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ZUR EINFÜHRUNG In der „Pariser Sinfonie" D-Dur K V 2 9 7 lebt viel von der Landschaft, für die sie geschaffen wurde. Wolfgang Ama deus Mozart hat sie bewußt dem Kunst geschmack des Paris von 1778 angepaßt. Es war ihm sehr daran gelegen, mit diesem in Umfang und Besetzung großzügig konzipier ten Auftragswerk sein Können, seinen künstle rischen Weitblick in der französischen Haupt stadt so vorteilhaft als möglich unter Beweis zu stellen. Absichtlich berücksichtigte er des halb der Mode entsprechende Effekte, um dem Pariser Publikum zu imponieren. Nicht nur die Partitur, sondern auch die ausführlichen Briefe, die Mozart dem Vater von Paris nach Salzburg sandte, sind dafür der beste Beweis. Als er im März 1778 — in Begleitung der Mutter — zum dritten Male in Paris eintraf, wurde gerade der französisch-italienische Opernkrieg zwischen den „Gluckisten" und „Piccinisten" ausgefoch ten. Für Mozart waren die Verhältnisse un gleich ungünstiger als bei den früheren Auf enthalten in Paris. Der heranwachsende Künst ler hatte nicht mehr die sensationellen Er folge des einstigen Wunderkindes. Aber här ter als die berufliche Enttäuschung trafen ihn in der fremden Stadt Krankheit und Tod der Mutter. Die am 18. Juni 1778 mit dem erstrebten Er folg uraufgeführte Sinfonie hatte der Direc- teur der „Concerts spirituels", Les Gros, be stellt. Er wünschte ausdrücklich eine „große Sinfonie" für das Pariser Orchester, das neben dem Mannheimer das derzeit beste war. Leo pold Mozart, der Vater, hegte Zweifel, ob Wolfgang Amadeus mit der Aufgabe fertig werden würde. Aber er war darauf denkbar gut vorbereitet, denn seine Reise hatte ihn durch das musikalisch fortschrittliche Mann heim geführt. Hier war ihm Gelegenheit ge geben, die moderne Orchestersprache, die Virtuosität und differenzierte Dynamik dieses weltberühmten Ensembles und den an ihm er probten Mannheimer Kompositionsstil gründ lich zu studieren. Aber neben den Mannheimer Anregungen bedachte Mozart in der „Pariser Sinfonie" vor allem die vielen neuen Möglich keiten, die ihm das reichbesetzte französische Orchester bot. Das spiegelt sich in der Man nigfaltigkeit und Modernität des Ausdrucks wider, aber auch in den erweiterten Dimensio nen der Sätze. Zum ersten Mal verwendet er in einer Sinfonie Klarinetten. Die verschiede nen Fassungen der ersten Sätze, die vielen Überarbeitungen und Verbesserungen im Au tograph zeigen deutlich, daß Mozart damit nicht nur den Wünschen seines Auftraggebers nachkam, sondern daß er mit neuen Farben und Formen experimentieren wollte. Klammert man die ebenfalls in Paris komponierte „Sin fonie concertante" (KV 297 b) aus, so ist die Sinfonie KV 297 das erste Werk dieser Gat tung nach vierjähriger Pause. Sie darf als Vor bereitung für einen neuen sinfonischen Stil gelten, den Mozart in Paris vor der Öffent lichkeit erprobte. Welch ein Gegensatz besteht zwischen dieser Sinfonie und den vorau^^- gangenen in A-Dur (KV 201) und D-DurflB/ 202), die in Salzburg als Ergebnisse der italie nischen Reisen entstanden! Es ist nicht zu über hören, daß die „Pariser Sinfonie" in ihrer grö ßeren geistigen Beweglichkeit und komposi tionstechnischen Spannweite vorwärtsweisende Bedeutung hat. Die ersten Takte des Allegro assai bilden den damals in Paris beliebten „Premier coup d’archet", auf dessen präzise Ausführung das französische Orchester sehr stolz war (Mozart: „Da machen die Ochsen hier ein wesen daraus!"). Das ist nichts ande res als ein energischer Bogenstrich beziehungs weise ein Fortissimo-Einsatz des gesamten Or chesters, der bei derartiger Besetzung natür lich äußerst effektvoll wirkte. Obwohl Les Gros betonte, „das sei nun seine beste Sinfonie", mußte Mozart das graziöse Andante noch ein mal komponieren, da es seinem Auftraggeber zu lang und zu modulationsreich erschien. Im Grunde genommen ist das neue Andante nur eine komprimierte Form der ursprünglichen Fassung, der dann Mozart bei weiteren Auf führungen in Wien vermutlich den Vorzug gab (sie ist — wie allgemein üblich — auch heute zu hören). Im Finale verstand es Mozart, chn Effekt des „Coup d’archet" sogar noch zu ^B gern, indem er ihn nicht sofort einsetzte, son dern das Publikum erst hinhielt — über den flü sternden zweiten Violinen erklingt unerwartet das Hauptthema im Piano, über acht Takte hinweg zögert Mozart den mitreißenden For te-Einsatz des Tutti hinaus. Danach setzt das zweite Thema als meisterhaftes Fugato ein und wird in der Durchführung verarbeitet. Die Durchführung ist der bedeutsamste Abschnitt der „Pariser Sinfonie". Ihre strenge Arbeit weist bereits auf die späten Mozart-Sinfo nien hin. Daß diese D-Dur-Sinfonie trotz ihrer technischen Perfektion ein verstecktes Eigenle ben führt, gibt besonders dieses geniale Fi- STANKO ARNOLD, seit 1968 Solo-Trompeter der Slo wenischen Philharmonie, wurde 1949 in Slowenien ge boren. Er studierte an der Musikakademie in Ljublja na und vervollkommnete seine Ausbildung danach in Paris bei Roger Delmotte. Seine Solisten-Karriere wurde durch die Verleihung mehrerer Preise gefördert. So erhielt er u. a. 1976 den 1. Preis im Internationalen Toulon-Wettbewerb, 1979 den 2. Preis im Internationa len Maurice-Andre-Wettbewerb Paris. Er reiste als Solist in viele Länder Europas sowie in die USA und produzierte zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenauf nahmen.