständi gen kompositorischen Prinzipien. Es vollzieht sich eine Hinwen dung zu sparsamerer Verwendung der Ausdrucksmittel und über schaubar konzentrierterer Form, die allerdings den rhapsodi schen Charakter aufgrund weiträumiger, zerklüfteter Gliederung nicht ganz abzustreifen vermag. Die 2. Sinfonie D-Dur op. 43 — sie gilt allgemein als die populärste und meistgespielte des Komponisten — ist gekennzeichnet durch traditionelle Satzformen und -Charaktere, weitgeschwungene melodische Gedanken („Wie immer bin ich der Sklave meinerThe- men und unterwerfe mich ihren Forderungen“, schrieb Sibelius über seine stilistischen Vorlieben) und emphatische Orchester klänge. Im ersten Satz treten an die Stelle des strengen thematischen Dualismus drei Themengruppen, die sich zur eher locker aufge bauten Exposition zusammenschließen. Nach einem Durchfüh rungsteil mit intensiver Materialverdichtung folgt eine stark ver kürzte Reprise, in der die Themengruppen nicht mehr vollständig auftreten. Der zweite Satz erweist sich als ein überraschend durchbroche ner, vielgestaltiger Satz in düsterer Grundstimmung. Der dritte Satz, ein zweiteiliges Scherzo, leitet mit einer großange legten Steigerung in den sich attacca anschließenden Finalsatz, der wieder die Sonatenhauptsatzform aufgreift, die hier enger am formalen Schema durchgeführt wird als im 1. Satz. Der emotionale Gestus und die innere Dynamik der Themen erzwingen aber letzt lich in der melodischen Fortentwicklung die für Sibelius so typi sche freie Struktur, deren innere Einheit durch vielfältige thema tisch-motivische Bezüge, vor allem zum Kopfsatz der Sinfonie ge geben ist. Darüberhinauskommtgerade in diesem letzten Satz die Vorliebe des Komponisten für Orgelpunkte, Liegeklänge und Ostinati verstärkt zum Tragen. Es zählt zu den unergründbaren Phänomenen im Leben Sibelius’, daß er nach 1929 — während der letzten 30 Jahre seines Lebens — kein neues Werkmehrgeschrieben hat, nachdem erbiszu diesem Zeitpunkt nicht weniger als 7 Sinfonien, zahllose Tondichtungen, Bühnen- und andere Orchestermusiken geschaffen hatte. War es wachsende Selbstkritik oder aufkeimender Zweifel, waren es die bedrückenden gesellschaftspolitischen Veränderungen und der Zweite Weltkrieg mit seinen verheerenden Folgen? Es gibt keine schlüssige Antwort auf diese offene Frage um das schicksalshafte Ende eines reichen künstlerischen Daseins. Renate Bozic